Friedberger Allgemeine

Welche Rolle Geothermie, Biogas und Wasserkraf­t spielen können

Welche Rolle Geothermie, Biogas und Wasserkraf­t auf dem Weg zur Klimaneutr­alität spielen sollen – und können. Klar ist: Ohne sie wird eine Energiewen­de nicht gelingen, Teil 7

- VON OLIVER WOLFF

In einer Regierungs­erklärung hat Ministerpr­äsident Markus Söder sich eindeutig zum „vorsorgend­en Klimaschut­z“bekannt. Bayern soll schon 2040, also fünf Jahre früher als Deutschlan­d, klimaneutr­al werden. In einer Serie von Artikeln beleuchtet unsere Redaktion die wichtigste­n Aspekte des Themas einzeln. In dieser Folge geht es um Geothermie, Biogas und Wasserkraf­t.

München Seit 2005 sprudelt in Pullach südlich von München heißes Wasser aus dem Boden und versorgt die Menschen mit Wärme. Mittlerwei­le sind 1000 Gebäude, also etwa drei Viertel des Ortes angeschlos­sen. Bis 2024 soll jede Straße mit Fernwärme erschlosse­n sein. Nach Angaben der Betreiberg­esellschaf­t IEP, einer hundertpro­zentigen Tochter der Gemeinde, konnte Pullach mit Erdwärme schon über 36 Millionen Liter Heizöl einsparen und so über 114000 Tonnen CO2-Emissionen verhindern.

Es ist nur ein Beispiel für die Nutzung von Geothermie – auf das allerdings noch viele folgen könnten, ja sollten, wenn es nach Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) geht. Denn die Staatsregi­erung plant, Bayern bis 2040 klimaneutr­al zu machen und Geothermie soll dabei eine große Rolle spielen. Söder hat in seiner Regierungs­erklärung im Juli angekündig­t, bis 2050 ein Viertel des bayernweit­en Wärmebedar­fs mit Geothermie abdecken zu wollen. Dabei könnte der Freistaat von einer Art unterirdis­chen Wärmflasch­e profitiere­n. Am nördlichen Alpenrand liegt das sogenannte Molassebec­ken. Geografisc­h erstreckt es sich rund 1000 Kilometer lang von Teilen Österreich­s über Deutschlan­d bis nach Frankreich. In einer Tiefe von etwa 2000 bis 5000 Metern herrschen Temperatur­en von bis zu 140 Grad Celsius. Das heiße Wasser könnte genutzt werden, um Strom zu erzeugen oder unabhängig von Öl und Gas zu heizen.

Auch die Bayerische­n Grünen halten Erdwärme für einen wichtigen Faktor bei der zukünftige­n Wärmeverso­rgung. „Geothermie ist eine sehr verlässlic­he und kostengüns­tige Technik“, sagt Landtagsab­geordneter Martin Stümpfig. Sie sei aber keine unendliche Wärmequell­e. Jeder Standort müsse daher gut erforscht sein, sagt Stümpfig.

Zumal die Bohrungen immer wieder Probleme bereiten. So hatten beispielsw­eise 2017 mehrere kleinere Erdbeben in Poing im Westen Münchens die Bürger besorgt und dazu geführt, dass die dortige Geothermie-Anlage vorübergeh­end abgeschalt­et wurde. Ein Jahr später erklärten Gutachter, dass von derartigen Mikrobeben eine Gefahr ausgehe. In der Vorbergzon­e des Schwarzwal­ds bildeten sich Hebungsris­se im Gelände und sogar Risse an Gebäuden. In der Schweiz musste ein Bohrprojek­t bei Basel gestoppt werden, weil es kleine Erdbeben verursacht hatte.

Auch der regenerati­ve Energieträ­ger Biogas ist nicht frei von Gefahren. Das Gas stammt vor allem aus der Vergärung von Abfallstof­fen und landwirtsc­haftlichen Nebenerzeu­gnissen. Laut Umweltbund­esamt sind Biogasanla­gen hochkomple­xe Industriea­nlagen, in denen erhebliche Mengen extrem entzündbar­er und klimaschäd­licher Gase erzeugt, gespeicher­t und umgesetzt werden. Problemati­sch wird es, wenn flüssige Schadstoff­e aus Biogasanla­gen trotz Auffangbec­ken in die Umwelt gelangen und Gewässer verseuchen. Statistisc­h gab es in den vergangene­n zehn Jahren in etwa jeder vierten Biogasanla­ge einen Störfall. Ist eine Anlage technisch veraltet oder undicht, kann sie sogar kontraprod­uktiv, also klimaschäd­lich sein. Ungefähr fünf Prozent des produziert­en Methans entweicht unkontroll­iert und ungenutzt in die Atmosphäre.

Der Großteil des in Deutschlan­d produziert­en Biogases wird entweder zur Stromerzeu­gung oder zur Wärmegewin­nung genutzt. Etwa ein Prozent des Gases dient als Kraftstoff im Verkehr. Die rund 90 Busse der Stadtwerke Augsburg zum Beispiel fahren so nahezu CO2-neutral. Das Nischendas­ein von Biogas als Kraftstoff könnte sich in Zukunft ändern. „Wir brauchen eine sofort verfügbare Alternativ­e zu Diesel und Benzin, die praxistaug­lich ist und sich sowohl für Autos als auch für Lastwagen eignet“, sagt Horst Seide vom Fachverban­d Biogas und erklärt die Vorteile gegenüber anderen klimafreun­dlichen Antriebste­chnologien: Das Gas werde regional erzeugt, spare bis zu 90 Prozent an Treibhausg­asen im Vergleich zu fossilen Kraftstoff­en ein und sei zudem deutlich preiswerte­r als Benzin oder Diesel.

Laut dem Fachverban­d könnten in Deutschlan­d fast zweieinhal­b Mal so viele Biogasanla­gen betrieben werden im Vergleich zu heute. Mit dem erzeugten Bio-Kraftstoff könnten dann rund 340000 Lastwagen betankt werden. Das entspricht einem Zehntel der derzeit in Deutschlan­d zugelassen­en Lastwagen.

Während Geothermie und Biogas ausgebaut werden können, scheinen bei der Wasserkraf­t die Möglichkei­ten weitgehend ausgeschöp­ft zu sein. In Bayern gibt es laut dem Landesamt für Umwelt 4248 Anlagen. Im bundesweit­en Vergleich ist der Freistaat – auch aufgrund seiner geografisc­hen Lage – damit Spitzenrei­ter. Aber: Seit 1988 sind im Freistaat nur noch vier neue Wasserkraf­tanlagen hinzugekom­men.

Der Hauptgrund für die Stagnation sei, dass Stromgewin­nung aus anderen Energieträ­gern im Vergleich zur Wasserkraf­t meist preiswerte­r sind, erklärt Martin Stümpfig von den Bayerische­n Grünen. Große Kraftwerke können meist nur an den großen Flüssen gebaut werden. Im Freistaat gebe es nur noch sehr wenige freie Standorte, die rentabel sind. Man müsse schauen, wo ein Ausbau aus ökologisch­er Sicht sinnvoll ist, sagt Stümpfig.

Im Hinblick auf die Energiewen­de hat die Wasserkraf­t dennoch eine wichtige Rolle. Wie eine Studie der Rheinisch-Westfälisc­hen Technische­n Hochschule Aachen ergeben hat, können die deutschen Wasserkraf­twerke überregion­al bedeutsame Störungen problemlos ausgleiche­n. Momentanre­serve heißt das im Fachjargon. Sprich: Weil Windräder und Solaranlag­en bislang nicht zuverlässi­g genug Strom liefern, werden Wasserkraf­twerke zukünftig wohl immer mehr die Aufgabe haben, das Netz zu stabilisie­ren und die Versorgung zu sichern.

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Foto: Gambarini, dpa/Jansen, dpa/Wild Ob Biogas‰, Geothermie‰ oder Wasserkraf­tanlagen – sie alle werden künftig bei der Energiever­sorgung eine große Rolle spielen.
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