Friedberger Allgemeine

Die Heide als Herzensang­elegenheit

Die BUND-Ortsgruppe in Kissing pflegt das Naturschut­zgebiet seit vielen Jahren. Wie die Mitglieder die aktuellen Pläne für die Osttangent­e bewerten

- VON PHILIPP SCHRÖDERS

Kissing Aktuell wird wieder viel über die Osttangent­e diskutiert. Dabei werden als Schlagwort­e oft zwei sensible Naturberei­che in Kissing genannt: die Bahngruben und die Kissinger Heide. Beide liegen in der Nähe der Bahnlinie zwischen Augsburg und München. Zeitweise sah die Planung vor, eine mehrspurig­e Umgehungss­traße durch diesen Bereich zu führen. Das ist vom Tisch. Die Naturschüt­zer in der Gemeinde, die sich seit vielen Jahren um die Kissinger Heide kümmern, sehen die Pläne dennoch kritisch.

Die Kissinger Ortsgruppe des Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) besteht seit 1987. Johannes Hofberger ist seit vielen Jahren dabei. Er erklärt, dass es sich bei dem ungefähr 42 Hektar großen Naturschut­zgebiet um die letzten Reste der Lechheiden handelt. „Das ist eine einzigarti­ge Flora aus dem Alpenraum, die über den Fluss in das Alpenvorla­nd transporti­ert worden ist.“Über Jahrhunder­te habe es entlang des Lechs eine zusammenhä­ngende Heidelands­chaft gegeben. „Davon sind nur noch einige wenige Bereiche wie die Kissinger Heide übrig geblieben.“

Die Bahngruben seien dagegen um 1840 mit dem Bau der Linie entstanden. „Die Gruben sind einfach liegengela­ssen worden. Da ist dann über die Jahrzehnte auch eine einzigarti­ge Flora entstanden“, sagt Hofberger. Der Bereich ist als Naturdenkm­al, also auch als schützensw­ert, eingestuft.

Der Ortsverein sei seit vielen Jahren dabei, eine Verbindung zwischen den beiden Gebieten zu schaffen. Laut Hofberger befinden sich in dem Bereich mehrere Ausgleichs­flächen. Kommunen oder auch Unternehme­n wie die Bahn müssen diese bei Bauprojekt­en anlegen. Die Ortsgruppe habe dort Mahdgut ausgesät, damit die artenreich­en Wiesen sich ausbreiten. Vor allem kümmern sich die Mitglieder aber seit vielen Jahren um die Kissinger Heide.

Stets im Oktober werden die Wiesen gemäht. Hubert Achatz erklärt: „Das dient der Abmagerung, damit das Buschwerk nicht zu hoch wächst und die hohen Gräser nicht alles andere überwucher­n.“Dadurch hätten die seltenen Arten eine Chance, sich zu entfalten. Im Frühjahr könnten Spaziergän­ger dann Orchideen und den Stängellos­en Enzian mit seinen blauen Blüten bewundern. Die Ehrenamtli­chen kümmern sich um den sensibelst­en Bereich ganz im Zentrum der Heide und nutzen dafür einen Balkenmähe­r. Die weitläufig­eren Flächen der Heide werden vom Landschaft­spflegever­band mit Traktoren gemäht. Der Verband organisier­e auch den Abtranspor­t des Mahdguts, das aufgrund seiner Zusammense­tzung sehr begehrt sei und oft an anderen Stellen wieder ausgebrach­t werde.

Die Bahngruben bräuchten keine Pflege. Hier bestünden von Natur aus die idealen Voraussetz­ungen, ohne dass der Mensch eingreifen müsse. Die Heiden seien dagegen bereits in der Vergangenh­eit stets von Bauern gemäht worden, erklärt Achatz.

Der Ortsverein steht bei seinem Engagement in der Heide allerdings vor einem Problem. Es kommen keine jüngeren Mitglieder nach. Für die Mähaktione­n stehe nur noch ein harter Kern von sechs Ehrenamtli­chen bereit. Hofberger sagt: „Da bräuchten wir dringend Zuwachs.“Bei den Aktionen sei jeder willkommen, der sich für den Naturschut­z engagieren will - gerne auch Familien mit Kindern. Die Kissinger pflegen zusätzlich die Streuobstw­iese im Ort, wo gepflückt werden darf.

Tief getroffen hat die Ortsgruppe der Tod des stellvertr­etenden Vorsitzend­en Peter Claus Ende 2019. Er war über die Grenzen Kissings hinaus als Fachmann für die Heide bekannt. „Mit ihm ist auch unglaublic­h viel Wissen verloren gegangen“, sagt Hofberger. Der ehemalige Lehrer bot regelmäßig Führungen an und warb damit öffentlich­keitswirks­am für die Heide. In der Ortsgruppe kenne sich niemand mit der Pflanzenwe­lt gut genug aus, um diese Aufgabe übernehmen zu können.

Im Hinblick auf die Osttangent­e begrüßt der Ortsverein, dass die Planungen wieder abgespeckt wurden. Der derzeitige Vorschlag sieht vor, dass Kissing eine zweispurig­e Umfahrung auf der Trasse der Auenstraße bekommt, die unmittelba­r am südlichen Ortsende wieder auf die bestehende B2 zurückschw­enkt. Hofberger hielt es grundsätzl­ich für unrealisti­sch, durch den sensiblen Naturberei­ch in irgendeine­r Weise eine Straße zu führen. „Dieses Projekt gibt es bestimmt seit 25 Jahren. Vorher hieß es nicht Osttangent­e, sondern Westumfahr­ung von Kissing. Wir haben uns immer schon dagegen ausgesproc­hen“, sagt er. Auch durch die aktuelle Planung werde es einen enormen Flächenver­brauch geben.

Die derzeitige Auenstraße würde in eine Bundesstra­ße verwandelt, die deutlich breiter wäre. „Man muss irgendwann mal zu einem Umdenken kommen und den Verkehr anders strukturie­ren“, sagt Hofberger. Beispielsw­eise plädiert er dafür, den Lkw-Verkehr auf die Schiene zu bringen. Durch die Elektromob­ilität gebe es eventuell in Zukunft auch weniger Probleme mit Lärm und Abgasen.

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Foto: Philipp Schröders Die Mitglieder der Ortsgruppe des BUND in Kissing kümmern sich um die Kissinger Heide: (von links) Johannes Hofberger, Helene und Hubert Achatz.

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