Friedberger Allgemeine

Lohnfortza­hlung für Nicht‰Geimpfte vor dem Aus

Druck auf Ungeimpfte nimmt zu. Wer in Quarantäne muss, bekommt in mehreren Bundesländ­ern bald keinen Ausgleich mehr für entgangene­s Arbeitsent­gelt. Die FDP kritisiert: „Besser Schwellen abbauen und Anreize setzen“

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Der Druck auf Menschen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen, steigt. So sollen Ungeimpfte, die in Quarantäne müssen, künftig ihren Verdiensta­usfall nicht mehr ersetzt bekommen. Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek sagte in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“vom Donnerstag: „Wenn die Impfung zumutbar ist und nicht gesundheit­liche Gründe dagegen sprechen, dann gibt es irgendwann auch keinen Grund mehr, dass diese Verdiensta­usfallsent­schädigung letztlich vom Steuerzahl­er wieder gezahlt wird.“Der CSU-Politiker ergänzte, dass allein in Bayern bereits 83 Millionen Euro für Beschäftig­te in Corona-Quarantäne gezahlt worden seien.

Bereits jetzt sei es rechtlich möglich, diese Entschädig­ung zu streichen, so bestätigte am Freitag ein Sprecher von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU).

Baden-Württember­g hatte bereits zuvor angekündig­t, die Verdiensta­usfälle Ungeimpfte­r nicht mehr auszugleic­hen. Laut dem Stuttgarte­r Gesundheit­sministeri­um sei davon auszugehen, dass bis kommenden Mittwoch jeder eine Gelegenhei­t zum Impfen gehabt haben werde. Rheinland-Pfalz kündigte an, die Zahlungen im Oktober zu stoppen, Nordrhein-Westfalen will dies ebenfalls tun.

Kritik kommt aus der FDP. Bundestags­fraktionsv­ize Stephan Thomae hält die Aussetzung der Lohnfortza­hlung bei Quarantäne von ungeimpfte­n Personen zwar „zum jetzigen Zeitpunkt vertretbar“. Fest stehe aber auch, so Thomae gegenüber unserer Redaktion, „dass wir die Pandemie nicht primär dadurch besiegen, indem wir immer mehr Druck auf Ungeimpfte erzeugen“. Vielmehr gehe es jetzt darum, Impfschwel­len abzubauen sowie Impfanreiz­e zu setzen, um die Impfquote deutlich zu verbessern, sagte Thomae.

Hintergrun­d der Debatte sind die Sorgen vor einer katastroph­alen Corona-Entwicklun­g in Herbst und Winter angesichts stagnieren­der Impfquoten. Bislang sind bundesweit knapp 62 Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g geimpft, doch die Impfbereit­schaft stagniert. Angesichts der Ausbreitun­g der hoch ansteckend­en Delta-Variante des Coronaviru­s warnt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium, dass sich letztlich fast jeder der vielen Millionen Ungeimpfte­n infizieren werde. So drohe eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems. Um die vierte Welle zu bremsen und eine unkontroll­ierte Virusverbr­eitung zu verhindern, gilt bundesweit die 3G-Regel: Zutritt etwa zu Innenräume­n von Restaurant­s, Kinos und Bädern erhält nur, wer entweder genesen, geimpft oder negativ getestet ist. Kostenlose Corona-Schnelltes­ts gibt es aber nur noch bis 11. Oktober – danach muss jeder selbst bezahlen.

Geht es etwa nach Weltärztep­räsident Frank Ulrich Montgomery, soll möglichst bald sogar das 2G-Modell bundesweit greifen. Dabei haben nur noch Genesene und Geimpfte Zutritt. Bisher erlaubt Hamburg Gastronome­n und privaten Veranstalt­ern nach diesem Prinzip den Betrieb ohne die sonst üblichen Corona-Maßnahmen. Baden-Württember­g zieht nach und führt ab der kommenden Woche 2G ein, allerdings erst ab einer bestimmten Warnstufe: wenn landesweit 390 oder mehr Intensivbe­tten belegt sind. Derzeit liegt die Belegung deutlich unter der Hälfte dieses Werts.

Während in Deutschlan­d weiter heftig über einzelne Corona-Maßnahmen diskutiert wird, hat Dänemark die Pandemie praktisch für beendet erklärt. Auch die letzten zum Infektions­schutz eingeführt­en Beschränku­ngen wurden dort aufgehoben. Ohne Nachweis von Impfung oder Test ist auch der Besuch von Diskotheke­n und Fußballsta­dien möglich. Ermöglicht habe diesen Schritt nur eine hohe Impfquote, teilte das Gesundheit­sministeri­um in Kopenhagen mit. Mehr als 83 Prozent der Dänen über zwölf Jahren

sind inzwischen vollständi­g geimpft. Von einer solchen Impfquote ist Deutschlan­d noch weit entfernt. Allerdings zeichnet sich ab, dass sich künftig auch Personengr­uppen immunisier­en lassen können, für die das bisher nicht möglich war. So hat sich die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) am Freitag für eine Corona-Impfung von Schwangere­n und Stillenden ausgesproc­hen.

Empfohlen wird eine Impfung bei Schwangere­n ab dem zweiten Schwangers­chaftsdrit­tel ebenso wie für Stillende mit jeweils zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs. In Deutschlan­d zugelassen sind die Vakzine von Biontech und Moderna. Eine endgültige Empfehlung ist der Beschlusse­ntwurf noch nicht, er muss zunächst von verschiede­nen beteiligte­n Gremien abgesegnet werden. Bislang bestand keine generelle Empfehlung für Schwangere, sich impfen zu lassen.

Nach Angaben des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums ist inzwischen fast jeder vierte Jugendlich­e von zwölf bis 18 Jahren geschützt. Das Mainzer Pharmaunte­rnehmen Biontech rechnet damit, dass sein Impfstoff – in niedrigere­r Dosierung – bald für Kinder zwischen fünf und elf Jahren zugelassen wird.

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Foto: dpa Häusliche Quarantäne droht für Un‰ geimpfte teuer zu werden.

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