Wie eng wird es für die CSU in Augsburg?
Die Stadt war für die CSU und deren Bundestags-Kandidaten eine sichere Bank. Doch nun gibt es Prognosen, die einen Sieg von SPD oder Grünen voraussagen – was einem Erdbeben gleich käme. Eine Analyse
Am Dienstag war Volker Ullrich in Berlin, bei der letzten Sitzung des Bundestags vor der Wahl. Am Mittwochmorgen stand der CSUAbgeordnete schon wieder vor dem Augsburger Hauptbahnhof, um mit Pendlern ins Gespräch zu kommen. Der Terminkalender des 45-Jährigen ist bis zum Wahltag am 26. September eng getaktet. Zwei Mal schon hat Ullrich das Direktmandat in Augsburg geholt, auch dieses Mal gilt er als Favorit. Er kann sich seiner Sache aber nicht mehr so sicher sein – zumindest, wenn man mehreren Prognosen glaubt. Es gibt Wahlforscher, die in Augsburg die Grünen und ganz aktuell sogar die SPD knapp vorne sehen.
Sollten diese Prognosen stimmen, käme das einer Sensation gleich. Seit der Gründung der Bundesrepublik gewann die CSU in Augsburg nur ein Mal, 1972, nicht das Direktmandat. Doch selbst im Lager von Grünen
und SPD will man an eine solche Sensation bislang nicht so recht glauben.
Wie aus der CSU zu hören ist, herrscht in der Augsburger Geschäftsstelle der Partei im Domviertel in diesen Tagen eine gewisse Verunsicherung. Schuld sind die jüngsten Umfragewerte, die für CSU und CDU alles andere als gut aussehen. An eine mögliche Niederlage in Augsburg will aber trotzdem niemand denken. Zwar büßten die Augsburger CSU und ihr Abgeordneter Volker Ullrich schon bei der Bundestagswahl vor vier Jahren einiges an Stimmen ein. Dennoch war der Vorsprung auf SPD und Grüne noch groß.
Und auch beim letzten politischen Stimmungstest, der Stadtratswahl im Frühjahr 2020, war die
CSU noch immer klar die stärkste Kraft. „Volker Ullrich ist in Augsburg sehr präsent und aktiv“, sagt ein CSU-Stadtrat. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit seiner Bilanz abgewählt wird.“Das Meinungsforschungsinstitut Insa, das unter anderem für die Bild regelmäßig die Stimmungslage der Wähler erfragt, hält das allerdings durchaus für möglich.
Die Insa-Analysten sahen in den vergangenen Wochen in Augsburg immer ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Volker Ullrich und seiner grünen Konkurrentin Claudia Roth. Oft lag die Grüne knapp vorn, mitunter auch Ullrich. In ihrer jüngsten Prognose vom 6. September schwenken die Wahlforscher nun um. Sie gehen offenbar davon aus, dass der Scholz-Effekt auch in Augsburg wirkt. Erstmals sehen sie nämlich die SPD mit Ulrike Bahr vorn. Allerdings ebenfalls nur hauchdünn mit einem Vorsprung nicht mehr als drei Prozent.
Es handelt sich bei der InsaPrognose nicht um eine klassische Meinungsumfrage, sondern um eine Modellrechnung anhand der aktuellen Trends. Das Portal wahlkreisprognose.de sieht in seiner Modellrechnung weiterhin die Grünen knapp vorn – ebenfalls knapp mit maximal drei Prozent Vorsprung, auch eine Rechnung von election.de kommt zu diesem Ergebnis.
Allerdings bleibt unklar, inwiefern lokale Besonderheiten in die Modellrechnung wirklich einfließen. So ist die Augsburger Grünen-Abgeordnete Claudia Roth zwar eines der bekanntesten Gesichter der Grünen in Deutschland. Allerdings polarisiert sie auch stark. Und die Sozialdemokratin Ulrike Bahr ist in der öffentlichen Wahrnehmung in der Stadt deutlich weniger präsent als Volker Ullrich und Claudia Roth. Roth selbst jedenfalls geht nicht davon aus, dass sie Ullrich das Direktmandat streitig machen kann.
Dafür, lautet ihre Analyse, sei der Abstand bei der letzten Wahl doch sehr groß gewesen.
Ullrich hatte 2017 zwar fast zehn Prozent eingebüßt, er kam aber immer noch auf knapp 35 Prozent. Claudia Roth kam vor vier Jahren auf 13,9 Prozent, Ulrike Bahr lag damals auf Platz zwei mit 19,3 Prozent. Auch ein anderes Zahlenspiel spricht für Volker Ullrich. Ullrich lag bei der letzten Wahl mit seinem persönlichen Ergebnis etwa vier Prozent unter dem bayernweiten CSU-ZweitstimmenErgebnis. Ulrike Bahr und Claudia Roth schnitten jeweils etwa vier Prozent besser ab als ihre Partei in
Bayern. Nimmt man die jüngste Umfrage des Instituts GMS für Sat.1 Bayern als Grundlage, dann läge nach einer solchen Berechnung Ullrich mit rund 25 Prozent noch immer vor Roth (22 Prozent) und Bahr (19 Prozent). Ähnlich auch das Ergebnis beim BayernTrend des BR - außer dass es noch etwas knapper wäre und Bahr hinter Ullrich auf Platz zwei käme.
Florian Freund, der Fraktionschef der Sozialfraktion im Augsburger Stadtrat und SPD-Vorsitzender im Südwesten der Stadt, freut sich über den derzeitigen Rückenwind für seine Partei. Er habe sich lange über die schlechten Umfragewerte
Wahlergebnisse für CSU, SPD und Grüne in Augsburg
gewundert, die seiner Meinung nach nicht zur Leistung der SPD-Minister in der Bundesregierung gepasst hätten. Die Prognose, dass die SPD in Augsburg der CSU nun sogar das Direktmandat abjagen könnte, überrascht auch ihn. „Das wäre natürlich toll“, sagt er. Schließlich muss Ulrike Bahr um ihren Sitz im Bundestag bangen, weil sie nur einen schlechten Platz auf der bayerischen Landesliste bekommen hat. Claudia Roth kann da deutlich entspannter sein. Sie ist Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen und damit über die Landesliste sicher wieder im nächsten Parlament.
Volker Ullrich weiß, dass es für ihn dieses Mal knapper werden könnte – dem Landes- und Bundestrend kann er sich nur schwer entziehen. Andererseits hat die Union im Großstadtvergleich in Augsburg immer noch sehr hohe Zustimmungswerte, auch wenn der Trend rückläufig ist. Ullrich kommt auch zugute, dass zum
An eine mögliche Niederlage will in der Partei aber niemand denken
Ein CSUStadtrat hofft, dass die Umfragen ein Stück daneben liegen
Wahlkreis Augsburg-Stadt auch die Stadt Königsbrunn gehört, in dem die CSU traditionell punkten kann. Der Abgeordnete kündigte jedenfalls schon an, bis zur letzten Minute Wahlkampf machen zu wollen und um jede Stimme zu kämpfen.
CSU-Stadtrat Ralf Schönauer hofft, dass die Umfragen ein ganzes Stück daneben liegen. Zuletzt hatte es das bei Wahlen immer wieder gegeben. Schönauer stand in diesem Wahlkampf unter anderem schon frühmorgens vor dem Werkstor von Premium Aerotec. Schönauer sagt, er spüre bei den Menschen eine größere Zustimmung als er es nach den für die Union schlechten Umfragen befürchtet habe. Das stimme ihn zuversichtlich.