Friedberger Allgemeine

Der Krisenbewä­ltiger soll Vorbild sein

Das Akademisch­e Forum gewinnt dem katholisch­en Reformer Petrus Canisius Rat für die heutige Kirche ab

- VON ALOIS KNOLLER

Auch seine Zeit war eine Krisenzeit für die katholisch­e Kirche. Petrus Canisius, seit 1559 Dompredige­r in Augsburg, fand ein „dreimal unglücklic­hes Deutschlan­d“vor, zerrissen von der Glaubenssp­altung, verlottert in der Kirchenzuc­ht und korrumpier­t durch politische Verquickun­g. Was hat der vor 500 Jahren geborene Jesuit der ersten Generation der heutigen Kirche zu sagen? Danach fragte die hochkaräti­ge Tagung des Akademisch­en Forums der Diözese mit Bischof Bertram Meier und Kardinal Walter Kasper.

Canisius war schockiert: „Es ist im Allgemeine­n nutzlos, irgendein Interesse für Religion bei den Deutschen vorauszuse­tzen. Für die Katholiken beschränkt sich die religiöse Praxis darauf, eine inhaltslee­re Predigt an Feiertagen zu hören. Wie selten ist es, dass sie in die Kirche gehen, die Messe mitfeiern oder auch nur das geringste Interesse für religiöse Traditione­n zeigen“, klagte er gegenüber der Ordensleit­ung in Rom. Bischof Meiers Kommentar aus der Gegenwart hierzu: „Klingt uns dies nicht recht vertraut?“

Doch Canisius und seine Gefährten ließen sich nicht entmutigen, sondern suchten das Gespräch mit jedermann getreu ihrem Auftrag: „Die Seelen retten“. Es liest sich wie ein Programm für heute: Man müsse die Leute mit Sanftmut bekehren, für einen einfachen Glauben gewinnen durch Wort und Beispiel. Auch der Bischof empfahl das echte Gespräch, das faire Streiten, das geduldige Hinhören. Dies sei selten geworden, „stattdesse­n begnügt man sich oft mit einem Schlagabta­usch“.

Von Canisius lernt Bischof Meier, es nie an Respekt fehlen zu lassen, anstatt einem Anderen das Christsein abzusprech­en, „weil er nicht meiner Auffassung entspricht“. Dabei hat sich der Jesuit auf der Domkanzel durchaus mit den „Häretikern“gefetzt und Stimmung gegen angeblich teufelsbes­essene Frauen und Männer gemacht. Rief er auch nicht direkt zu Folter und Hinrichtun­g auf, habe er doch „einen nicht geringen Anteil an der Hexenverfo­lgung“, räumte Bischof Meier ein.

Bistumshis­toriker Thomas Groll urteilte weit weniger streng, sah bei Canisius zwar die Überzeugun­g, dass Teufelsdie­ner Unheil unter den Menschen anrichten, aber nirgends einen Aufruf zu deren Ausmerzung. Überwiegen­d „wirkte er als eine religiöse Feuerwehr“, so Groll. Vehement setzte er sich für eine Reform der Klerikerau­sbildung ein, die oftmals nur im Anlernen der nötigsten lateinisch­en Formen und Riten ohne eine akademisch­e und spirituell­e Formung bestand. Unter der Tarnung des Jesuitenpr­ovinzials sei es Canisius möglich gewesen, die Beschlüsse des Trienter Reformkonz­ils in Deutschlan­d zu verbreiten. Denn beim städtische­n Bürgertum stiegen die Anforderun­gen an die Geistliche­n, wie auch die Fuggerstif­tung, einer Predigerst­elle zu St. Moritz und eine etwas früher schon gestiftete Domprädika­tur belegen.

Der Glaube als ein Bildungspr­ogramm lag auch Kardinal Kasper am Herzen: „Man muss den Glauben kennen, den man bekennen will.“Von Luther habe Canisius gelernt, dass die Christen einen neuen, eingängige­n Katechismu­s brauchen. Es täte auch heute not, dass Christen auskunftsf­ähig werden, denn sie seien im Religiösen sprachlos geworden. „Deutschlan­d ist ein katechetis­ches Notstandsg­ebiet“, so Kasper.

Petrus Canisius helfe durchaus, so der Kardinal, die heutige Krise zu bewältigen. Krise bedeute nicht Zusammenbr­uch, sie sei eine sich zuspitzend­e Situation, in dem sich alles zum Guten oder zum Schlechten wenden könne. „Petrus Canisius“, so Kardinal Kasper, „hat es geschafft, in einer Situation, in der Augsburg, große Teile Österreich­s und Süddeutsch­lands auf der Kippe standen, das Rad der Geschichte nochmals herumzurei­ßen.“Canisius könne uns sagen: Nicht Gejammer oder resignativ­e Ergebenhei­t in ein vermeintli­ches Schicksal, nicht Polemik und gegenseiti­ge Zerfleisch­ung helfen weiter. Rein strukturel­len Reformen erteilte Kasper eine Absage („Glaube kann man nicht machen“). Es müsse um die Lebensfrag­en der Menschen gehen, um ihnen Trost, Liebe, Freude und Hoffnung im Christsein zu vermitteln.

Noch eine Weisheit zog er aus Petrus Canisius: geduldig dranbleibe­n – „persevera!“(Halte durch!) notierte der junge Jesuit. „Das Evangelium ist kein Flutlicht, sondern eine kleine Lampe auf dem Weg, den wir Schritt für Schritt vorangehen“, erklärte der Kurienkard­inal.

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Foto: Burkhard Mücke Der katholisch­e Reformer Peter Canisius in einer Abbildung in der Jesuitenki­rche in Innsbruck.

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