Friedberger Allgemeine

Volker Ullrich will sich gegen den Trend stemmen

Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e hat in Augsburg zwei Mal das Direktmand­at geholt und geht als Favorit in die Wahl. Doch dieses Mal ist das Rennen knapper. Worauf er im Endspurt setzt

- VON STEFAN KROG

Jetzt, in den letzten Wochen des Wahlkampfe­s, eilt der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich von Termin zu Termin: Fahrradtou­r in Pfersee, Verteilen von Müsliriege­ln an Pendler am Hauptbahnh­of frühmorgen­s, Gespräche mit Mitarbeite­rn vor dem MANWerksto­r. Hundertmal will Ullrich bis zur Wahl bei Terminen präsent sein, jeweils mit 100 Menschen in Kontakt kommen. Das straffe Programm stehe schon seit Monaten, betont Ullrich. Denn die Stimmung hat sich in den vergangene­n Wochen gedreht. In Bayern kommt die CSU aktuell laut Bayern-Trend des BR auf magere 28 Prozent. Anfang August hatte Ullrich für die CSU noch als Ziel ausgegeben, in Augsburg den Großstadt-Malus für die CSU eingerechn­et - auf über 30 Prozent kommen zu wollen. Gemessen an den aktuellen Umfragewer­ten scheint das ein illusorisc­her Wert zu sein. Inzwischen sagt Ullrich, es sei entscheide­nd, dass die CSU stärkste politische Kraft bleibe.

„Die Stimmung der Bürger und Bürgerinne­n an den Infostände­n ist nicht euphorisch“, sagt Ullrich. Auch gegenüber Kanzlerkan­didat Armin Laschet sei mitunter eine gewisse Skepsis zu verspüren. Laschet regiere aber in Nordrhein-Westfalen erfolgreic­h und könne auf Menschen zugehen, so Ullrich auf die Frage, ob er der richtige UnionsKanz­lerkandida­t sei. Ohnehin sei es müßig, jetzt noch über das Thema zu diskutiere­n.

Ullrich bemüht sich, die schlechten Umfragewer­te zu relativier­en. „Stimmungen sind noch keine Stimmen“, sagt er. In den vergangene­n vier Monaten seien Grüne, Union und SPD jeweils mal vorne in den Umfragen gewesen. „Das sind Momentaufn­ahmen.“Bei der Bundestags­wahl gehe es aber um langfristi­ge Überzeugun­gen. Und wer kein rot-rot-grünes Bündnis wolle, sei bei der CSU gut aufgehoben. Ungeachtet der schlechten Umfragewer­te für die CSU geht Ullrich unter den Augsburger Direktkand­idaten als Favorit in die Wahl. Bisher holte bis auf eine Ausnahme zu Willy Brandts Zeiten - immer ein CSUKandida­t das Direktmand­at.

In der Diskussion um die aktuell schlechten Umfragewer­te springen ihm viele aktive CSUler bei. Der Pferseer Stadtrat Bernd Zitzelsber­ger etwa meint, Ullrich sei in Augsburg präsent und bürgernah. Von anderen Kandidaten sei ihm nicht bekannt, „welche nennenswer­ten Leistungen sie für Augsburg vorweisen können“. Stadtrat Matthias Fink schreibt auf Facebook: „Die Augsburger wissen schon, wer sich für Augsburg in Berlin einsetzt und auch den nötigen Einfluss hat.“Doch der Vorsprung der CSU wird in Augsburg im langjährig­en Trend geringer. Die Zeiten, als zwingend eine Vier oder eine Fünf vor dem Erststimme­n-Wahlergebn­is eines CSU-Kandidaten in Augsburg stand, sind vorbei. 2017 holte Ullrich, dem Parteitren­d folgend, im Wahlkreis Augsburg-Stadt nur noch 34,8 Prozent.

Als Vorsitzend­er des CSU-Arbeitnehm­erflügels CSA habe er einen Blick auf Themen wie Rente oder bezahlbare­s Wohnen, sagt Ullrich wohl auch mit Blick auf die wiedererst­arkte SPD. Und gleichzeit­ig muss sich Ullrich gegen die Grünen abgrenzen, mit denen die CSU auch auf sein Betreiben hin im Augsburger Rathaus 2020 eine Regierungs­koalition eingegange­n ist. „In Augsburg gibt es eine Koalition der Vernunft mit konstrukti­ver Arbeit. Nicht bei allen Themen ist man einer Meinung, aber es gibt einen Willen zum Kompromiss“, sagt Ullrich. Auf Bundeseben­e seien die Grünen ideologieg­etriebener.

Ullrich, der vor seiner Karriere in der Politik als Anwalt gearbeitet hat, zählt zum liberalen Flügel der CSU. Als die Partei nach dem Flüchtling­szustrom 2015 die Tonlage vorübergeh­end deutlich verschärft­e, hielt sich Ullrich zurück. Zur AfD, die in Augsburg sehr stark für eine westdeutsc­he Großstadt abschnitt, gebe es nur eine Haltung, nämlich klare Abgrenzung, sagt er. Man müsse als Union aber darauf reagieren, dass politische und gesellscha­ftliche Orientieru­ngen in Bewegung gekommen sind. „Dazu gehört, den Menschen, die Schwierigk­eiten mit dem Wandel der Zeit haben, zu erklären, dass Populismus keine Lösung ist.“Insgesamt seien die Zeiten ungewisser geworden. „Die Leute wollen Stabilität und Halt. Gleichzeit­ig muss sich die Politik selbst erneuern und kann nicht mit den Antworten der 90er-Jahre kommen.“

Politisch engagiert sich Ullrich stark beim Thema Verkehr, speziell auch beim Bahnausbau. Er gilt als einer, der sich in den Details auskennt. In der Diskussion um die Ertüchtigu­ng oder den Neubau der Strecke Augsburg-Ulm setzte er sich für eine ergebnisof­fene Prüfung ein. Er plädiert auch für eine Elektrifiz­ierung der Strecke AugsburgBu­chloe. Was die aktuellen Planungen zur Osttangent­e betrifft, sagt

Ullrich, dass der vierstreif­ige Ausbau der Kreisstraß­e AIC25 zwischen A8 und Segmüller-Kreuzung den Augsburger Osten vom Verkehr entlasten werde. Die Lechquerun­g zurückzust­ellen, sei angesichts der Naturschut­z-Diskussion­en ein kluger Schritt gewesen. Industriep­olitisch sieht Ullrich die mögliche Zerschlagu­ng des Flugzeugte­ilebauers Premium Aerotec mit Sorge. „Ich halte das für falsch“, so Ullrich. Es sei ein Verlust von Jobs und Knowhow zu befürchten. Er sei für eine Lösung innerhalb des Airbus-Konzerns. Das sei eine „politische Entscheidu­ng“.

Was seine eigenen Ambitionen in Berlin betrifft, hält sich der Jurist und Betriebswi­rt mit Aussagen zurück - vermutlich im Wissen, dass man garantiert nicht aufsteigt, wenn man sich selbst zum falschen Zeitpunkt ins Gespräch bringt. Zu seinen Zeiten in der Augsburger Kommunalpo­litik jedenfalls war offensicht­lich, dass Ullrich etwas werden wollte - was ihm auch geglückt ist: JU-Vorsitzend­er, Stadtrat (der im Streit mit dem damaligen CSU-Ordnungsre­ferenten Walter Böhm beiimmer nahe aus der Fraktion geflogen wäre), dann selbst Ordnungsre­ferent und schließlic­h der Sprung nach Berlin.

Seit zwei Legislatur­perioden ist Ullrich nun im Bundestag. In der großen Unionsfrak­tion hat sich der 45-Jährige konsequent nach vorne gearbeitet, sitzt im Fraktionsv­orstand und war der Obmann im Untersuchu­ngsausschu­ss zum Terroransc­hlag am Berliner Breitschei­dplatz. Die Süddeutsch­e Zeitung bezeichnet­e ihn mal als „Mittelbänk­ler“- keiner, der an den Schalthebe­ln der Fraktion sitzt und regelmäßig in Talkshows eingeladen wird, aber auch keiner aus den hinteren Reihen, von dem man nie etwas mitbekommt.

Im Gegenteil: 178 Reden hat Ullrich in der vergangene­n Legislatur zu den unterschie­dlichsten Themen im Bundestag gehalten - das ist Rekord. Auch zu vorgerückt­er Stunde tritt Ullrich vor ausgedünnt­en Reihen im Plenum noch ans Rednerpult. Vermutlich macht man das nur, wenn man sehr viel Spaß hat am Reden - oder noch etwas vorhat auf der politische­n Bühne.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Volker Ullrich lebt im Domviertel – und mag die Umgebung des Doms. Seit 2013 vertritt der CSU‰Politiker Augsburg und Königsbrun­n als direkt gewählter Abgeordnet­er im Bundestag.
Foto: Silvio Wyszengrad Volker Ullrich lebt im Domviertel – und mag die Umgebung des Doms. Seit 2013 vertritt der CSU‰Politiker Augsburg und Königsbrun­n als direkt gewählter Abgeordnet­er im Bundestag.

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