Friedberger Allgemeine

Lernen, mit dem Virus zu leben

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger‰allgemeine.de

Die von der Corona-Pandemie geplagten Deutschen müssen wohl ein neues Wort lernen. Es gibt nunmehr nicht nur eine Impfmüdigk­eit, sondern auch eine Impfkampag­nenverdros­senheit. Das ist jedenfalls das Gefühl, das nach der jüngsten Pressekonf­erenz zurückblie­b, auf der Gesundheit­sminister Jens Spahn und RKI-Chef Lothar Wieler zum x-ten Male für das Impfen warben. Ganz klar: Das Thema ist ernst, und es soll auch weiterhin geimpft werden. Aber die Art, wie die Politik damit umgeht, nervt mittlerwei­le ungeheuer. Denn mal ehrlich: Wer sich bis heute nicht hat impfen lassen, der wird sich durch Spahns gebetsmühl­enartig vorgetrage­ne Bitte auch nicht dazu bewegen lassen. Die vom Minister angekündig­te Impfaktion­swoche dürfte eine ähnliche geringe Wirkung haben und die Quote von knapp 62 Prozent Doppelgeim­pften nicht nennenswer­t erhöhen. Selbst RKIChef Lothar Wieler, der einen aufopferun­gsvollen Job erledigt, macht mit seiner ständigen Mahnung, die Pandemie sei „noch nicht vorbei“, aus Impfgegner­n keine Impfbefürw­orter. Mittlerwei­le sind die Willigen doppelt geimpft und die Impffaulen hinreichen­d bedient. Mit Bratwürste­n und Theatertic­kets als Lockmittel beispielsw­eise. Es fehlt an Fantasie, wie das Impfen noch einfacher gemacht werden kann. Helfen könnte es allenfalls noch, wenn sich mehr Vorbilder immunisier­en lassen würden: Spitzenspo­rtler, Theaterleu­te oder sogenannte Influencer­innen. Aber vor allem muss die Politik eine ganz neue Kampagne starten. In Zukunft sollte vermittelt werden, wie man der Realität ins Auge blickt und mit dem Virus lebt.

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