Die Heide als Herzensangelegenheit
Die BUND-Ortsgruppe in Kissing pflegt das Naturschutzgebiet seit vielen Jahren. Wie die Mitglieder die aktuellen Pläne für die Osttangente bewerten
Kissing Aktuell wird wieder viel über die Osttangente diskutiert. Dabei werden als Schlagworte oft zwei sensible Naturbereiche in Kissing genannt: die Bahngruben und die Kissinger Heide. Beide liegen in der Nähe der Bahnlinie zwischen Augsburg und München. Zeitweise sah die Planung vor, eine mehrspurige Umgehungsstraße durch diesen Bereich zu führen. Das ist vom Tisch. Die Naturschützer in der Gemeinde, die sich seit vielen Jahren um die Kissinger Heide kümmern, sehen die Pläne dennoch kritisch.
Die Kissinger Ortsgruppe des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) besteht seit 1987. Johannes Hofberger ist seit vielen Jahren dabei. Er erklärt, dass es sich bei dem ungefähr 42 Hektar großen Naturschutzgebiet um die letzten Reste der Lechheiden handelt. „Das ist eine einzigartige Flora aus dem Alpenraum, die über den Fluss in das Alpenvorland transportiert worden ist.“Über Jahrhunderte habe es entlang des Lechs eine zusammenhängende Heidelandschaft gegeben. „Davon sind nur noch einige wenige Bereiche wie die Kissinger Heide übrig geblieben.“
Die Bahngruben seien dagegen um 1840 mit dem Bau der Linie entstanden. „Die Gruben sind einfach liegengelassen worden. Da ist dann über die Jahrzehnte auch eine einzigartige Flora entstanden“, sagt Hofberger. Der Bereich ist als Naturdenkmal, also auch als schützenswert, eingestuft.
Der Ortsverein sei seit vielen Jahren dabei, eine Verbindung zwischen den beiden Gebieten zu schaffen. Laut Hofberger befinden sich in dem Bereich mehrere Ausgleichsflächen. Kommunen oder auch Unternehmen wie die Bahn müssen diese bei Bauprojekten anlegen. Die Ortsgruppe habe dort Mahdgut ausgesät, damit die artenreichen Wiesen sich ausbreiten. Vor allem kümmern sich die Mitglieder aber seit vielen Jahren um die Kissinger Heide.
Stets im Oktober werden die Wiesen gemäht. Hubert Achatz erklärt: „Das dient der Abmagerung, damit das Buschwerk nicht zu hoch wächst und die hohen Gräser nicht alles andere überwuchern.“Dadurch hätten die seltenen Arten eine Chance, sich zu entfalten. Im Frühjahr könnten Spaziergänger dann Orchideen und den Stängellosen Enzian mit seinen blauen Blüten bewundern. Die Ehrenamtlichen kümmern sich um den sensibelsten Bereich ganz im Zentrum der Heide und nutzen dafür einen Balkenmäher. Die weitläufigeren Flächen der Heide werden vom Landschaftspflegeverband mit Traktoren gemäht. Der Verband organisiere auch den Abtransport des Mahdguts, das aufgrund seiner Zusammensetzung sehr begehrt sei und oft an anderen Stellen wieder ausgebracht werde.
Die Bahngruben bräuchten keine Pflege. Hier bestünden von Natur aus die idealen Voraussetzungen, ohne dass der Mensch eingreifen müsse. Die Heiden seien dagegen bereits in der Vergangenheit stets von Bauern gemäht worden, erklärt Achatz.
Der Ortsverein steht bei seinem Engagement in der Heide allerdings vor einem Problem. Es kommen keine jüngeren Mitglieder nach. Für die Mähaktionen stehe nur noch ein harter Kern von sechs Ehrenamtlichen bereit. Hofberger sagt: „Da bräuchten wir dringend Zuwachs.“Bei den Aktionen sei jeder willkommen, der sich für den Naturschutz engagieren will - gerne auch Familien mit Kindern. Die Kissinger pflegen zusätzlich die Streuobstwiese im Ort, wo gepflückt werden darf.
Tief getroffen hat die Ortsgruppe der Tod des stellvertretenden Vorsitzenden Peter Claus Ende 2019. Er war über die Grenzen Kissings hinaus als Fachmann für die Heide bekannt. „Mit ihm ist auch unglaublich viel Wissen verloren gegangen“, sagt Hofberger. Der ehemalige Lehrer bot regelmäßig Führungen an und warb damit öffentlichkeitswirksam für die Heide. In der Ortsgruppe kenne sich niemand mit der Pflanzenwelt gut genug aus, um diese Aufgabe übernehmen zu können.
Im Hinblick auf die Osttangente begrüßt der Ortsverein, dass die Planungen wieder abgespeckt wurden. Der derzeitige Vorschlag sieht vor, dass Kissing eine zweispurige Umfahrung auf der Trasse der Auenstraße bekommt, die unmittelbar am südlichen Ortsende wieder auf die bestehende B2 zurückschwenkt. Hofberger hielt es grundsätzlich für unrealistisch, durch den sensiblen Naturbereich in irgendeiner Weise eine Straße zu führen. „Dieses Projekt gibt es bestimmt seit 25 Jahren. Vorher hieß es nicht Osttangente, sondern Westumfahrung von Kissing. Wir haben uns immer schon dagegen ausgesprochen“, sagt er. Auch durch die aktuelle Planung werde es einen enormen Flächenverbrauch geben.
Die derzeitige Auenstraße würde in eine Bundesstraße verwandelt, die deutlich breiter wäre. „Man muss irgendwann mal zu einem Umdenken kommen und den Verkehr anders strukturieren“, sagt Hofberger. Beispielsweise plädiert er dafür, den Lkw-Verkehr auf die Schiene zu bringen. Durch die Elektromobilität gebe es eventuell in Zukunft auch weniger Probleme mit Lärm und Abgasen.