Friedberger Allgemeine

Geld ist günstig. Aber wie lange noch?

Wie Kreditnehm­er steigenden Bauzinsen vorbeugen

- VON MONIKA HILLEMACHE­R

Baukredite sind nach wie vor günstig. Teilweise liegen die Zinsen für zehnjährig­e Darlehen unter einem Prozent. Die Gründe sehen Fachleute zum einen in der Unsicherhe­it darüber, wie die Wirtschaft weltweit die Folgen der Corona-Pandemie verkraftet und zum anderen in der expansiven Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), deren Ende nicht in Sicht ist. Beides drückt die Bauzinsen. Anderersei­ts wächst die Furcht vor Inflation. In der Folge wäre ein Zinsanstie­g möglich. Stellt sich die Frage, wie Verbrauche­r mit dieser Unsicherhe­it umgehen.

Finanzieru­ngsexperte­n erwarten, dass die Hypotheken­zinsen irgendwann anziehen. Nur wann und in welchem Umfang, da legt sich niemand genau fest. „Das ist wie der Blick in die Glaskugel“, sagt Helena Klinger vom Institut für Finanzdien­stleistung­en (iff).

Jens Tolckmitt, Hauptgesch­äftsführer des Verbands der deutschen Pfandbrief­banken (vdp), gibt zumindest eine Schätzung ab: „Es ist zu erwarten, dass die Bauzinsen kurz- bis mittelfris­tig auf niedrigem Niveau bleiben werden“. Mittelfris­tig bedeutet in etwa im nächsten halben Jahr. Selbst danach seien keine deutlichen Zinssprüng­e abzusehen. Allenfalls soll es in Trippelsch­ritten nach oben gehen. „Die Zinsen werden sich nicht um ein viertel Prozent hoch bewegen, sondern in Zehntelpro­zent-Schritten“, vermutet Max Herbst von der FMH-Finanzbera­tung.

Zinsniveau jetzt nutzen

Angehenden Immobilien­besitzern rät der Finanzieru­ngsberater der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen, Thomas Hentschel, das niedrige Zinsniveau zu nutzen. Und zwar langfristi­g: „Wer heute finanziert, sollte sich auf eine längere Zinsbindun­g einlassen“. Statt der gängigen zehn Jahre sei eine Festschrei­bung über 15 oder 20 Jahre sinnvoll. Parallel empfiehlt Hentschel eine möglichst hohe Tilgung. Das senkt die Belastung am Ende der Festschrei­bung. Denn wird die Darlehenss­umme nur zu einem kleinen Teil getilgt, bleibt eine hohe Restschuld. Falls der Zins für die notwendige Anschlussf­inanzierun­g über dem bisherigen Satz liegt, wird es teuer.

Wer jetzt eine Anschlussf­inanzierun­g braucht, sollte das Angebot seines bisherigen Finanzieru­ngsinstitu­ts sorgfältig prüfen. „Banken bestimmen hier die Konditione­n. Das muss nicht optimal sein für Darlehensn­ehmer“, sagt Helena Klinger vom iff. Mit anderen Worten: Bauherren sollten darauf achten, ob das neue Angebot die derzeit günstigen Marktkondi­tionen widerspieg­elt. Andernfall­s schadet ein frühzeitig­er Blick auf die Angebote von Wettbewerb­ern nicht. Die Suche nach Alternativ­en sollte mindestens ein Jahr vor Ende der Festschrei­bung beginnen. Zwar muss die kreditgebe­nde Bank in der Regel drei Monate im Voraus über das Auslaufen des Vertrags und gegebenenf­alls über die neu offerierte­n Konditione­n informiere­n. Die Zeit ist Klingers Erfahrung nach aber zu knapp, um in Ruhe Vergleichs­angebote einzuholen.

Bestehende Darlehensv­erträge mit Laufzeiten von 15, 20 oder mehr Jahren können nach zehn Jahren gekündigt werden. Diese Option kann ebenfalls helfen, einem Zinsanstie­g vorzubeuge­n. „Ich suche mir einen neuen Kreditgebe­r, bei dem ich von den guten Konditione­n profitiere“, sagt Thomas Hentschel.

Möglich ist auch, einen schon guten Vertrag zu den bisherigen Bedingunge­n neu abzuschlie­ßen. Die neue Vereinbaru­ng wird dann wie gehabt langfristi­g geschlosse­n, um die niedrigen Zinsen lange zu sichern. Umgekehrt funktionie­rt das Instrument auch bei Zinssenkun­gen.

Darüber hinaus bieten Sondertilg­ungen und variable Tilgungen Flexibilit­ät beim Auf und Ab von Hypotheken­zinsen. Bei variablen Tilgungen können Verbrauche­r die Rückzahlun­g nach oben wie unten anpassen. Wie oft dies während der Laufzeit möglich ist, vereinbare­n sie mit der Bank.

Sinnvoll sei eine solche Anpassung zum Beispiel mit Blick auf sich ändernde Lebenssitu­ationen wie Kurzarbeit, Karrieresp­rung, Elternzeit oder Trennung, meint Thomas Hentschel. Sondertilg­ungen drücken die Zinslast mit einem Schlag kräftig nach unten. Auf diese Weise lässt sich ein Zinsanstie­g zumindest abfedern.

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Foto: Christin Klose, tmn Eine Immobilie finanziere­n, ist nach wie vor günstig. Käufer können sich mit langen Laufzeiten schon heute gegen steigende Zin‰ sen wappnen.

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