Friedberger Allgemeine

Briten horten schon den Braten fürs Weihnachts­fest

Wie der Anstieg der Gaspreise auf Umwegen dafür sorgt, dass in den Supermärkt­en Fleisch und Getränke knapp werden

- VON SUSANNE EBNER

London Wenn man dieser Tage durch die Straßen Londons streift, scheint der Winter noch in weiter Ferne. Ungewöhnli­ch für die britische Insel liegen die Temperatur­en bei spätsommer­lichen 25 Grad. Dennoch machen sich die Menschen im Vereinigte­n Königreich schon jetzt Sorgen um Weihnachte­n. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen der aktuellen Probleme bei der Versorgung mit Lebensmitt­eln.

Denn insbesonde­re aufgrund des massiven Mangels an Lkw-Fahrern als Folge der Pandemie und durch neue Visa-Regelungen im Zusammenha­ng mit dem zum Jahreswech­sel vollzogene­n Brexit brauchen Waren oft viel länger, um auf die Insel geliefert zu werden – oder aber sie kommen überhaupt nicht an. Statistike­n zufolge hat knapp die Hälfte aller Britinnen und Briten bereits begonnen, Weihnachts­geschenke zu kaufen. Nach dem Motto: Was man hat, hat man.

Nun gibt es allerdings noch ein weiteres Problem: Aufgrund gestiegene­r Gaspreise im Königreich mussten die zwei größten Hersteller von Düngemitte­ln auf der Insel ihre Produktion einstellen. Was zunächst nicht allzu dramatisch klingt, hat allerdings weitreiche­nde Folgen für die ganze Gesellscha­ft. Denn diese beiden Unternehme­n sind gleichzeit­ig die wichtigste­n Produzente­n einer chemischen Verbindung, die vor allem dafür bekannt ist, dem Klima zu schaden: Die Rede ist von CO2.

Trotz seines schlechten Rufes spielt industriel­l hergestell­tes CO2 in der Lebensmitt­elprodukti­on eine wichtige Rolle. So wird es beispielsw­eise benötigt, um Fleisch haltbar zu machen, aber man braucht es auch zur Produktion von kohlensäur­ehaltigen Getränken. Darüber hinaus wird es als Kühlmittel eingesetzt und spielt deshalb auch für die Corona-Impfkampag­ne eine wichtige Rolle. Das Problem ist allerdings: Man kann CO2 nicht lange lagern.

Dementspre­chend spitzte sich die Lage in Großbritan­nien innerhalb von kürzester Zeit zu. Nur noch zwei Tage würden die Vorräte an Kohlenstof­fdioxid reichen, warnten Vertreter der britischen Lebensmitt­elindustri­e zu Beginn dieser Woche. Die Folge: Die Menschen strömten in die Geschäfte. Die Auswahl in den Supermärkt­en wurde kleiner und kleiner, manche Regale blieben am Ende sogar leer. Nicht nur bei Mineralwas­ser, Cola oder Fanta. Sondern auch beim Fleisch. Etliche Verbrauche­r haben sich den Braten zum Fest schon gesichert – und zu Hause eingefrore­n.

Die Menschen sind verärgert, die Regierung steht unter Druck – und so verkündete George Eustice, Minister für Umwelt, Ernährung und Landwirtsc­haft, am Mittwoch, dass man mehrere Millionen Pfund in die Hand nehmen werde, um die beiden düngemitte­lherstelle­nden Unternehme­n wieder in Betrieb nehmen zu können. Während diese Finanzspri­tze die Steuerzahl­er belasten wird, sind die Bauern im Land sichtlich erleichter­t: „Ich bin wirklich sehr froh, dass da nun etwas passiert“, sagte Furgos Howie, ein Farmer aus Essex, einer Grafschaft nordöstlic­h von London. Denn ohne die Unterstütz­ung durch den Staat wäre sein Fleisch wohl schlecht geworden, weil er es nicht mehr hätte kühlen können.

Was bleibt, sind die hohen Gaspreise. Verbrauche­r müssen damit rechnen, dass ihre Energiekos­ten pro Haushalt im Schnitt jährlich um umgerechne­t mindestens 158 Euro steigen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Der letzte Winter war sehr kalt, deshalb ist die Nachfrage nach Gas weltweit gestiegen. Außerdem wurde zuletzt im „Flautesomm­er“in Großbritan­nien weniger Windkraft produziert. Die Lage wird dadurch verschärft, dass, anders als etwa in Deutschlan­d, die meisten Menschen Gas zum Kochen und zum Heizen nutzen.

Jonathan Brearley, Leiter der Behörde für den Gas- und Elektrizit­ätsmarkt, räumte ein, dass in den nächsten Monaten wohl weitere energielie­fernde Unternehme­n schließen werden. Angst, dass in Großbritan­nien die Lichter ausgehen, müssten Verbrauche­r aber nicht haben, betonte der britische Energiemin­ister Kwasi Kwarteng: „Es wird keine Drei-Tage-Woche geben und auch keinen Rückfall in die 70er Jahre.“

Minister zerstört Sorge vor „Drei‰Tage‰Woche“

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Foto: dpa Leere Regale bei Getränken – so sieht es derzeit in vielen Supermärkt­en in Gro߉ britannien aus.

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