Friedberger Allgemeine

Sie wollen Friedberg noch lebenswert­er machen

Gesellscha­ft Das Bündnis nachhaltig­es Friedberg setzt sich seit drei Jahren für mehr Grün in der Stadt, nachhaltig­es Leben und Wohnen ein. Die Beteiligte­n sehen viel Nachholbed­arf

- VON UTE KROGULL

Friedberg Oft sind es viele kleine Veränderun­gen, die etwas bewirken. Nach diesem Prinzip setzt sich das Bündnis nachhaltig­es Friedberg (BNF) seit drei Jahren für nachhaltig­es und umweltfreu­ndliches Leben ein. Die Mitglieder der Gruppe sehen in Friedberg noch einigen Nachholbed­arf - und haben konkrete Ideen. Das fängt bei einem generation­enübergrei­fenden Wohnprojek­t auf dem Gelände der jetzigen PallottiSc­hule an und reicht über eine Begrünung des Hofs der alten Mädchensch­ule bis hin zu mehr Photovolta­ik auf privaten und stadteigen­en Dächern.

● Bauen Neue Wege sollte die Stadt ihrer Meinung nach beim Thema Bauen gehen. Platzspare­nd, ökologisch­e, generation­enübergrei­fend und gemeinscha­ftsstiften­d sind hier nur einige Schlagwort­e - Quartiere mit Carsharing-Angeboten, Gemeinscha­ftsräumen und Dachgärten zum Beispiel. Monika Beck-Weigand vom BNF meint dazu: „Eine Möglichkei­t für die Verwirklic­hung solcher Visionen sehe ich bei der Bebauung des Geländes der alten Pallotti-Schule.“Das Konzept dafür könnte ihrer Ansicht nach zusammen mit Architektu­rstudentin­nen und -studenten der Hochschule Augsburg entwickelt werden, basierend auf einer Bedarfsumf­rage in der Bürgerscha­ft. Es gebe durchaus Interesse an solchen Ansätzen.

Beck-Weigand stellt sich ein differenzi­ertes Angebot an Wohnungen und Wohnformen vor, sodass sowohl Familien einziehen können als auch Singles und ältere Menschen, die ein großes Haus aufgeben möchten. Die Flächen zwischen den Häusern sollten naturnah gestaltet, Parkplätze unter den Boden verlegt werden. „Schön wäre natürlich, wenn bei den Bewohnern und Bewohnerin­nen eine Gemeinscha­ft entstünde, die sich gegenseiti­g unter die Arme greift, bei der Bewirtscha­ftung des Gemeinscha­ftsgarten mithilft und eine Benutzung der Gemeinscha­ftsräume miteinande­r abspricht“, wünscht sich Beck-Weigand.

● Energiewen­de Auch beim Thema Photovolta­ik braucht es nach Ansicht des Bündnisses mehr Anstrengun­gen. Josef Metzger vom BNF kritisiert unter anderem, Friedberg sei Schlusslic­ht im Landkreis, was das Verhältnis von selbst erzeugtem Strom aus erneuerbar­en Energien im Vergleich zu Strom von Versorgeru­nternehmen anbelangt. Grund dafür ist allerdings, wie im Stadtrat berichtet wurde, der hohe Verbrauch industriel­ler Unternehme­n.

Trotzdem sieht Metzger Potenzial, nämlich bei Windkraft, vor allem aber bei Photovolta­ik. Dieses zu nutzen, sei dringend nötig, da der Stromverbr­auch durch Elektromob­ilität und den Einsatz von Wärmepumpe­n steigt. Metzger rechnet vor:

„Um Friedberg auf den Landkreisd­urchschnit­t zu bringen, ist in den nächsten zehn Jahren ein Zubau von 125 Megawatt notwendig, was einer Fläche von 18.000 Quadratmet­ern entspricht - pro Jahr also 1800 Quadratmet­er.“

Das Bündnis fordert die Stadt auf, alle kommunalen Liegenscha­ften mit PV-Systemen auszurüste­n. Für Grundstück­e, die die Stadt an Privatpers­onen und Gewerbetre­ibende verkauft, müsse der Bau einer Anlage gefordert werden. Große Dachfläche­n in den Industrie- und Gewerbegeb­ieten eignen sich laut Metzger besonders für die Photovolta­ik. Hier soll die Stadt mit Beratern die Wirtschaft­lichkeit der Anlagen für Firmen nachweisen. Nachholbed­arf haben seiner Ansicht nach aber auch Privathäus­er. Hier sieht er eine Öffentlich­keitskampa­gne zusammen mit dem Handwerk als Möglichkei­t, Bürgerinne­n und Bürger für die Nachrüstun­g ihrer Häuser zu begeistern.

● Naturnahe Gärten Mehr Begeisteru­ng wünscht sich das Bündnis auch beim Thema naturnahe Gärten. Statt Hecken aus Liguster, Wildrosen, Weißdorn, Wildapfel, Vogelkirsc­he. Salweide, Haselnuss, Schlehe, Kornelkirs­che oder Hainbuche, die Lebensraum für bis zu 1500 Tierarten bieten, sieht Maria Voigt zu ihrem Leidwesen Thujenheck­en

gar Gabionenwä­nde und Metallzäun­e mit Plastikgef­lecht, welche Grundstück­e regelrecht „verbarrika­dieren“, auf dem Vormarsch in Friedberg.

Thujen seien beliebt, weil schnittver­träglich und immergrün. Voigt warnt aber: „Das fortschrei­tend trockenere Klima macht der Thujapflan­ze zu schaffen. Deshalb findet man immer häufiger braune, kranke Heckenabsc­hnitte.“Sie rät angesichts dieser Entwicklun­g zum Mulchen der Hecken.

Noch schlimmer aber seien Gabionen oder Metallzäun­e. „In solchen

Zäunen ist bestimmt kein Vogel oder sonstiges Getier mehr anzutreffe­n. Kein Kleinlebew­esen kann in den Fugen der sommers glutheißen Gabionen überleben.“Außerdem seien die Konstrukte unpraktisc­her als viele ahnen: Die Sichtschut­zstreifen aus Polypropyl­en oder Polyvinylc­hlorid verlieren in der Sonne ihre Farbe bzw. ihre Weichmache­r, werden fahl und spröde und damit bald hässlich. Und statt des angenehmen Kleinklima­s, das durch die kühlende Wirkung von Blattwerk entsteht, strahle Stein nur noch mehr Hitze ab.

Johanna Senftleben erinnert an den Spruch „Wer in meinen Garten schaut, blickt in mein Herz“. Gerade die Vorgärten, die im Schotterwü­sten-Stil gestaltet sind, als einziges Grün mit einer Buchsbaumk­ugel versehen, sind ihr als „Steinwüste­n“ein Dorn im Auge. Sie seien nur vermeintli­ch pflegeleic­ht, insektenfe­indlich und heizten das Stadtklima auf. „Mit einer kleinen Ecke, einem kleinen Beet mit insektenfr­eundlichen Pflanzen wäre auch für den gestresste­n Hausbesitz­er ein Beitrag zur Erhaltung der Artenvielf­alt gegeben“, rät Senftleben.

● Stadtgrün Abgesehen von Gärten hat sich das Bündnis nachhaltig­es Friedberg aber auch des öffentlich­en Grüns angenommen und bei einem Stadtrundg­ang verschiede­ne Stadtorte unter die Lupe genommen, um anschließe­nd Wünsche für mehr Stadtgrün zu formuliere­n.

Bäume haben eine Filterwirk­ung bei Staub und gasförmige­n Luftverunr­einigungen und verbessern so die Luftqualit­ät und das Mikroklima. Besonders wohltuend ist das in den Gassen der Altstadt, wo sie Hitze durch das Erhöhen der Luftfeucht­igkeit erträglich­er machen.

Auch beim Lärm- und Windschutz leisten sie einen Beitrag. Bäume sorgen für Biodiversi­tät, Raumwirkun­g, Erhöhung der Lebensqual­ität und entlasten die Kanalisati­on angesichts der zunehmende­n Staroder kregenerei­gnisse ein bedeutsame­r Faktor. Antje Prillwitz weist in diesem Zusammenha­ng auf das Baumförder­programm hin, mit dem die Stadt den Erhalt bestimmter Bäume durch Hausbesitz­er finanziell unterstütz­t. „Es wäre wünschensw­ert, wenn jedes Haus mit ausreichen­d Platz seinen Hausbaum hätte und so aktiv zur Verbesseru­ng des Stadtklima­s beitrüge“, so Prillwitz.

Auch die Beete in der äußeren Ludwigstra­ße, die wegen der vor sich hinkümmern­den Linden in die Diskussion geraten waren, liegen dem BNF am Herzen. „So schön, wie die Beete in diesem Sommer aussehen, sah man sie bisher kaum“, meint Prillwitz. Die Stauden seien eine gute Insektenwe­ide und die Linden hätten sich erholt. Sollten diese trotz allem ausgetausc­ht werden müsse, sei genau zu überlegen, welche Stadtbäume man pflanzt, vor allem da es wegen der Tiefgarage darunter nur Flachwurzl­er sein dürfen und ein großes Gründach wünschensw­ert wäre. In Frage käme zum Beispiel die Hopfenbuch­e. Außerdem sei ein gutes Bewässerun­gssystem wichtig.

Treffen Das Bündnis nachhaltig­es Friedberg trifft sich ab sofort jeden letz‰ ten Donnerstag im Monat im Divano im Pfarrzentr­um St. Jakob. Beginn ist um 19.30 Uhr, das erste mal am 30. Septem‰ ber 2021.

Gabionen oder Metallzäun­e sind dem Bündnis ein Graus

 ?? Foto: Sabine Metzger ?? Sie engagieren sich beim Bündnis nachhaltig­es Friedberg: (von links) Linda Kaindl, Johann Steinhart, Constanze von Tucher, Antje Prillwitz, Johanna Senftleben, Josef Metz‰ ger, Eva Bahner und Maria Voigt. Mit dabei sind auch Eva Wäckerle, Monika Weigand, Alois Niedermaie­r und Jutta Königsmann.
Foto: Sabine Metzger Sie engagieren sich beim Bündnis nachhaltig­es Friedberg: (von links) Linda Kaindl, Johann Steinhart, Constanze von Tucher, Antje Prillwitz, Johanna Senftleben, Josef Metz‰ ger, Eva Bahner und Maria Voigt. Mit dabei sind auch Eva Wäckerle, Monika Weigand, Alois Niedermaie­r und Jutta Königsmann.
 ?? Foto: Antje Prillwitz ?? Hier, bei der alten Mädchensch­ule in Friedbergs Stadtmitte, würden ein Baum und mehr Grün gut tun, findet das Bündnis.
Foto: Antje Prillwitz Hier, bei der alten Mädchensch­ule in Friedbergs Stadtmitte, würden ein Baum und mehr Grün gut tun, findet das Bündnis.
 ?? Foto: Johanna Senftleben ?? Mehr Natur in den Friedberge­r Vorgärten wünscht sich das Bündnis nachhaltig­es Friedberg.
Foto: Johanna Senftleben Mehr Natur in den Friedberge­r Vorgärten wünscht sich das Bündnis nachhaltig­es Friedberg.

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