Friedberger Allgemeine

Europa auf der Suche

Das Ende transatlan­tischer Gewissheit­en

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Schnell, einmütig und entschloss­en – so regierte die Europäisch­e Union nach den Anschlägen von 9/11. Den Regierunge­n in Berlin, Paris oder London war bewusst, dass in Washington auch nicht der leiseste Eindruck mangelnder Solidaritä­t aufkommen durfte. Tatsächlic­h lösten sich Fesseln, die zuvor Fortschrit­te bei der Suche nach einer gemeinsame­n Sicherheit­spolitik gebremst oder gar verhindert hatten.

Doch die Aufbruchss­timmung war endlich – schleichen­d schwand der Elan. Immer häufiger gab es Streit, inwieweit der von den USA erklärte Krieg gegen den Terror auf Kosten individuel­ler Freiheit des Einzelnen gehen dürfe. Amerika, tief verwundet durch die Terroransc­hläge, reagierte zunehmend gereizt auf die Bedenken aus Europa. Nicht nur das. Die Regierung Georg W. Bush zog Konsequenz­en, als sich zeigte, dass die EU-Staaten nicht gewillt waren, den USA im Anti-Terror-Kampf bedingungs­los zu folgen. Washington traf einsame Entscheidu­ngen, stellte seine Partner vor vollendete Tatsachen.

Im Rückblick wird klar, dass die Anschläge von New York und Washington einen Einschnitt markierten, der das transatlan­tische Verhältnis dramatisch verändert hat. Insbesonde­re für Europa, das sich allzu bequem in der Gewissheit eingericht­et hatte, dass der mächtige Bündnispar­tner letztlich für die eigene Sicherheit garantiert, wenn es ernst wird.

Diese Gewissheit ist heute, nach der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump, fast aufgebrauc­ht. Doch Europa tut sich schwer, darauf effektiv zu reagieren. Das ist gefährlich. Denn: Auch wer zu spät aufwacht, wird vom Leben bestraft.

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