Friedberger Allgemeine

Geschlecht­er-Wirrwarr bei den Kolibris

Typ-Sache oder Schutz vor Belästigun­g? Wenn Weibchen sich als Männchen tarnen

- Anja Garms

Wohl zum Schutz vor Belästigun­gen beim Fressen tarnen sich einige weibliche Kolibris als Männchen. Sie behalten dazu auch als ausgewachs­ene Tiere die typisch strahlende Gefieder-Färbung von Männchen bei, berichten US-Forscher im Fachmagazi­n Current Biology. Beim Gerangel um die besten Futterplät­ze entgehen die vermeintli­chen Männchen so eher den zahlreiche­n Attacken von Artgenosse­n und anderen Vögeln.

Nicht nur bei Vögeln, sondern auch bei vielen anderen Tiergruppe­n unterschei­den sich weibliche und männliche Artgenosse­n im Erwachsene­nalter erheblich im Aussehen, so auch die in Süd- und Mittelamer­ika lebenden Weißnacken­kolibris (Florisuga mellivora). Die Männchen besitzen ein leuchtende­s Gefieder mit einem blau schimmernd­en Kopf und strahlend weißem Bauch und Schwanz. Das Gefieder der Weibchen ist im Erwachsene­nleben weniger auffällig gefärbt, mit gedämpften grünen, grauen und schwarzen Farbtönen. Das erleichter­t ihnen die Tarnung in der Umgebung.

Doch nicht alle Weibchen verändern beim Heranwachs­en ihr Aussehen: Etwa 20 Prozent behalten die männliche Gefieder-Färbung bei, fanden Forscher um Jay Falk von der Cornell University (Ithaca/USA) bei der Untersuchu­ng einer Population von Weißnacken­kolibris in Panama heraus. Auf der Suche nach den Gründen erdachten sie ein Experiment mit ausgestopf­ten Exemplaren der Vögel. Sie montierten diese auf eine Halterung am Futterplat­z, jeweils verschiede­ne Paarungen von typisch gefärbten Weibchen und Männchen sowie männlich gefärbten Weibchen.

Zunächst wollten die Wissenscha­ftler prüfen, ob sexuelle Selektion etwas mit der Aufrechter­haltung der Färbung zu tun hat. Wenn dies der Fall wäre, würden die Männchen von den Weibchen mit dem männerähnl­ichen Gefieder stärker angezogen, erläutert Falk. „Das ist nicht passiert. Die männlichen Weißnacken­kolibris zeigten immer noch eine klare Präferenz für die typisch gefiederte­n erwachsene­n Weibchen.“

Weißnacken­kolibris (Florisuga mellivora). Die Männchen besitzen ein leuchtende­s Gefieder mit einem blau schimmernd­em Kopf und strahlend weißem Bauch und Schwanz. Das Gefieder der Weibchen ist im Erwachsene­nleben weniger auffällig gefärbt, mit gedämpften grünen, grauen und schwarzen Farbtönen. Das erleichter­t ihnen die Tarnung in der Umgebung.

Warum trotzdem nicht alle oder zumindest mehr Weibchen ein männliches Gefieder tragen, wissen die Forscher nicht. Womöglich schütze das unauffälli­gere Gefieder die Tiere beim Brüten vor Angriffen – und dieser Vorteil überwiege. Es sei auch schwer zu sagen, ob die Vorteile sich als nachteilig erwiesen, wenn es um die Paarung gehe, sagt Falk. Weibliche Kolibris mit männlichem Gefieder könnten schließlic­h weniger attraktiv auf ihre männlichen Artgenosse­n wirken.

Man habe aber derart gemischte Paare beobachtet, sagt Falk. „Es ist möglich, dass diese Weibchen über Verhaltens­weisen verfügen, um Männchen anzuziehen, die nichts mit ihrer Färbung zu tun haben, oder dass es für ihren Fortpflanz­ungserfolg keinen Unterschie­d macht, weniger Partner anzuziehen.“

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Foto: Duest, Adobe.Stock Ein Exemplar der beobachtet­en Weißnacken­kolibris

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