Friedberger Allgemeine

Angela Radtke und die sieben Leben der Katze

Die Liebe zu den Vierbeiner­n ist bei der Hochzoller Tierärztin ausgeprägt. Seit der Kindheit ist sie fasziniert von Afrika und seinen Wildtieren. Jetzt hat sie ein Herzenspro­jekt verwirklic­ht

- VON SILVIA KÄMPF

Die Einstellun­g zu Katzen geht bei den Radtkes aus Hochzoll auseinande­r. Während der Eigensinn der Vierbeiner Tierärztin Angela Radtke und ihren Söhnen größten Spaß macht, übt sich Vater und Ehemann Bernd in Toleranz. „Nala“, wie die schwarz-rot-weiße Glückskatz­e der Familie heißt, zeigt sich an diesem sonnigen Nachmittag im Garten vorsichtig, aber durchaus nicht scheu. Sie streift im Grünen unter dem prächtigen Magnolienb­aum umher und ist gesprächig. Nach etwa einer Stunde nimmt sie sogar für einige Minuten auf dem Schoß des Fremdlings Platz, nicht ohne sich höflich maunzend angekündig­t zu haben.

Von ihrer schlanken Statur her wirkt Nala jünger als sie augenschei­nlich ist. Ihr genaues Alter kann Angela Radtke nicht nennen, weil das Tier aus dem Tierschutz stamme, nachdem die Vorgängeri­n vor der Haustüre überfahren wurde. Zehn Jahre, vielleicht auch zwölf, seien realistisc­h, so die Tierärztin, der es ein Bedürfnis ist, gerade für die älteren zu sensibilis­ieren. Denn was ihr in ihrer berufliche­n Praxis auffällt, ist, dass für die Gesundheit von Hunden sehr viel schneller Geld ausgegeben und der Tierarzt aufgesucht wird als für Katzen. Dabei wäre den Tieren etwa bei einer Schilddrüs­enkrankhei­t - manchmal mit nur einer Tablette pro Tag geholfen. Eine an Gewichtsab­nahme und nächtliche­r Unruhe erkennbare Überfunkti­on gebe es nur bei Katzen, die Unterfunkt­ion hingegen komme nur bei Hunden vor. Um die Katze beim Tierarztbe­such nicht noch zusätzlich zu stressen, rät die Medizineri­n, sollte die Transportb­ox beispielsw­eise von oben zu öffnen sein und im Wartezimme­r nicht unabgedeck­t auf dem Boden abgestellt werden, so dass der nächste eintretend­e Hund gleich daran herumschnü­ffeln kann.

Die unterschie­dlichen Charaktere, die Eleganz und das Sozialverh­alten von Katzen fasziniere­n Angela Radtke schon sehr lange. Dabei können es die Haustiere ebenso sein, wie die Großkatzen der Wildnis. Immer wieder reist die Hochzoller­in deshalb nach Afrika, wohin sie von ihrem Mann zu ihrem 50. Geburtstag zu einem Aufenthalt im Tembe Volunteer Park in Südafrika eingeladen wurde. „Ich wollte dort bei der Artenschut­z-Arbeit mitmachen“, sagt sie, was vor allem sogenannte­s Monitoring bedeutete. Der Aufenthalt in Uganda hat ihren Worten nach ihr „Weltbild“ebenso verändert, sagt sie, wenn sie sich zurückerin­nert, über Tage keine andere weiße Frau gesehen zu haben. Mittlerwei­le habe sie sich daran gewöhnt, auf Reisen im Bodenoder Dachzelten von Autos zu nächtigen, was Angela Radtke als „abenteuerl­ich“empfindet. Am 30. September wäre das Ehepaar nach Namibia geflogen, wären die Flüge nicht wegen Corona storniert worden.

Lange bevor Angela Radtke an der Ludwig-Maximilian-Universitä­t (LMU) in München Tiermedizi­n studierte, um Dr. med. vet. zu werden, interessie­rte sie sich schon fürs „Wildlife“. So löste Bernhard Grzimeks Buch „Serengeti darf nicht sterben“, ein Erbstück des ebenfalls als Veterinär tätigen Großvaters, von jeher große Faszinatio­n in ihr aus. Mit Schulfreun­din Uschi habe sie bei Jugend forscht mitgemacht und das Lernverhal­ten von Feldmäusen, Hausmäusen und Labormäuse­n verglichen. Die Vertreter dieser drei Arten seien durch ein Labyrinth geschickt worden, um zu sehen, welche am besten durchkommt. Und welche war es schließlic­h? „Wenn ich mich richtig entsinne“, sagt die 55-Jährige, „war die Hausmaus die flinkeste.“

Angela Radtke freut sich besonders darüber, dass sie die Freundscha­ft zu Uschi aus Kriegshabe­r wieder beleben konnte. Weil sie so „unheimlich gut zeichnen“könne, habe sie bei ihr nachgefrag­t, ob sie ihr Buch illustrier­en könne, an dem sie gerade schreibt. „Weil sieben Leben nicht genug sind“lautet der Titel des Ratgebers, der noch diesen Monat bei Kindle Self-Publischin­g erscheinen soll und durch die Bebilderun­g ihrer Kindergart­en-Freundin einen freundlich­en Anstrich im monotonen Schwarz-Weiß erhalten soll. Angela Radtkes Ziel ist es, zu verdeutlic­hen, dass „man soviel machen kann, um alten Katzen das Leben zu erleichter­n“. Und sollte sie mit dem 130 Seiten umfassende­n Büchlein einmal etwas Geld verdienen, plant sie das eine oder andere Projekt zum Artenschut­z zu unterstütz­en. Denn die Großkatzen dieser Welt, sagt sie, sind alle in prekären Situatione­n. Momentan hofft sich noch auf die Genehmigun­g, das offizielle Veterinär-Logo auf dem Einband verwenden zu dürfen.

Heute arbeitet Angela Radtke in einer Tierarzt-Praxis in Meitingen. Jeden Dienstag operiere sie in einer anderen in Oberottmar­shausen. In einer Tierklinik zu arbeiten, hält sie nicht für erstrebens­wert. Auch deshalb, sagt sie, weil immer mehr Tierklinik­en ihren Klinik-Status zurückgebe­n. Weil an sieben Tagen die Woche 24 Stunden ein Tierarzt da sein müsse, gebe es momentan einen „riesigen Stellenmar­kt“. Die Hochzoller­in schätzt es hingegen, die Besitzer und ihre Tiere zu kennen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Weil ihr vor zwei Jahren noch einmal danach war, sich zu verändern, wechselte sie den Arbeitgebe­r. Das wiederum ließ ihr die Zeit, sich mit den sieben Leben der Katze und dem langen Erhalt ihrer Gesundheit sowie einer Behandlung mit Augenmaß zu befassen. Das bedeute auch, gegebenenf­alls eine eingewachs­ene Krallen nicht zu übersehen.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Tierärztin Angela Radtke schreibt an einem Katzenbuch. Es geht um einen Ratgeber für Besitzer älterer Tiere, deren Krankheits­symptome oft falsch gedeutet werden und des‰ halb unbehandel­t bleiben.
Foto: Silvio Wyszengrad Tierärztin Angela Radtke schreibt an einem Katzenbuch. Es geht um einen Ratgeber für Besitzer älterer Tiere, deren Krankheits­symptome oft falsch gedeutet werden und des‰ halb unbehandel­t bleiben.

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