SPDAufschwung freut sie besonders
Bundestagswahl Die gehörlose SPD-Kandidatin im Wahlkreis Augsburg-Land, Heike Heubach aus Stadtbergen, will sich nicht allein für Menschen mit Beeinträchtigungen einsetzen /
Landkreis Augsburg Im Terminkalender von Heike Heubach ist wenig Luft in diesen Tagen. Sie habe drei Jobs gleichzeitig, sagt die SPD-Kandidatin für den Wahlkreis Augsburg-Land und lacht trotzdem fröhlich. Die Stadtbergerin meint ihre Arbeit als Industriekauffrau in München, den Wahlkampf und die Suche nach einem Gebärdendolmetscher für die politischen Veranstaltungen. Letztere Aufgabe kostet sie viel Zeit. Zum einen gibt es zu wenige Dolmetscher, und manche wollen nicht in die Politik involviert werden. Die politischen Ziele der gehörlosen 41-Jährigen gehen aber weit über dieses Thema hinaus.
Heike Heubach ist über die Kommunalpolitik zum politischen Engagement gekommen. Sie kandidierte 2018 für den Stadtberger Stadtrat. Ihr Ergebnis reichte allerdings nicht für den Einzug ins Gremium ihrer Heimatstadt. Doch der SPD-Fraktionsvorsitzende Roland Mair fragte sie, ob sie nicht als Kandidatin für den Bundestag ins Rennen gehen wolle. „Ich habe lange überlegt“, übersetzt in diesem Interview ihre Tochter Louisa die Gebärdensprache ihrer Mutter. Sie habe zugestimmt, weil es ihr wichtig sei, nicht nur zu reden, sondern selbst etwas verändern zu wollen. Heubach: „Es reicht nicht, nur zu schimpfen, man muss selbst was machen.“
Die sozialen Fragen und der Umweltschutz sind zwei Schwerpunkte.
Die Wahl 2021 findet es wichtig, dass mehr Arbeitnehmer einen Tarifvertrag bekommen. Auch die Unterschiede bei den Chancen, die Kinder in der Gesellschaft haben, sind ihr ein Dorn im Auge. So hätten Kinder aus Hartz-IV-Familien große Probleme, aus der Armut rauszukommen.
Die Mutter zweiter Töchter (16 und 18 Jahre alt) will sich für die Umwelt einsetzen. Ihr persönlich ist es wichtig, dass Ernährung keine künstlichen Zusatzstoffe hat und dass regionale und biologisch angebaute Produkte auf den Tisch kommen. Ihre Kinder seien ohne Zucker aufgewachsen, erzählt Heubach. Für den Klimaschutz und beim Einsparen des CO2-Ausstoßes komme es auf jeden Einzelnen an, fordert die Politikerin. Das Fahren eines SUV findet sie unnötig. Auch müsse dringend Plastik eingespart werden. Die Produkte müssen möglichst wiederverwertbar hergestellt werden, um wenig Müll zu produzieren. Auch privat hält sie sich sehr gerne draußen in der Natur auf. Ihr Lieblingsort ist der Bismarckturm bei Steppach, „wegen der fantastischen Aussicht“.
Der Wahlkampf mit Debatten und Grußworten ist für die gehörlose Stadtbergerin eine Herausforderung. Wenn sie keinen Dolmetscher findet, helfen schon einmal die Töchter aus, die von klein auf die Gebärdensprache gelernt haben. Um professionelle Dolmetscher bezahlen zu können, hat sie von der SPD ein Budget bekommen. Heubach, die schon als Säugling das Hörvermögen verloren hat, fordert, dass die Anliegen Gehörloser mehr Unterstützung und Verständnis beHeubach kommen müssten. Andere Länder wie die USA seien viel weiter, dort werden Veranstaltungen häufig übersetzt. Heubach sagt, alleine der Untertitel bei einem Kinofilm oder die Begleitung eines Dolmetschers bei einem Arztbesuch wären Hilfen im Alltag. „Das müsste selbstverständlich sein.“
Einer der sie gut kennt und mit ihr Hausbesuche im Wahlkampf macht, ist der Stadtberger SPDFraktionsvorsitzende Roland Mair. Die Zustimmung zu einer Kandidatur habe sie damals angesichts niedriger Umfragewerte mit dem olympischen Motto „Dabei sein ist alles“beantwortet. „Nie aufgeben und immer mit einem gesunden Selbstbewusstsein an das Thema gehen“, beschreibt er seinen Eindruck von ihr. Mair schildert die Kandidatin als optimistisch, offen und fröhlich, in Diskussionen könne sie sehr beharrlich sein.
Heubach ist auf Platz 24 der SPDListe in Bayern für die Bundestagswahl. Das bayerische Abschneiden der SPD wird entscheidend für die Anzahl der Mandate sein. Das bundesweite Erstarken der SPD in den Umfragen freut die Stadtbergerin. Zu Beginn ihrer Kandidatur sei die Vorstellung, dass es mit Berlin klappen könnte, ganz weit weg gewesen. „Ich will aber nicht zu große Erwartungen haben“, sagt Heubach. Nach ihren Informationen wäre sie die erste gehörlose Abgeordnete im Bundestag. Die steigenden Werte für die SPD führt sie in erster Linie auf Olaf Scholz zurück. Im Vergleich mit Laschet und Baerbock könne er die Menschen besser überzeugen.