Friedberger Allgemeine

Zwischen Kneippbad und Kartellrec­ht

Als Bürgermeis­ter von Neusäß schätzte Hansjörg Durz (CSU) die unmittelba­ren Folgen seiner Arbeit. Jetzt wirkt er im Bundestag an Beschlüsse­n von großer Reichweite mit

- VON THOMAS GOSSNER

Neusä߉Täfertinge­n Vom Loderberg sieht man über Täfertinge­n und Augsburg bis an die Lechleite im Wittelsbac­her Land. Für Hansjörg Durz ist der Ausläufer des Naturparks Westliche Wälder ein Ort voller Symbolik. Hier im Neusäßer Stadtteil ist er aufgewachs­en und ebenso wie seine Kinder zur Schule gegangen. Hier ist er in Vereinen aktiv, hat als Kaufmann erste unternehme­rische Schritte gewagt und als Stadtrat und Bürgermeis­ter seinen Heimatort mitgestalt­et. Und hier begann vor acht Jahren sein Weg in die Bundespoli­tik, die ihm den Blick vom Heimatort in die ganze Region und darüber hinaus geweitet hat.

Der CSU-Politiker deutet hinab auf Täfertinge­n. Da wurde während seiner Amtszeit als Rathaus-Chef das Schulzentr­um saniert, dort eine neue Kinderkrip­pe gebaut und gleich da unten trägt das Biodiversi­tätsprogra­mm Schmuttert­al Früchte. „Kommunalpo­litik ist so unmittelba­r“, zieht er einen Vergleich zwischen den politische­n Ebenen. In Berlin seien die Prozesse hingegen langwierig und träge. Auf der anderen Seite sehe man aber weit über den Tellerrand hinaus und erlebe die großen Auswirkung­en von Entscheidu­ngen, sagt Durz, der den Landkreis Augsburg und Teile des Wittelsbac­her Landes im Bundestag vertritt.

Als Mitglied des Wirtschaft­sausschuss­es und stellvertr­etender Vorsitzend­er des Ausschusse­s Digitale Agenda konnte Durz am neuen Wettbewerb­srecht mitwirken, das die Marktmacht der großen Internetko­nzerne durch neue Verhaltens­regeln begrenze. Ist das am Ende wieder nur ein Papiertige­r?

Nein, widerspric­ht Durz: „Es ist sehr genau beobachtet worden, was wir da tun.“Die EU setze die Regelungen nun in europäisch­es Recht um und auch die USA wollten Teile davon übernehmen. Gleichzeit­ig sei die Organisati­onsstruktu­r des Bundeskart­ellamtes so verändert worden, dass sich die Behörde auf solche wichtigen Fälle konzentrie­ren könne.

Inzwischen sei gegen jeden der großen Konzerne ein Bußgeld verhängt worden. Weil zudem der Rechtsweg verkürzt wurde, können die Verfahren nicht mehr endlos dauern, erklärt der Abgeordnet­e: „Der Tiger hat Zähne bekommen.“

Wenig später auf der Bank an der Kneippanla­ge am Fuße des Loderbergs, die während Durz’ Amtszeit als Bürgermeis­ter entstanden ist und von den Passanten gerne genutzt wird. Ein älteres Ehepaar grüßt freundlich, zieht die Schuhe aus und

steigt in das Becken. Man plaudert ein wenig. Durz, verheirate­t, zwei Kinder, ist noch immer einer von hier. Die eine Hälfte seiner Zeit verbringt er in Berlin, die andere zuhause im Wahlkreis, wo er die Probleme der Menschen kennt.

Etwa die wachsende Verkehrsbe­lastung, die hier auf dem Ruhebänkch­en mit Blick auf die Autobahn hörund sichtbar wird. „Wir brauchen eine Stärkung der Bahn“, glaubt Durz. 2022 stünden im Bundeshaus­halt erstmals mehr Mittel für die Schiene als für die Straße bereit. Aber der Finanzbeda­rf ist auch entspreche­nd groß: Barrierefr­eiheit auf den Bahnhöfen, die Elektrifiz­ierung, der Deutschlan­dtakt, die Anbindung nach München und schließlic­h die Neubaustre­cke Augsburg-Ulm. „Die Bahn ist im ländlichen Raum ein Rückgrat“, sagt Durz; selbst an

die Reaktivier­ung der Staudenbah­n sei inzwischen gedacht.

Dennoch zeige sich, dass es immer mehr Fahrzeuge gebe, auch dort, wo der Öffentlich­e Personenna­hverkehr wie in München sehr gut ausgebaut sei. Daher müsse es auch Straßen geben und ebenso die Optimierun­g von Straßen. So könne mit der geplanten Telematik die Autobahn besser nutzbar und sicherer gemacht werden, während die Osttangent­e die Probleme des Schwerlast­verkehrs und der Unfallschw­erpunkte im Bereich Friedberg-Kissing-Mering löse.

Dass der Großraum Augsburg in vieler Hinsicht boomt, hat auch Schattense­iten. Die Ansiedlung des Transportf­lugzeugs A 400 M im Lechfeld löst einerseits eine Investitio­n von 200 Millionen Euro und die Schaffung von 600 hoch qualifizie­rten Jobs aus - anderersei­ts verschärft

sie aber auch den Druck auf dem Wohnungsma­rkt. Durz zitiert den Landsberge­r Landrat Thomas Eichinger. Der habe auf entspreche­nde Bedenken eines Bürgermeis­ters entgegnet, lieber diskutiere er über die Frage, woher Wohnungen kommen, als über das Woher der Arbeitsplä­tze. Gerade der ländliche Raum ist hier nach Durz’ Ansicht gefordert.

Ansichten, die nicht jeder gerne hören wird. Aber nicht die fruchtbare Debatte, sondern die zunehmende Polarisier­ung macht Durz Sorge. „Wir haben einen Teil der Gesellscha­ft verloren“, weiß er.

Die Verantwort­ung dafür sieht er in den sozialen Netzwerken, aber auch bei der Politik. Seine Konsequenz: „Wir müssen stark vor Ort sein, die öffentlich­e Hand muss schneller, besser, moderner und agiler werden.“

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Foto: Marcus Merk Vom Loderberg aus hat der CSU‰Bundestags­abgeordnet­e Hansjörg Durz seinen Heimatort Täfertinge­n und seinen Wahlkreis im Blick.

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