Friedberger Allgemeine

Klima lockte Menschen nach Arabien

- Stefan Parsch

Die Arabische Halbinsel wurde seit mehr als 400000 Jahren während feuchter Klimaphase­n von verschiede­nen Frühmensch­en genutzt. In jenen Perioden verwandelt­en Niederschl­äge die Region der heutigen NefudWüste in eine Graslandsc­haft mit Seen und Wasserläuf­en, in der Rinder, Antilopen und sogar Flusspferd­e lebten. „Es ist bemerkensw­ert: Immer wenn es feucht war, waren Menschen da“, sagt Michael Petraglia vom Max-Planck-Institut für Menschheit­sgeschicht­e in Jena, der mit seinem Team Forschungs­resultate in Nature vorstellt.

In der Nefud-Wüste, die zu Saudi-Arabien gehört, fand das Team auch den bislang ältesten Nachweis von Menschen auf der Arabischen Halbinsel: Die Steinwerkz­euge sind etwa 400000 Jahre alt – und damit etwa 100000 Jahre älter als der bislang früheste Nachweis des Homo sapiens überhaupt.

Generell war die Arabische Halbinsel während der Kaltzeiten in der Regel trocken, aber in den Warmzeiten wurde das Klima feuchter – die Forscher sprechen von einem „grünen Arabien“. In Khall Amayshan im Norden der Halbinsel fanden sie Sedimente von sechs Seen, die sich im Laufe der vergangene­n 420000 Jahre gebildet hatten. Petraglia und Kollegen bestimmten deren Alter vor allem per Lumineszen­z: Diese ermittelt, wann die Sandschich­ten zuletzt Sonnenlich­t ausgesetzt waren. Für die ältesten Sedimente fanden sie ein Alter von etwa 412000 Jahren. Weitere Ablagerung­en sind rund 300000, 200000, 100000 und 55000 Jahre alt. In den entspreche­nden Schichten fanden die Forscher Steinwerkz­euge: In der Zeit vor 300000 bis 420 000 Jahren sind es Handäxte, ab vor etwa 200000 Jahren wurden Steinwerkz­euge vor allem mit der Schildkern­technik hergestell­t.

In veränderte­r Form ist diese Technik auch noch in den jüngsten, 55000 Jahre alten Schichten vorhanden. Die Wissenscha­ftler fanden Ähnlichkei­ten zu Funden im heutigen Israel, die Neandertal­ern zugeordnet werden. Dagegen weisen 100000 Jahre alte Werkzeuge aus Khall Amayshan und 75 000 Jahre alte Werkzeuge aus der 150 Kilometer entfernten Oase Jubbah Merkmale auf, die Funden des modernen Menschen aus dem arabischen Raum ähneln. Deshalb nehmen die Wissenscha­ftler an, dass Homo sapiens und Neandertal­er sich auf der Arabischen Halbinsel – wie auch in anderen Regionen – begegnet sind. „Alle modernen nichtafrik­anischen Individuen haben etwas Neandertal­er-Erbgut, und die Arabische Halbinsel könnte ein Gebiet gewesen sein, in dem Kontakt und Kreuzung zwischen frühen Menschen und Neandertal­ern auftraten“, schreibt auch Robin Dennell von der englischen University of Exeter in Nature. Es sei bekannt, dass der Homo sapiens spätestens vor 50000 Jahren Australien erreicht habe. Wann und wie er aber Asien erschlosse­n habe, sei Gegenstand einer intensiven Debatte.

Das Team um Petraglia betont das Ausmaß der klimatisch­en Veränderun­gen in der Region: „Das wiederholt­e Vorkommen von Flusspferd­en, bei denen es sich um unbedingte halbaquati­sche Säugetiere handelt, die ständige Gewässer von mehreren Metern Tiefe benötigen, liefert starke Belege für das Ausmaß der Umweltverb­esserung während wiederholt­er regenreich­er Phasen des ,grünen Arabiens‘.“

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