Große Dramatik und fast intime Momente
Festival Der Cellist Daniel Müller-Schott riss bei Mozart@Augsburg das Publikum von den Sitzen
Auf dem berühmten Porträt des Malers Joseph Karl Stieler inszeniert sich Beethoven mit wallendem Haar, hochgezogenen Augenbrauen und finsterem Blick als großer Dramatiker. Eine Dramatik, die sich nach den ausgiebigen Legatos des Münchner Cellisten Daniel MüllerSchott im ersten Satz der zweiten Cellosonate aus der Frühphase Beethovens auf der leeren C-Saite entlädt, begleitet von einem krachenden Bassakkord aus der linken Hand von Pianist Sebastian Knauer.
Der Hamburger ist sowohl Erfinder als auch künstlerischer Leiter des Mozart@Augsburg-Festivals, das nach vierjähriger Pause vergangenen Sonntag mit einer Gala wieder zum Leben erweckt wurde. Die geplanten Mozartvariationen aus der Feder des Bonner Romantikers mussten sich kurzfristig aus dem Programm verabschieden, da diese einerseits den zeitlichen Rahmen gesprengt hätten, andererseits das Sitzfleisch der Zuhörerinnen und Zuhörer, die in der Klassik auch gerne mal in der zweiten Hälfte ihres Lebens stehen, auf den harten Bänken von evangelisch St. Ulrich arg strapaziert hätten.
Trotz des Festivalnamens geht es auch mal ohne das Vorzeigekind der Wiener Klassik, in der Beethoven selbst ebenfalls gut mitgemischt hat und mit seinen Cellosonaten ihren Charakter bestens erklärt: Sie wechselt unmittelbar vom Heiteren ins Dramatische, eine leise, perlende Pianofigur aus hellen hohen Tönen wird harsch vom Cello in die unteren Lagen gezwungen. Ein Instrument wie gemacht für diese Musik, es singt und brummt, schmachtet und schimpft, reicht die Hand und lässt daraus den Fehdehandschuh fallen.
Wie ein Pubertierender, der sich nicht entscheiden kann, welche Laune er hat, sich aber wohl damit fühlt, ein Zwischenwesen aus Kind und Erwachsener zu sein, so fühlt sich das Cello wohl damit, ein Zwischending aus der koketten Violine und dem schwermütigen Kontrabass zu sein. Die Coda des dritten Satzes der dritten Cellosonate reißt das Publikum von den Sitzen, der Applaus ist lang, ehrlich und verdient für zwei renommierte Musiker, die schon bei den herausragenden Orchestern des Planeten gastierten und die beiden Sonaten souverän darboten.
Davon besitzen die beiden jungen Künstler Teresa Álvarez-García und Robin Correa, die als „next generation“den Abend eröffnen, trotz ihrer Jugendlichkeit auch schon eine Menge. Im Adagio der G-Dur-Sonate von Johann Sebastian Bach umschmeichelt Correas Klavier die zarten Cellotöne wie ein frisch Verliebter seine Angebetete beim ersten Rendezvous, sie spielen sich neckend kleine Figuren zu, flüchtige
Berührungen. Ein fast intimer Moment, dem das Publikum beiwohnen darf, aber nicht zu sehr, gerade so, als wäre zu offensives Umgarnen der sakralen Atmosphäre des Gotteshauses unter den Augen des höchsten Sittenhüters nicht angemessen. So endet die Romanze zwischen Flügel und Violoncello in zwei gemeinsamen sehnsüchtigen Tänzen der Danzas Españolas des katalanischen Komponisten Enrique Granados.
Es ist schön, dass den jungen Musikerinnen und Musikern in einem solchen Rahmen die Möglichkeit gegeben wird, ihr Spiel dem Publikum vorzustellen. Schöner noch wäre es, hätte ein gemeinsames Stück der jungen Talente mit den großen Namen auf dem Programm gestanden. Denn verschiedene Generationen im Zusammenspiel bereichern beide Seiten.