Die Lufthansa will den Staat schnell loswerden
Carsten Spohr macht Druck. Noch bevor eine neue Bundesregierung ihr Amt antritt, will der Konzernchef die Formalitäten zur Auszahlung des Bundes geklärt haben. Der Moment für die Kapitalerhöhung ist günstig
Frankfurt/Main Der Absturz ist gestoppt, viel Ballast abgeworfen. Nun soll eine Kapitalerhöhung von rund 2,1 Milliarden Euro der Lufthansa helfen, wieder Höhe zu gewinnen. Mit der Maßnahme will der Konzernvorstand um CEO Carsten Spohr die stillen Einlagen des Bundes loswerden. Denn solange der Konzern auf Staatsgeld angewiesen ist, unterliegt er deutlichen Beschränkungen. „Bonus-Zahlungen für Manager, Dividenden für Aktionäre, Zukäufe – all das ist kaum zu machen, solange das Unternehmen auf Staatsgeld angewiesen ist“, erklärt DZ-Bank-Analyst Dirk Schlamp im Gespräch mit unserer Redaktion die Zusammenhänge.
Um den Konzern nach Ausbruch der Corona-Krise zu retten, hat der Bund über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesrepublik Deutschland (WSF) viel Geld in das Unternehmen gesteckt. Offen sind noch eine stille Einlage in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, die mit dem Geld aus der Kapitalerhöhung ausgezahlt werden soll. Dazu kommt eine weitere stille Beteiligung II in Höhe von einer Milliarde Euro. Auch dieses Geld soll bis Ende des
Jahres komplett zurückgezahlt werden. Weitere Reserven, die bereits genehmigt sind, aber nicht in Anspruch genommen wurden, sollen ebenfalls gekündigt werden.
„Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir das Stabilitätspaket nur so lange in Anspruch nehmen werden, wie es notwendig ist. Wir sind daher stolz darauf, dass wir unser Versprechen nun einlösen und die Maßnahmen schneller zurückzahlen können als ursprünglich erwartet“, hat Spohr zu den Plänen gesagt. Im Rahmen der LufthansaRettung hat der WSF aber nicht nur Eigenkapital bereitgestellt, sondern auch 20 Prozent des Unternehmens übernommen. Diese Beteiligung wurde mittlerweile auf rund 16 Prozent zurückgefahren. Ob der WSF sich an der Kapitalerhöhung beteiligt, soll erst nach Abschluss der Maßnahme bekannt gegeben werden. Falls er die neuen Aktien kauft, die zu einem Preis von 3,58 Euro angeboten werden, soll der WSF frühestens ein halbes Jahr später weitere Aktien verkaufen können. Spätestens in zwei Jahren soll der WSF dann aber komplett aus dem Unternehmen raus sein.
„Ich denke, bei der Lufthansa wollte man auf der sicheren Seite sein, weil man nicht weiß, welche Regierung aus den Bundestagswahlen hervorgeht und wie sich diese dann verhält“, erklärt Branchenexperte Schlamp die Strategie des Unternehmens. Zudem kosteten die stillen Einlagen des Staates Geld – Geld, das sich der Konzern derzeit auf den Kapitalmärkten deutlich billiger verschaffen kann. Auch einen KfW-Kredit über eine Milliarde Euro hat die Lufthansa bereits zurückgezahlt.
Ein Konsortium von 14 Banken garantiert dem Konzern den Zufluss der Mittel. Für jede Lufthansa-Aktie bekommen Anteilseigner eine weitere zum festgelegten Zeichnungspreis angeboten. Die Bezugsfrist beginnt voraussichtlich am Mittwoch dieser Woche und endet am 5. Oktober. Erstmals gehandelt werden sollen die neuen Papiere, die mit den gleichen Stimmrechten hinterlegt sind wie die Stammaktien, am 11. Oktober.
Neben der Bundestagswahl waren es wohl auch die wirtschaftlichen Zahlen, die Konzernchef Spohr nun ein Fenster für die Maßnahme geöffnet haben. Inzwischen bieten alle Airlines des Konzerns zusammen wieder mehr als die Hälfte der Vorkrisenkapazität an. Im dritten Quartal wurde operativ wieder
Geld verdient. Im August lag die Auslastung bei ermutigenden 70 Prozent. Auch die aktuellen Buchungszahlen deuteten auf eine Erholung hin, teilte die Lufthansa mit. Bei der Langstrecke wartet man zwar weiterhin auf eine Aufhebung des Reisebanns in die USA. Aber Kanada und Singapur erlauben seit September geimpften Passagieren aus Europa wieder die Einreise. Über allem steht zudem der herausragende Erfolg des Frachtverkehrs. Gerade auf der Langstrecke profitiert dieser vom Wegfall der Zuladungsmöglichkeiten bei Passagiermaschinen.
Doch nicht nur die Lufthansa richtet den Blick wieder nach vorn. Auch auf den beiden größten deutschen Flughäfen herrscht wieder mehr Verkehr. Während der Frankfurter Flughafen im vergangenen Jahr noch um jeden Fluggast kämpfen musste, zählte er im Juni rund 1,8 Millionen Passagiere, ein Zuwachs von fast 200 Prozent bezogen auf das Krisenjahr 2020. Der Juli war mit 2,8 Millionen Fluggästen der diesjährige Spitzenreiter. In München knackte die Zahl der Fluggäste im August ebenfalls die 1,8-Millionen-Marke – ein Anstieg von über 108 Prozent im Vergleich zu 2020.