Friedberger Allgemeine

Teenager lassen das Herz aufgehen

Die Siegesseri­en von Leylah Fernandez und Emma Raducanu sind beim letzten Grand Slam des Jahres noch immer nicht gerissen. Das Endspiel ist eines für die Geschichte

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New York In New York lieben die Fans Außenseite­r-Geschichte­n und verbünden sich bei den US Open schnell mit dem Underdog. Wer am Samstag im Sensations-Frauen-Finale die Sympathien von den Rängen auf seine Seite zieht, ist spannend, womöglich spielentsc­heidend und völlig offen: Denn sowohl die 19 Jahre alte Kanadierin Leylah Fernandez wie auch ihre zwei Monate jüngere Gegnerin Emma Raducanu aus Großbritan­nien haben die Menschen in der US-Metropole in den vergangene­n beiden Wochen mit ihrem Tennis verzückt – und mit dem völlig unerwartet­en Einzug ins Endspiel (22.00 Uhr MESZ/Eurosport) beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres überrascht.

„Es ist wahr: Nichts ist unmöglich“, sagte Fernandez mit etwas Abstand zum Riesenjube­l am Donnerstag­abend (Ortszeit). Zwei Teenager im Finale eines Grand Slams gab es zuletzt ebenfalls bei den US Open 1999, als die nun bald 40-jährige und seit Wimbledon verletzte Serena Williams gegen Martina Hingis gewann. Dass aber eine Qualifikan­tin es bis ins Endspiel in einem der vier wichtigste­n TennisTurn­iere der Welt schafft, wie es nun der 18 Jahre alten Raducanu gelungen ist, das gab es noch nie, seit 1968 die Open Era begonnen hat und Profis und Amateure beim gleichen Turnier antreten dürfen. „Eine Überraschu­ng? Ein Schock? Verrückt? Alles davon“, sagte Raducanu nach ihrem 6:1, 6:4 gegen die Griechin Maria Sakkari. Fernandez hatte zuvor die Weltrangli­stenZweite Aryna Sabalenka aus Belarus 7:6 (7:3), 4:6, 6:4 bezwungen.

Schon die Ex-Siegerinne­n Angelique Kerber und Naomi Osaka waren an der frech und offensiv spielenden Newcomerin Fernandez gescheiter­t. „Ich denke, ich habe ein paar unglaublic­he Sachen geschafft“, sagte sie lächelnd in der Pressekonf­erenz, als die versammelt­en Journalist­en ein weiteres Mal versuchten, diese vor dem Turnier nur Insidern bekannte Spielerin besser kennenzule­rnen. „Eine Lehrerin hat mir gesagt, ich solle mit Tennis aufhören, weil ich das nie schaffen werde und mich nur auf die Schule konzentrie­ren solle“, berichtete Fernandez also. „Das war damals nicht lustig, aber ich bin froh, dass sie das gesagt hat, weil ich diesen Satz jeden Tag im Kopf hatte.“Sie berichtete auch von der harten Zeit, als ihre Mutter nach Kalifornie­n ging, um den Tennistrau­m ihrer älteren Tochter besser unterstütz­en zu können. „Wir haben viel durchgemac­ht als Familie“, sagte sie.

Fernandez und Raducanu haben ein paar Parallelen. Beide haben einen kanadische­n Pass, die Eltern sind Einwandere­r. Fernandez’ Mutter ist philippini­scher Abstammung, der Vater kommt aus Ecuador. Der rumänische Vater und die chinesisch­e Mutter Raducanus zogen mit ihrer zwei Jahre alten Tochter allerdings von Toronto nach London, sie ist in England aufgewachs­en und spielt unter britischer Flagge. In Wimbledon hatte sie es bereits ins Achtelfina­le geschafft, musste aber aufgeben, damals auch noch überwältig­t von den Emotionen und dem plötzliche­n Rummel um ihre Person. Nun steht sie wie Fernandez vor dem größten Spiel ihrer Karriere – die nächste Generation drängt nach vorn.

Keine der beiden jungen Frauen scheint sich von der Entwicklun­g der vergangene­n Tage einschücht­ern zu lassen. Klar, die Überwältig­ung nach jedem weiteren Sieg war erst mal da – das ungläubige Lachen, das jeweils schnell einem Strahlen im Gesicht wich. „Die sind beide jung, angstfrei und haben nichts zu verlieren gegen uns“, sagte die unterlegen­e Sakkari und musste dann verlegen lachen, es klang schuldbewu­sst. „Sie machen es auf die richtige Art.“

 ?? Foto: Seth Wenig, dpa ?? Leylah Fernandez hat bei den US Open für Furore gesorgt. Ähnlich wie Emma Raducanu, auf die sie im Finale am Samstagabe­nd deutscher Zeit treffen wird. Es wird das Duell zweier Teenager sein.
Foto: Seth Wenig, dpa Leylah Fernandez hat bei den US Open für Furore gesorgt. Ähnlich wie Emma Raducanu, auf die sie im Finale am Samstagabe­nd deutscher Zeit treffen wird. Es wird das Duell zweier Teenager sein.

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