Bahnbrecherin der deutschen Frauenliteratur
Vor 250 Jahren ist die „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“von Sophie von La Roche erschienen – der erste deutsche Frauenroman. Die Horgauerin Pia Christina Stephan hat ihn nun erzählt
Es liest sich wie ein klassischer Krimi aus heutiger Zeit: Da gibt es eine verschwundene Dame, das „Fräulein von Sternheim“, einen Erzähler, der sich als Ermittler auf die Suche nach ihr macht, um Faden für Faden all die Verstrickungen in diesem Fall zu lösen. Der Erzähler, Lord Rich, dem das Fräulein sehr am Herzen liegt, lässt all jene zu Wort kommen, die mit dem Fräulein in irgendeiner Weise in Berührung gekommen sind.
Erschienen ist diese Kriminalgeschichte im Jahr 1771, vor 250 Jahren. Die „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“, aus der Feder von Sophie von La Roche, gilt als erster deutscher Frauenroman, der vor allem die weibliche Leserschaft sehr angesprochen hat. Diesen Briefroman hat nun die Autorin Pia Christina Stephan aus Horgau wiederentdeckt und – wie sie sagt – „Sophie von Sternheim wachgeküsst“.
Ihre Idee war, das Original von Sophie von La Roche in einen Kurzkrimi für heutige Leser und Leserinnen umzuschreiben, ohne jedoch den ursprünglichen Plot und die darin aufscheinenden „zeitüberschreitenden Ideen“zu verändern. Das war vor allem der Wunsch von Frauen und Mädchen nach einem selbstbestimmten Leben.
Dem jungen Fräulein Sophie von Sternheim ist gerade dies verwehrt. Nach dem Tod ihres Vaters soll sie für ein Jahr bei Verwandten bleiben und dort, in einem kleinen deutschen Fürstentum, dem Fürsten als Maitresse angedient werden. Bei einem Hofball kommt es zum Eklat, das Fräulein, das erst jetzt die Intrige erkennt, wirft dem Fürsten ihre prächtigen Kleider und den Schmuck vor die Füße und flieht – in die Arme eines englischen Lords von zweifelhaftem Ruf, eines Heiratsschwindlers.
Ihre Spur führt in das von ihr so geliebte England, wo sie verstorben sein soll. Das Grab allerdings, das gefunden wird, ist leer. Am Ende geht alles gut aus, das Fräulein von Sternheim bekommt einen edlen Ehemann und kann ihren wirklichen Neigungen nachgehen – der Heranbildung junger, armer Mädchen gemäß ihrer Veranlagung zu Kindermädchen, Kammerjungfrauen, Köchinnen, Haushälterinnen und Mädchen. „Sophie von Sternheim trotzt dem Schicksal und erlebt ein verdientes Happy End“, so Pia Christina Stephan. Das sei „sensationell, ein gesellschaftliches und literarisches Novum“. Gezeigt werde keine passive beweinte Heldin, die der Tod erlöst. Nein, Tapferkeit und soziales Engagement führen die Heldin zum ersehnten Lebensideal.
Hinter dem Fräulein von Sternheim leuchtet Sophie von La Roche auf, die Pia Christina Stephan als „Bahnbrecherin der deutschen Frauenliteratur“imponiert und zu dieser Nacherzählung inspiriert hat. Auch Sophie von La Roche, die ihre Jugendjahre in Augsburg verbracht hatte, durfte als Frau nicht öffentlich Talent zeigen. Zunächst war ihr Buch unter dem Namen von Christoph Martin Wieland, ihrem ExVerlobten, veröffentlicht worden. Es ist erschienen beim Verlag „Weidmanns Erben und Reich“in Leipzig. Geschrieben hat es Sophie von La Roche in einer eigenen Lebenskrise, die es zu meistern galt, nachdem sie und ihr Mann sich in ungewissen Verhältnissen neu orientieren mussten. In dem Jahr 1771 siedelte die Familie nach Ehrenbreitstein über, wo Sophie von La Roche einen berühmten Literarischen Salon eröffnete. 1783/84 fing sie an, die Frauenzeitschrift „Pomona für Teutschlands Töchter“herauszugeben.
Übrigens: Ein Relief am Gebäude der Maximilianstraße 3 erinnert an Sophie von La Roche und die Zeit, die sie hier mit ihrer Familie in Augsburg verbracht hat.
ⓘ Das Buch „Auf der Suche nach Sophie von Sternheim – Kriminalgeschichte nach dem Briefroman ‚Geschichte des Fräuleins von Sternheim‘ von Sophie von La Roche“von Pia Christina Stephan ist im RediromaVerlag erschienen. 125 Seiten, 7,95 Euro