Friedberger Allgemeine

Ein „neuer“Vermeer

Das Gemälde „Brieflesen­des Mädchen am offenen Fenster“ist weltberühm­t. Ein Restaurato­r hat die Übermalung von fremder Hand komplett entfernt – nun ist das Bild im Originalzu­stand in Dresden zu sehen

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Dresden Gut zwei Jahre nach der als Sensation gefeierten Entdeckung eines nackten Cupido (Amor) auf dem Bild „Brieflesen­des Mädchen am offenen Fenster“von Johannes Vermeer (1632–1675) ist die spätere Übermalung komplett entfernt. Am 10. September hat das weltberühm­te Kunstwerk des Delfter Malers in der Gemäldegal­erie Alte Meister Dresden Weltpremie­re – in ursprüngli­cher Form und prominente­r Gesellscha­ft.

Die Staatliche­n Kunstsamml­ungen (SKD) feiern ihren „neuen“Vermeer mit einer Ausstellun­g „Johannes Vermeer. Vom Innehalten“(10. September bis 2. Januar 2022). Sie vereint insgesamt 58 Bilder niederländ­ischer Fein- und Genremaler „von allerhöchs­ter Qualität“, sagt Museumsdir­ektor Stephan Koja. Mit zehn Werken ist darunter fast ein Drittel des gesamten Werkes von Vermeer, einem der bedeutends­ten holländisc­hen Maler des 17. Jahrhunder­ts neben Rembrandt und Frans Hals. „Es gibt nur rund 35

Bilder.“Zwei davon befinden sich in der Dresdner Galerie: „Bei der Kupplerin“(1656) und die Briefleser­in (um 1657–1659). Dazu kommen acht Leihgaben, darunter „Briefleser­in in Blau“, „Dienstmagd mit Milchkrug“und „Die kleine Straße“aus dem Rijksmuseu­m Amsterdam, „Virginalsp­ielerin“aus der National Gallery London und „Frau mit Waage“aus der National Gallery of Art in Washington. In drei Werken ist ebenfalls ein Cupido zu sehen.

„Vermeer hat die Figur vier Mal verwendet als ,Bild im Bild‘“, sagt die Oberkonser­vatorin des Museums, Uta Neidhardt. Recherchen und moderne Laborunter­suchungen bestätigte­n zweifelsfr­ei, dass der in Braun- und Ockertönen gemalte Liebesgott in dem Dresdner Werk Jahrzehnte später von fremder Hand getilgt wurde – und mit ihm die amouröse Bildaussag­e.

Vermeers Briefleser­in wurde 1742 in Paris für Sachsens Kurfürsten Friedrich August II. aus der

Sammlung eines französisc­hen Prinzen erworben. Das Bild kam schon ohne Cupido nach Dresden. Dessen Existenz ist seit einer Röntgenauf­nahme 1979 bekannt, der Fund wurde 1982 veröffentl­icht. Seitdem ging die Wissenscha­ft davon aus, dass Vermeer die Rückwand des Raumes selbst übermalte.

Laut Stephan Koja deutet manches darauf hin, dass der Sammlungsv­erwalter, ein Maler und Restaurato­r, sich mit den Bildern empfehlen wollte. Die Briefleser­in war eine „kleine Draufgabe“, deklariert damals als Rembrandt. „Vermeer war zu dieser Zeit vollkommen vergessen“, sagt Koja. Und das blieb bis Ende des 18. Jahrhunder­ts so, erst Mitte des 19. Jahrhunder­ts wurde der Maler wiederentd­eckt. Da in der Korrespond­enz zum Dresdner Ankauf auch von einem Cupido keine Rede war, trotz dessen auffällige­r Größe, „wissen wir mit Sicherheit, dass das Bild zum Zeitpunkt des Verkaufs 1742 schon übermalt war“.

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa In mühseliger Arbeit wurde der übermalte Cupido im Hintergrun­d (hier noch teilres‰ tauriert) auf dem Vermeer‰Gemälde wieder freigelegt.

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