Er will seinen Wald fit für die Zukunft machen
Ferdinand Freiherr von Wiedersperg-Leonrod aus Schmiechen wappnet seine Wälder durch natürliche Verjüngung gegen den Klimawandel. Warum er die Jäger kritisiert
Schmiechen Ein Wald ist schön, macht aber auch viel Arbeit. Ferdinand Freiherr von Wiedersperg-Leonrod aus Schmiechen kann ein Lied davon singen. Der 71-Jährige bewirtschaftet insgesamt 400 Hektar im Familienbetrieb und lebt auch davon. Inzwischen ist er allerdings davon weggekommen, junge Bäume einzupflanzen, um den Bestand zu erhalten. Er setzt auf einen Prozess, der in der Fachsprache Natur- oder Waldverjüngung genannt wird. Dabei wird der natürliche, von den alten Bäumen verbreitete Samen für die Gründung einer neuen Generation genutzt. Allerdings stößt von Wiedersperg-Leonrod dabei auf Probleme, wofür er vor allem Jäger verantwortlich macht.
Die Geschichte seiner Wälder reicht weit zurück. Ende des 19. Jahrhundert haben die damaligen Eigentümer Fichten angepflanzt. „Damals war das üblich, weil die Baumart schnell wächst“, erklärt von Wiedersperg-Leonrod. Aufgrund des Klimawandels, der der
Die Geschichte seiner Wälder reicht weit zurück
Art besonders zusetzt, habe der 71-Jährige aber nun Probleme mit seinem Bestand. In den 1990er-Jahren bei den Orkanen Wiebke und Lothar seien Tausende Fichten umgeworfen worden. Nun war jede Menge Holz auf dem Markt. „Der Preis ging in den Keller“, sagt von Wiedersperg-Leonrod. In den folgenden Jahren habe dann der Borkenkäfer zugeschlagen und noch einmal die gleiche Menge vernichtet.
„Wir haben dann, wie Deutsche das so machen, gleich wieder gepflanzt. Also Fichte, Erle usw.“, sagt der 71-Jährige. Damals habe es noch geheißen, dass man sofort wieder aufforsten müsse. „Sonst kommen die Brombeere oder Calamagrostis, das ist ein Gras, und dann kommt keine Fichte mehr durch“, erklärt von Wiedersperg-Leonrod. Jedoch habe er dann festgestellt, dass in jeder kleinen Senke Wasser stand. Vorher hatte der alte Bestand die Feuchtigkeit aufgesogen. „Die Fichten sind dann in den Mulden ersoffen.“Von Wiedersperg-Leonrod musste umdenken. „Geld war keins im Haus“, sagt er.
Also beschloss er, den Rehwildbestand so weit zu verringern, dass die Samen, die im Boden lagen, von alleine hochkommen konnten. Die jungen Gehölze gehören nämlich zur Leibspeise der Tiere. Zäune seien keine Alternative. „Die sind zu teuer und man kann sie nicht dichthalten.“Für Plastikhüllen, die die Bäume vor dem Verbiss schützen sollen, gebe es keine Zuschüsse mehr. Zudem werden sie laut von Wiedersperg-Leonrod oft nicht entsorgt und liegen dann ewig im Wald herum.
Der 71-Jährige ist von seinem Jagdkonzept überzeugt. Nach fünf oder sechs Jahren seien plötzlich Birken gewachsen. Die verschatteten die Brombeere und auf einmal kamen auch noch Fichten, Ahorne, Eschen und andere Laubbäume nach. „Man musste nur die Nerven behalten. Was sind bei einem Umtrieb von 100 oder 150 Jahren fünf Jahre, in denen nichts kommt.“Ansonsten hätte er Hunderttausende Euro für die Aufforstung bezahlen müssen. „So konnte man den Wald sehr schön von der Natur gestaltet umbauen in eine Mischkultur.“
Allerdings habe das nur in den
Gebieten funktioniert, in denen von Wiedersperg-Leonrod selbst jagen darf. „In den anderen kam nichts hoch.“Grundsätzlich erstreckt sich sein Waldgebiet auf sieben getrennte Areale. In nur zweien mit 110 und 150 Hektar darf er die Eigenjagd ausüben. Die anderen in Landsberg und Fürstenfeldbruck seien zu klein und daher Jagdgenossenschaften zugeteilt, in denen die Waldbesitzer Pflichtmitglied seien, aber kaum Einfluss hätten. „Die Jagdgenossenschaft verpachtet traditionell möglichst an einen meistbietenden Jäger“, sagt von Wiedersperg-Leonrod. Für die sei das ein „Statussymbol“. Alle drei Jahre gebe es ein Verbissgutachten. „Da geht der Förster herum und schaut, wie es mit der Naturverjüngung aussieht.“Seine Gebiete ohne Eigenjagd lägen seit Jahren im roten Bereich. „Das heißt: zu viel Verbiss“, erklärt der 71-Jährige. Eigentlich regeln Abschusspläne, wie viele Tiere die Jäger erlegen müssen. Sie werden an den Landratsämtern kontrolliert. In den Augen von Wiedersperg-Leonrod sind sie aber nicht aussagekräftig. „Da kannst du reinschreiben, was du willst, und das Landratsamt kann das nicht überprüfen“, sagt er. Die Jäger seien auf „Trophäenjagd“aus. Sie hätten das Ziel, große Herden zu sehen, um sich einzelne Exemplare rauspicken zu können. Laut von Wiedersperg-Leonrod erlegen die Jäger also nicht genug Rehwild und daher sei keine Waldverjüngung möglich. Er plädiert dafür, dass die Abschusspläne abgeschafft werden und die Jäger an die Genossenschaften „körperliche Nachweise“darüber erbringen müssen, was sie erlegt haben.
Ernst Weidenbusch, Präsident des Bayerischen Jagdverbands, sieht das anders. Er sagt: „Wichtig ist vor allem eine gute Abstimmung zwischen Grundeigentümern und Jägern. Die Abschusspläne werden zudem auf Basis des staatlichen Verbissgutachtens bemessen. Somit ist auch die Kontrolle gewährleistet.“Auch dem Vorwurf der Trophäenjagd widerspricht Weidenbusch. „Das Hauptaugenmerk gilt beim Rehwild wie bei jeder Wildart der Entnahme von weiblichem Wild als Zuwachsträgern und der Jugendklasse. Dabei gibt die Trophäe einen Überblick über Gesundheitszustand und Altersstruktur einer Rehwildpopulation“, sagt er. Gute Trophäen deuten demnach auf eine ausgewogene Population hin. „Die Abschusspläne beim Rehwild werden von den bayerischen Jägern korrekt eingehalten, daher sind die Rehwildbestände in Bayern auch angepasst.“
Von Wiedersperg-Leonrod will jedenfalls weiter daran arbeiten, einen zukunftsfähigen Forstbetrieb an die nächste Generation weiterzugeben. „Und zwar nach den neuesten Erkenntnissen und einen, der den Klimawandel möglichst überlebt. Das geht nur über die Vielfalt“, sagt er.