Welche Rolle Geothermie, Biogas und Wasserkraft spielen können
Welche Rolle Geothermie, Biogas und Wasserkraft auf dem Weg zur Klimaneutralität spielen sollen – und können. Klar ist: Ohne sie wird eine Energiewende nicht gelingen, Teil 7
In einer Regierungserklärung hat Ministerpräsident Markus Söder sich eindeutig zum „vorsorgenden Klimaschutz“bekannt. Bayern soll schon 2040, also fünf Jahre früher als Deutschland, klimaneutral werden. In einer Serie von Artikeln beleuchtet unsere Redaktion die wichtigsten Aspekte des Themas einzeln. In dieser Folge geht es um Geothermie, Biogas und Wasserkraft.
München Seit 2005 sprudelt in Pullach südlich von München heißes Wasser aus dem Boden und versorgt die Menschen mit Wärme. Mittlerweile sind 1000 Gebäude, also etwa drei Viertel des Ortes angeschlossen. Bis 2024 soll jede Straße mit Fernwärme erschlossen sein. Nach Angaben der Betreibergesellschaft IEP, einer hundertprozentigen Tochter der Gemeinde, konnte Pullach mit Erdwärme schon über 36 Millionen Liter Heizöl einsparen und so über 114000 Tonnen CO2-Emissionen verhindern.
Es ist nur ein Beispiel für die Nutzung von Geothermie – auf das allerdings noch viele folgen könnten, ja sollten, wenn es nach Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geht. Denn die Staatsregierung plant, Bayern bis 2040 klimaneutral zu machen und Geothermie soll dabei eine große Rolle spielen. Söder hat in seiner Regierungserklärung im Juli angekündigt, bis 2050 ein Viertel des bayernweiten Wärmebedarfs mit Geothermie abdecken zu wollen. Dabei könnte der Freistaat von einer Art unterirdischen Wärmflasche profitieren. Am nördlichen Alpenrand liegt das sogenannte Molassebecken. Geografisch erstreckt es sich rund 1000 Kilometer lang von Teilen Österreichs über Deutschland bis nach Frankreich. In einer Tiefe von etwa 2000 bis 5000 Metern herrschen Temperaturen von bis zu 140 Grad Celsius. Das heiße Wasser könnte genutzt werden, um Strom zu erzeugen oder unabhängig von Öl und Gas zu heizen.
Auch die Bayerischen Grünen halten Erdwärme für einen wichtigen Faktor bei der zukünftigen Wärmeversorgung. „Geothermie ist eine sehr verlässliche und kostengünstige Technik“, sagt Landtagsabgeordneter Martin Stümpfig. Sie sei aber keine unendliche Wärmequelle. Jeder Standort müsse daher gut erforscht sein, sagt Stümpfig.
Zumal die Bohrungen immer wieder Probleme bereiten. So hatten beispielsweise 2017 mehrere kleinere Erdbeben in Poing im Westen Münchens die Bürger besorgt und dazu geführt, dass die dortige Geothermie-Anlage vorübergehend abgeschaltet wurde. Ein Jahr später erklärten Gutachter, dass von derartigen Mikrobeben eine Gefahr ausgehe. In der Vorbergzone des Schwarzwalds bildeten sich Hebungsrisse im Gelände und sogar Risse an Gebäuden. In der Schweiz musste ein Bohrprojekt bei Basel gestoppt werden, weil es kleine Erdbeben verursacht hatte.
Auch der regenerative Energieträger Biogas ist nicht frei von Gefahren. Das Gas stammt vor allem aus der Vergärung von Abfallstoffen und landwirtschaftlichen Nebenerzeugnissen. Laut Umweltbundesamt sind Biogasanlagen hochkomplexe Industrieanlagen, in denen erhebliche Mengen extrem entzündbarer und klimaschädlicher Gase erzeugt, gespeichert und umgesetzt werden. Problematisch wird es, wenn flüssige Schadstoffe aus Biogasanlagen trotz Auffangbecken in die Umwelt gelangen und Gewässer verseuchen. Statistisch gab es in den vergangenen zehn Jahren in etwa jeder vierten Biogasanlage einen Störfall. Ist eine Anlage technisch veraltet oder undicht, kann sie sogar kontraproduktiv, also klimaschädlich sein. Ungefähr fünf Prozent des produzierten Methans entweicht unkontrolliert und ungenutzt in die Atmosphäre.
Der Großteil des in Deutschland produzierten Biogases wird entweder zur Stromerzeugung oder zur Wärmegewinnung genutzt. Etwa ein Prozent des Gases dient als Kraftstoff im Verkehr. Die rund 90 Busse der Stadtwerke Augsburg zum Beispiel fahren so nahezu CO2-neutral. Das Nischendasein von Biogas als Kraftstoff könnte sich in Zukunft ändern. „Wir brauchen eine sofort verfügbare Alternative zu Diesel und Benzin, die praxistauglich ist und sich sowohl für Autos als auch für Lastwagen eignet“, sagt Horst Seide vom Fachverband Biogas und erklärt die Vorteile gegenüber anderen klimafreundlichen Antriebstechnologien: Das Gas werde regional erzeugt, spare bis zu 90 Prozent an Treibhausgasen im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen ein und sei zudem deutlich preiswerter als Benzin oder Diesel.
Laut dem Fachverband könnten in Deutschland fast zweieinhalb Mal so viele Biogasanlagen betrieben werden im Vergleich zu heute. Mit dem erzeugten Bio-Kraftstoff könnten dann rund 340000 Lastwagen betankt werden. Das entspricht einem Zehntel der derzeit in Deutschland zugelassenen Lastwagen.
Während Geothermie und Biogas ausgebaut werden können, scheinen bei der Wasserkraft die Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft zu sein. In Bayern gibt es laut dem Landesamt für Umwelt 4248 Anlagen. Im bundesweiten Vergleich ist der Freistaat – auch aufgrund seiner geografischen Lage – damit Spitzenreiter. Aber: Seit 1988 sind im Freistaat nur noch vier neue Wasserkraftanlagen hinzugekommen.
Der Hauptgrund für die Stagnation sei, dass Stromgewinnung aus anderen Energieträgern im Vergleich zur Wasserkraft meist preiswerter sind, erklärt Martin Stümpfig von den Bayerischen Grünen. Große Kraftwerke können meist nur an den großen Flüssen gebaut werden. Im Freistaat gebe es nur noch sehr wenige freie Standorte, die rentabel sind. Man müsse schauen, wo ein Ausbau aus ökologischer Sicht sinnvoll ist, sagt Stümpfig.
Im Hinblick auf die Energiewende hat die Wasserkraft dennoch eine wichtige Rolle. Wie eine Studie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen ergeben hat, können die deutschen Wasserkraftwerke überregional bedeutsame Störungen problemlos ausgleichen. Momentanreserve heißt das im Fachjargon. Sprich: Weil Windräder und Solaranlagen bislang nicht zuverlässig genug Strom liefern, werden Wasserkraftwerke zukünftig wohl immer mehr die Aufgabe haben, das Netz zu stabilisieren und die Versorgung zu sichern.