Zwischen Kneippbad und Kartellrecht
Als Bürgermeister von Neusäß schätzte Hansjörg Durz (CSU) die unmittelbaren Folgen seiner Arbeit. Jetzt wirkt er im Bundestag an Beschlüssen von großer Reichweite mit
NeusäßTäfertingen Vom Loderberg sieht man über Täfertingen und Augsburg bis an die Lechleite im Wittelsbacher Land. Für Hansjörg Durz ist der Ausläufer des Naturparks Westliche Wälder ein Ort voller Symbolik. Hier im Neusäßer Stadtteil ist er aufgewachsen und ebenso wie seine Kinder zur Schule gegangen. Hier ist er in Vereinen aktiv, hat als Kaufmann erste unternehmerische Schritte gewagt und als Stadtrat und Bürgermeister seinen Heimatort mitgestaltet. Und hier begann vor acht Jahren sein Weg in die Bundespolitik, die ihm den Blick vom Heimatort in die ganze Region und darüber hinaus geweitet hat.
Der CSU-Politiker deutet hinab auf Täfertingen. Da wurde während seiner Amtszeit als Rathaus-Chef das Schulzentrum saniert, dort eine neue Kinderkrippe gebaut und gleich da unten trägt das Biodiversitätsprogramm Schmuttertal Früchte. „Kommunalpolitik ist so unmittelbar“, zieht er einen Vergleich zwischen den politischen Ebenen. In Berlin seien die Prozesse hingegen langwierig und träge. Auf der anderen Seite sehe man aber weit über den Tellerrand hinaus und erlebe die großen Auswirkungen von Entscheidungen, sagt Durz, der den Landkreis Augsburg und Teile des Wittelsbacher Landes im Bundestag vertritt.
Als Mitglied des Wirtschaftsausschusses und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda konnte Durz am neuen Wettbewerbsrecht mitwirken, das die Marktmacht der großen Internetkonzerne durch neue Verhaltensregeln begrenze. Ist das am Ende wieder nur ein Papiertiger?
Nein, widerspricht Durz: „Es ist sehr genau beobachtet worden, was wir da tun.“Die EU setze die Regelungen nun in europäisches Recht um und auch die USA wollten Teile davon übernehmen. Gleichzeitig sei die Organisationsstruktur des Bundeskartellamtes so verändert worden, dass sich die Behörde auf solche wichtigen Fälle konzentrieren könne.
Inzwischen sei gegen jeden der großen Konzerne ein Bußgeld verhängt worden. Weil zudem der Rechtsweg verkürzt wurde, können die Verfahren nicht mehr endlos dauern, erklärt der Abgeordnete: „Der Tiger hat Zähne bekommen.“
Wenig später auf der Bank an der Kneippanlage am Fuße des Loderbergs, die während Durz’ Amtszeit als Bürgermeister entstanden ist und von den Passanten gerne genutzt wird. Ein älteres Ehepaar grüßt freundlich, zieht die Schuhe aus und
steigt in das Becken. Man plaudert ein wenig. Durz, verheiratet, zwei Kinder, ist noch immer einer von hier. Die eine Hälfte seiner Zeit verbringt er in Berlin, die andere zuhause im Wahlkreis, wo er die Probleme der Menschen kennt.
Etwa die wachsende Verkehrsbelastung, die hier auf dem Ruhebänkchen mit Blick auf die Autobahn hörund sichtbar wird. „Wir brauchen eine Stärkung der Bahn“, glaubt Durz. 2022 stünden im Bundeshaushalt erstmals mehr Mittel für die Schiene als für die Straße bereit. Aber der Finanzbedarf ist auch entsprechend groß: Barrierefreiheit auf den Bahnhöfen, die Elektrifizierung, der Deutschlandtakt, die Anbindung nach München und schließlich die Neubaustrecke Augsburg-Ulm. „Die Bahn ist im ländlichen Raum ein Rückgrat“, sagt Durz; selbst an
die Reaktivierung der Staudenbahn sei inzwischen gedacht.
Dennoch zeige sich, dass es immer mehr Fahrzeuge gebe, auch dort, wo der Öffentliche Personennahverkehr wie in München sehr gut ausgebaut sei. Daher müsse es auch Straßen geben und ebenso die Optimierung von Straßen. So könne mit der geplanten Telematik die Autobahn besser nutzbar und sicherer gemacht werden, während die Osttangente die Probleme des Schwerlastverkehrs und der Unfallschwerpunkte im Bereich Friedberg-Kissing-Mering löse.
Dass der Großraum Augsburg in vieler Hinsicht boomt, hat auch Schattenseiten. Die Ansiedlung des Transportflugzeugs A 400 M im Lechfeld löst einerseits eine Investition von 200 Millionen Euro und die Schaffung von 600 hoch qualifizierten Jobs aus - andererseits verschärft
sie aber auch den Druck auf dem Wohnungsmarkt. Durz zitiert den Landsberger Landrat Thomas Eichinger. Der habe auf entsprechende Bedenken eines Bürgermeisters entgegnet, lieber diskutiere er über die Frage, woher Wohnungen kommen, als über das Woher der Arbeitsplätze. Gerade der ländliche Raum ist hier nach Durz’ Ansicht gefordert.
Ansichten, die nicht jeder gerne hören wird. Aber nicht die fruchtbare Debatte, sondern die zunehmende Polarisierung macht Durz Sorge. „Wir haben einen Teil der Gesellschaft verloren“, weiß er.
Die Verantwortung dafür sieht er in den sozialen Netzwerken, aber auch bei der Politik. Seine Konsequenz: „Wir müssen stark vor Ort sein, die öffentliche Hand muss schneller, besser, moderner und agiler werden.“