Bolsonaro spaltet Brasilien
Großdemonstrationen für und gegen ihn
Brasília Mehr als 100000 Menschen haben in Brasilien am Unabhängigkeitstag mit antidemokratischen Slogans für Präsident Jair Bolsonaro demonstriert. Der rechte Staatschef selbst drohte bei einer Rede in der Hauptstadt Brasília dem Obersten Gerichtshof STF. In São Paulo rief er zu Ungehorsam auf: „Ich möchte euch sagen, dass dieser Präsident jeglicher Entscheidung des Herrn Alexandre de Moraes nicht mehr folgen wird“, sagte Bolsonaro. Moraes, Richter am STF, hatte Bolsonaro-Anhänger wegen mutmaßlicher Anstiftung zur Gewalt und Verbreitung von Falschmeldungen festnehmen und verhaften lassen.
Der Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, João Doria, äußerte sich angesichts von Bolsonaros Aussagen erstmals zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. „Ich bin für ein Impeachment gegen Präsident Jair Bolsonaro – nach dem, was ich heute gehört habe, verstößt er eindeutig gegen die Verfassung“, sagte Doria, einer der ärgsten Widersacher des Staatschefs. Bolsonaro und seine Anhänger haben immer wieder demokratische Institutionen angegriffen. Vor dem Unabhängigkeitstag hatte Bolsonaro die Stimmung mit autoritären Drohgebärden angeheizt. Seit Dienstagmorgen demonstrierten Anhänger des Präsidenten in mehr als 25 Städten. Allein in São Paulo wurden nach offiziellen Angaben rund 125000 Teilnehmer gezählt. In fast allen großen Städten gab es aber auch Gegendemonstrationen. Die Zustimmung zu Bolsonaros Amtsführung ist im Laufe der Corona-Pandemie stetig gesunken. Anfang Juli lehnten in einer Umfrage 51 Prozent seine Politik ab – das schlechteste Ergebnis für ihn seit dem Amtsantritt 2019.