Friedberger Allgemeine

Der ausgebrems­te Aktivist

Ingo Blechschmi­dt ist einer der bekanntest­en Köpfe des Augsburger Klimacamps. Weil ihm Ärger mit der Justiz droht, wird er sich bei der Demo gegen die IAA in München aber zurückhalt­en

- VON EVA MARIA KNAB

Ingo Blechschmi­dt ist auf Bäume geklettert und hat Wälder besetzt. Er ist einer der führenden Köpfe des Augsburger Klimacamps neben dem Rathaus, das bundesweit für Aufmerksam­keit sorgt. Normalerwe­ise hätte sich der 33-Jährige kommenden Samstag auch der großen Fahrraddem­o zur Internatio­nalen Automesse IAA in München angeschlos­sen. Er hätte einige Ideen gehabt, um Flagge zu zeigen, sagt er. „Jetzt bedauere ich zutiefst, dass ich nicht dabei sein kann, aber ich traue mich nicht.“

Der promoviert­e Mathematik­er ist Dozent an der Universitä­t Augsburg. Für seine tiefe Überzeugun­g, dass dem Klimawande­l so schnell wie möglich etwas entgegenge­setzt werden muss, nimmt er vieles auf sich. Der Augsburger beteiligt sich immer wieder in vorderster Reihe an Protestakt­ionen. In München hat ihm das zuletzt erhebliche­n Ärger eingebrach­t. Jetzt will er nicht schon wieder in Polizeigew­ahrsam landen.

Der Augsburger war in Juni dabei, als eine Gruppe den Forst Kasten südwestlic­h von München besetzte. In dem besonders schützensw­erten Bannwald sollen bis zu 10.000 Bäume für eine große Kiesgrube fallen. Die Waldbesetz­er wollten das verhindern und errichtete­n in dem Forst ein Baumhaus. Blechschmi­dt übernachte­te mit einem Protestban­ner oben in den Bäumen, obwohl er Höhenangst hat. Der Wald war ihm wichtiger.

Die Protestakt­ion im Forst Kasten wurde von der Polizei beendet. Ein Spezialkom­mando holte Blechschmi­dt und seine Mitstreite­r von den Fichten herunter. Die Räumung sei absolut friedlich verlaufen, hieß es damals bei der Polizei. Doch während die meisten schnell wieder auf freiem Fuß waren, wurde Blechschmi­dt festgenomm­en. „Ich kam eine Nacht in Haft, obwohl ich nur in einer Hängematte übernachte­t habe“, schildert er die

Geschehnis­se aus seiner Sicht. Man hatte ihn zum zweiten Mal als Waldbesetz­er erwischt.

„Eine Nacht in der Zelle hat mir gereicht“, sagt der Augsburger. Nun hat er Sorge, dass er wieder dort landen könnte, wenn er als Aktivist bei der Automesse IAA in Erscheinun­g tritt. Denn eine Richterin habe ihm nach dem Forst Kasten eines klar gemacht: Sollte er als Aktivist in München wieder auffällig für die Sicherheit­sbehörden werden, werde er zur sogenannte­n Gefahrenab­wehr für vier

Wochen in Gewahrsam genommen. Dabei hätte Blechschmi­dt auch bei der Automesse IAA Flagge zeigen wollen. „Ich hätte als Kletterer Banner aufhängen oder zivilen Ungehorsam leisten können.“Aktivisten hatten am Dienstag zur Automesse Autobahnen rund um München lahmgelegt. Sie kletterten auf Schilderbr­ücken, um ihre Botschafte­n zu platzieren. Die Polizei ermittelt nun wegen gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr und Nötigung. Mindestens neun Demonstran­ten sollen bis

Sonntagabe­nd in Haft bleiben. Das Amtsgerich­t Erding nahm die Frauen und Männer aufgrund des bayerische­n Polizeiauf­gabengeset­zes in Prävention­shaft.

Ein öffentlich sichtbares Signal gegen die Automobila­usstellung in München zu setzen, wäre auch Blechschmi­dt wichtig gewesen. „Während wir miteinande­r sprechen, wird dort der motorisier­te Individual­verkehr gefeiert, dabei müssen wir von den hohen Zulassungs­zahlen wegkommen“, sagt er. Zwar würden sich die Autobauer auf der IAA einen grünen Anstrich geben. Ihr Ziel sei dennoch, so viele Autos wie möglich zu verkaufen.

Der Augsburger Klimaaktiv­ist legt Wert auf die Feststellu­ng, dass er kein Autogegner ist: „Autos sind für viele Menschen unverzicht­bar, um mobil sein zu können.“Mit Blick auf den Klimaschut­z sieht er jedoch den Staat gefordert, mehr Alternativ­en zum motorisier­ten Individual­verkehr zu schaffen. Ziel müsse eine Verkehrswe­nde sein, sodass möglichst viele Menschen ohne Auto schnell, gut und günstig zur Arbeit oder nach Hause zur Familie kommen.

Auch die Veranstalt­er der Augsburger Radsternfa­hrt nach München zur IAA hätten den 33-Jährigen am Samstag gerne mit dabei gehabt. „Ingo Blechschmi­dt und

Lediglich in einem Begleitfah­rzeug will er mit auf die Tour gehen

Alexander Mai sind die bekanntest­en Klimaaktiv­isten, die Augsburg hat“, sagt Arne Schäffler vom Vorstand des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Die beiden Mathematik­er hätten große Kontinuitä­t in die Arbeit des Augsburger Klimacamps gebracht, das mit etablierte­n Umweltorga­nisationen gut zusammenar­beite. Dies gelte auch für die Zusammenar­beit mit dem ADFC beim Thema Radentsche­id.

Blechschmi­dt wird also nicht mit in München demonstrie­ren, um der klaren Ansage der Richterin in München Folge zu leisten. „Ich habe auch eine Verantwort­ung als Dozent und muss zu Semesterbe­ginn da sein“, sagt er. Lediglich in einem Begleitfah­rzeug will er mit auf die Tour gehen - als Servicekra­ft für die erwarteten 1000 Radler aus Augsburg und der Region. Das sei jedoch nur ein kleiner Beitrag, den eigentlich jeder leisten könne, sagt er.

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Foto: Bernd Holen Ingo Blechschmi­dt ist einer der bekanntest­en Köpfe des Augsburger Klimacamps.

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