Angela Radtke und die sieben Leben der Katze
Die Liebe zu den Vierbeinern ist bei der Hochzoller Tierärztin ausgeprägt. Seit der Kindheit ist sie fasziniert von Afrika und seinen Wildtieren. Jetzt hat sie ein Herzensprojekt verwirklicht
Die Einstellung zu Katzen geht bei den Radtkes aus Hochzoll auseinander. Während der Eigensinn der Vierbeiner Tierärztin Angela Radtke und ihren Söhnen größten Spaß macht, übt sich Vater und Ehemann Bernd in Toleranz. „Nala“, wie die schwarz-rot-weiße Glückskatze der Familie heißt, zeigt sich an diesem sonnigen Nachmittag im Garten vorsichtig, aber durchaus nicht scheu. Sie streift im Grünen unter dem prächtigen Magnolienbaum umher und ist gesprächig. Nach etwa einer Stunde nimmt sie sogar für einige Minuten auf dem Schoß des Fremdlings Platz, nicht ohne sich höflich maunzend angekündigt zu haben.
Von ihrer schlanken Statur her wirkt Nala jünger als sie augenscheinlich ist. Ihr genaues Alter kann Angela Radtke nicht nennen, weil das Tier aus dem Tierschutz stamme, nachdem die Vorgängerin vor der Haustüre überfahren wurde. Zehn Jahre, vielleicht auch zwölf, seien realistisch, so die Tierärztin, der es ein Bedürfnis ist, gerade für die älteren zu sensibilisieren. Denn was ihr in ihrer beruflichen Praxis auffällt, ist, dass für die Gesundheit von Hunden sehr viel schneller Geld ausgegeben und der Tierarzt aufgesucht wird als für Katzen. Dabei wäre den Tieren etwa bei einer Schilddrüsenkrankheit - manchmal mit nur einer Tablette pro Tag geholfen. Eine an Gewichtsabnahme und nächtlicher Unruhe erkennbare Überfunktion gebe es nur bei Katzen, die Unterfunktion hingegen komme nur bei Hunden vor. Um die Katze beim Tierarztbesuch nicht noch zusätzlich zu stressen, rät die Medizinerin, sollte die Transportbox beispielsweise von oben zu öffnen sein und im Wartezimmer nicht unabgedeckt auf dem Boden abgestellt werden, so dass der nächste eintretende Hund gleich daran herumschnüffeln kann.
Die unterschiedlichen Charaktere, die Eleganz und das Sozialverhalten von Katzen faszinieren Angela Radtke schon sehr lange. Dabei können es die Haustiere ebenso sein, wie die Großkatzen der Wildnis. Immer wieder reist die Hochzollerin deshalb nach Afrika, wohin sie von ihrem Mann zu ihrem 50. Geburtstag zu einem Aufenthalt im Tembe Volunteer Park in Südafrika eingeladen wurde. „Ich wollte dort bei der Artenschutz-Arbeit mitmachen“, sagt sie, was vor allem sogenanntes Monitoring bedeutete. Der Aufenthalt in Uganda hat ihren Worten nach ihr „Weltbild“ebenso verändert, sagt sie, wenn sie sich zurückerinnert, über Tage keine andere weiße Frau gesehen zu haben. Mittlerweile habe sie sich daran gewöhnt, auf Reisen im Bodenoder Dachzelten von Autos zu nächtigen, was Angela Radtke als „abenteuerlich“empfindet. Am 30. September wäre das Ehepaar nach Namibia geflogen, wären die Flüge nicht wegen Corona storniert worden.
Lange bevor Angela Radtke an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) in München Tiermedizin studierte, um Dr. med. vet. zu werden, interessierte sie sich schon fürs „Wildlife“. So löste Bernhard Grzimeks Buch „Serengeti darf nicht sterben“, ein Erbstück des ebenfalls als Veterinär tätigen Großvaters, von jeher große Faszination in ihr aus. Mit Schulfreundin Uschi habe sie bei Jugend forscht mitgemacht und das Lernverhalten von Feldmäusen, Hausmäusen und Labormäusen verglichen. Die Vertreter dieser drei Arten seien durch ein Labyrinth geschickt worden, um zu sehen, welche am besten durchkommt. Und welche war es schließlich? „Wenn ich mich richtig entsinne“, sagt die 55-Jährige, „war die Hausmaus die flinkeste.“
Angela Radtke freut sich besonders darüber, dass sie die Freundschaft zu Uschi aus Kriegshaber wieder beleben konnte. Weil sie so „unheimlich gut zeichnen“könne, habe sie bei ihr nachgefragt, ob sie ihr Buch illustrieren könne, an dem sie gerade schreibt. „Weil sieben Leben nicht genug sind“lautet der Titel des Ratgebers, der noch diesen Monat bei Kindle Self-Publisching erscheinen soll und durch die Bebilderung ihrer Kindergarten-Freundin einen freundlichen Anstrich im monotonen Schwarz-Weiß erhalten soll. Angela Radtkes Ziel ist es, zu verdeutlichen, dass „man soviel machen kann, um alten Katzen das Leben zu erleichtern“. Und sollte sie mit dem 130 Seiten umfassenden Büchlein einmal etwas Geld verdienen, plant sie das eine oder andere Projekt zum Artenschutz zu unterstützen. Denn die Großkatzen dieser Welt, sagt sie, sind alle in prekären Situationen. Momentan hofft sich noch auf die Genehmigung, das offizielle Veterinär-Logo auf dem Einband verwenden zu dürfen.
Heute arbeitet Angela Radtke in einer Tierarzt-Praxis in Meitingen. Jeden Dienstag operiere sie in einer anderen in Oberottmarshausen. In einer Tierklinik zu arbeiten, hält sie nicht für erstrebenswert. Auch deshalb, sagt sie, weil immer mehr Tierkliniken ihren Klinik-Status zurückgeben. Weil an sieben Tagen die Woche 24 Stunden ein Tierarzt da sein müsse, gebe es momentan einen „riesigen Stellenmarkt“. Die Hochzollerin schätzt es hingegen, die Besitzer und ihre Tiere zu kennen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Weil ihr vor zwei Jahren noch einmal danach war, sich zu verändern, wechselte sie den Arbeitgeber. Das wiederum ließ ihr die Zeit, sich mit den sieben Leben der Katze und dem langen Erhalt ihrer Gesundheit sowie einer Behandlung mit Augenmaß zu befassen. Das bedeute auch, gegebenenfalls eine eingewachsene Krallen nicht zu übersehen.