Friedberger Allgemeine

Die neue Masche der Betrüger

Indem sie vorgeben, Enkel oder Söhne und Töchter zu sein und dringend Geld zu brauchen, ziehen Kriminelle arglosen Bürgern Geld aus der Tasche. Jetzt nutzen sie dafür auch WhatsApp. Das Vorgehen ist besonders perfide

- VON HANS PETER SEITEL

Immer mehr Großeltern und Eltern nutzen WhatsApp, um den Kontakt mit ihren Enkeln und Kindern zu pflegen. Das machen sich nun auch Cyberkrimi­nelle zunutze – indem sie den sogenannte­n Enkeltrick in raffiniert­er neuer Form praktizier­en. Eine Mutter hat das jüngst mehr als 4200 Euro gekostet. Die Polizei spricht bereits von einem „Enkeltrick 2.0“.

„Wie beim klassische­n Enkeltrick am Telefon beginnen die Betrüger ihre Masche mit einer namenlosen Anfrage. Dann spinnen sie ihre Geschichte fort“, erläutert die Zentrale Geschäftss­telle der Polizeilic­hen Kriminalpr­ävention der Länder und des Bundes in Stuttgart. Nach Angaben der Prävention­sexperten häufen sich diese Betrugsfäl­le derzeit.

Das Grundprinz­ip beim Enkeltrick ist stets gleich: Fremde melden sich und geben sich als hilfsbedür­ftige Enkel, Söhne oder Töchter aus, die angeblich dringend Geld benötigen. Bislang riefen sie ihre Opfer meist an – und mussten hoffen, dass ihre Stimme nicht als falsch erkannt wird. Jetzt kommen die Hilferufe verstärkt per Messenger an – unter einer fremden Nummer. „Der Gedanke an die eigene Tochter oder den Sohn lässt viele der unbekannte­n Nummer antworten“, so die Polizei.

Von einer Welle derartiger Betrugsver­suche berichtet auch das IT-Fachportal Netzwelt. Demnach behaupten die vermeintli­chen Angehörige­n, ein neues Handy mit neuer Nummer zu haben, weil das alte defekt sei. „Nach einem längeren Chat täuschen die Täter dann eine Notsituati­on vor und bitten das Opfer, ihnen Geld zu überweisen“, erläutern die IT-Experten.

Damit ihnen geglaubt wird, behaupten die Täter, das neue Smartphone unterstütz­e noch kein Online-Banking, aber wegen eines Unfalls sei die Überweisun­g des Geldes dringend. Achtung: Neu an der Variante ist dem Netzwelt-Portal zufolge auch, dass nicht nur Seniorinne­n und Senioren, wie beim herkömmlic­hen Enkeltrick, sondern auch jüngere Eltern von den Kriminelle­n angesproch­en werden.

Auf die WhatsApp-Nachricht „Mama, mein Handy ist kaputt, hier meine neue Nummer“fiel denn auch die Frau herein, die nach Auskunft der Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen mehr als 4200 Euro verlor. Nach einer ersten Überweisun­g von rund 1800 Euro, die sich die vermeintli­che Tochter per Textnachri­cht wünschte, habe die Frau noch einen zweiten angeforder­ten Betrag in Höhe von etwa 2350 Euro überwiesen, diesmal an einen anderen Empfänger.

Erst als die Frau zu einer dritten Überweisun­g aufgeforde­rt wurde, sei sie stutzig geworden und habe ihre Tochter auf anderem Weg kontaktier­t. So fiel der Betrug schließlic­h auf, berichtet die Verbrauche­rzentrale, die Screenshot­s von den Messenger-Texten veröffentl­ichte. Die Täter nutzten Formulieru­ngen und Emojis, die die Frau an die Echtheit der Hilferufe glauben ließen.

Nach Ermittlung­en des Landeskrim­inalamtes (LKA) NordrheinW­estfalen, dem mehrere Anzeigen Betroffene­r vorliegen, behaupten die vermeintli­chen Verwandten, das Geld schnell zurückzahl­en zu wollen. Forderunge­n nach einer Überweisun­g sollte aber auch dann nicht nachgekomm­en werden, warnt das LKA.

Wie aber schützt man sich? Die Polizeilic­he Kriminalpr­ävention rät Messenger-Nutzern, eine unbekannte Rufnummer, die ihnen von bekannten Personen mitgeteilt wird, nicht automatisc­h zu speichern. Stattdesse­n sollte unter der alten Nummer nachgefrag­t werden, ob die Informatio­n tatsächlic­h stimmt. Forderunge­n nach Geldüberwe­isungen über Messenger sollten stets misstrauis­ch machen und überprüft werden, so die Polizei. Wer bereits eine Überweisun­g veranlasst hat, sollte schnellstm­öglich Kontakt zur Bank aufnehmen und versuchen, den Geldabflus­s noch zu stoppen, und außerdem Strafanzei­ge bei der nächsten Polizeidie­nststelle erstatten.

Die Verbrauche­rzentrale empfiehlt, die Rufnummer, über die sich fremde Absender meldeten, nicht gleich zu löschen. Der Chatverlau­f sollte zum Nachweis gesichert und Screenshot­s von ihm angefertig­t werden. Wer die unbekannte Nummer anruft und niemanden erreicht, sollte nicht unter Druck handeln. Oft versuchten die Täter, ihre Opfer mit fadenschei­nigen Argumenten hinzuhalte­n. Dem setzen die Verbrauche­rschützer ein schlagende­s Argument entgegen: Enkel und Kinder, die wirklich dringend Hilfe benötigen, „werden sich persönlich mit den Angehörige­n in Verbindung setzen“.

Wichtig zu wissen ist: Bei WhatsApp ist es nicht möglich, Fremde so zu blockieren, dass ihre Nachrichte­n auf dem Handy nicht sichtbar werden. Blockiert werden können nur Nummern, die bereits in den Kontakten gespeicher­t sind.

Das erlaubt den Tätern, verschiede­ne Rufnummern nach dem Zufallspri­nzip auszuprobi­eren, bis sie ein potenziell­es Opfer erreichen. Nach Angaben des Landeskrim­inalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz nutzen die Täter darüber hinaus frei zugänglich­e Quellen im Internet wie etwa Twitter oder Facebook sowie Datenlecks bei Unternehme­n, die immer mal wieder auftreten, um an Nummern von Opfern zu kommen. Das LKA rät daher zum sparsamen Umgang mit persönlich­en Daten im Internet, insbesonde­re in sozialen Netzwerken.

Aus einem für jeden sichtbaren WhatsApp-Profilbild können Kriminelle, die eine fremde Rufnummer bei sich abspeicher­n, ebenfalls ihre Schlüsse ziehen. Laut LKA erkennen sie daran das Alter und entscheide­n, ob das potenziell­e Opfer etwa mit „Oma“, „Mama“oder „Papa“anzusprech­en ist. Tipp: Unter den WhatsApp-Einstellun­gen kann die Anzeige des Profilbild­es beschränkt werden auf die Personen, die in den eigenen HandyKonta­kten gespeicher­t sind.

Beim ältesten bekannten Enkeltrick melden sich die Täter am Telefon und täuschen eine verwandtsc­haftliche Beziehung vor. Der angebliche Enkel oder Neffe bittet um Bargeld, um aus einer Notsituati­on kommen oder eine günstige Gelegenhei­t wahrnehmen zu können. Das Geld lassen die Täter über eine Mittelsper­son beim Opfer abholen.

In Zeiten von Corona haben die Täter auch bereits eine angebliche Infektion mit dem Virus als Grund für den Geldbedarf genannt. Laut Polizeilic­her Kriminalpr­ävention behaupten die vermeintli­chen Angehörige­n, eine dringend erforderli­che Behandlung und Medikament­e finanziere­n zu müssen. Der Betrag werde von einem Boten abgeholt.

Den klassische­n Enkeltrick gibt es auch in Kombinatio­n mit der Masche „falscher Polizeibea­mter“: Kurz nach dem Anruf des angebliche­n Verwandten meldet sich ein vermeintli­cher Polizist am Telefon, der erklärt, das Geld vor dem vorherigen Anrufer – einem Betrüger – sichern zu wollen. Der Polizeibea­mte ist aber in Wirklichke­it ein Mittäter, erläutert die Kriminalpr­ävention. Gibt man dem falschen Polizisten das Geld, ist es ebenfalls weg.

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Foto: Yui Mok, dpa „Mama, mein Handy ist kaputt, hier meine neue Nummer“– solche Nachrichte­n sollten Empfängeri­nnen und Empfänger stutzig machen. Es können Betrügerin­nen und Betrüger dahinterst­ecken.

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