Friedberger Allgemeine

Starke AfD im Osten

Welche Bedeutung die Stimmantei­le für die Regierungs­bildung haben könnten

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Berlin Der große Zulauf für die AfD in Ostdeutsch­land erklärt sich aus Sicht des Meinungsfo­rschers Matthias Jung auch mit wirtschaft­lichen Interessen. Es gehe „natürlich auch darum, dass man mit Protestwah­lverhalten höhere Zuweisunge­n für Ostdeutsch­land bekommen will, ebenso wie eine schnellere Anpassung der Löhne oder Renten“, sagte der Vorstand der Forschungs­gruppe Wahlen. Solche taktischen Protestwäh­ler gebe es neben den AfD-Anhängern mit „geschlosse­n rechtsradi­kalem Weltbild“. Laut Umfragen könnte die AfD bei der Bundestags­wahl am Sonntag in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt stärkste Partei werden.

Bundesweit lag die AfD zuletzt bei etwa elf Prozent – zum Beispiel in Sachsen aber bei 26 Prozent. Obwohl keine andere Partei im Bundestag mit der AfD zusammenar­beiten will, sei deren Stimmantei­l bedeutsam, sagte Jung. „Denn er beschränkt die Koalitions­fähigkeit der übrigen Parteien.“

Der Dresdner Politikwis­senschaftl­er Hans Vorländer erwartet, dass die Stärke der AfD in Ostdeutsch­land von Dauer ist. „Die AfD hat sich auch organisato­risch in einzelnen Milieus und Gruppen festgesetz­t, auch in Betrieben“, sagte der Professor der TU Dresden. „Das ist ein Stamm, auf den sie zurückgrei­fen kann. Und sie kann ihn erweitern, wenn bestimmte Themen

besonders stark werden.“Die Partei sei auch unter jungen Leuten gefragt. „Da wachsen neue Wähler nach“, sagte der Experte.

Die übrigen Parteien könnten nur kontern, wenn sie sich ebenfalls in der Mitte der Gesellscha­ft als Kümmerer präsentier­ten. „Viele haben ja Angst, dahin zu gehen, weil sie fürchten, mit Hass und Häme überzogen und auf der Straße angeschrie­n zu werden“, sagte Vorländer. Die deutlich verbessert­en Umfragewer­te der SPD in mehreren ostdeutsch­en Bundesländ­ern erklärt der Politologe so: „Das liegt an Kanzlerkan­didat Olaf Scholz, der sie nach oben zieht.“Zugleich schwäche Unions-Kandidat Armin Laschet die CDU. „Was bei der SPD der Scholz-Bonus ist, ist bei der CDU der Laschet-Malus.“Wähler im Osten orientiert­en sich mangels fester Parteistru­kturen noch stärker an Personen, und Scholz stehe für die „Kontinuitä­t des Bewährten“.

Beide Experten sagten, die Bundestags­wahl werde zwar nicht in den fünf ostdeutsch­en Ländern entschiede­n – dort leben nur etwa zehn der 60,4 Millionen deutschen Wahlberech­tigten. Doch könnten dort entscheide­nde Stimmen verloren gehen, wenn der Wahlausgan­g knapp wird. „Die Bundestags­wahl wird nicht im Osten gewonnen, aber verloren, wenn es an der einen oder anderen Stelle an Prozenten mangelt“, sagte Vorländer.

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