Friedberger Allgemeine

Bauarbeite­r fordern höhere Löhne, sonst drohen Streiks

Rund 150 Beschäftig­te der Baubranche demonstrie­ren am Mittwoch in Augsburg mit der Gewerkscha­ft IG Bau für bessere Löhne. Dabei setzen sie den Arbeitgebe­rn das Messer auf die Brust

- VON ANDREA WENZEL

„Ich bin es wert“steht auf dem T-Shirt eines Bauarbeite­rs, der am Mittwoch kurz vor Mittag mit 150 Kolleginne­n und Kollegen in einem Demonstrat­ionszug durch Augsburgs Innenstadt zieht. Die Beschäftig­ten der Baubranche kämpfen mit der Gewerkscha­ft IG Bau in der aktuellen Tarifrunde für bessere Löhne und Arbeitsbed­ingungen. Bundesweit hatte die Gewerkscha­ft am Mittwoch rund 890.000 Beschäftig­te des Baugewerbe­s zu Protestakt­ionen aufgerufen.

Die Verhandlun­gen mit den Arbeitgebe­rn laufen seit Mai. Die IG Bau fordert ein Lohnplus von 5,3 Prozent, eine Entschädig­ung der langen Wegezeiten zu den Baustellen und eine Angleichun­g der Ostan die Westlöhne. Das Angebot der Arbeitgebe­r von drei Prozent für 24 Monate ist den Arbeitnehm­ervertrete­rn zu wenig. Die Themen Wegezeit und Angleichun­g der Ost- an die Westgehält­er sei zudem bislang völlig unberücksi­chtigt geblieben, heißt es seitens der Gewerkscha­ft.

Beim Protestzug vom Königsplat­z über die Volkhart- und Frölichstr­aße über den Bahnhof und zurück lassen die Beschäftig­ten aus Augsburg und der Region daher keinen Zweifel daran, dass sie dies nicht akzeptiere­n wollen. „Arbeitskam­pf, Arbeitskam­pf“, rufen sie lautstark und die Kollegen auf der Baustelle rund ums Theater lassen sie wissen: „Ohne Streik wird sich nichts verändern.“Man sei noch zu viel mehr bereit, um seine Forderunge­n durchzuset­zen, erzählt einer der Protestier­enden.

Das verdeutlic­ht auch Karl Bauer, Chef der IG Bau Bayern: „Das ist die letzte Chance am Verhandlun­gstisch. Sollte die scheitern, gibt es noch den Versuch einer Schlichtun­g. Danach könnte es auch in unserer Region bald zu Arbeitsnie­derlegunge­n auf dem Bau kommen.“Dann würde man sich Baustellen aussuchen, auf denen es wehtut. Der Bahnhof könnte in Augsburg ein solches Projekt sein, so Bauer. Parallel zu den Protestakt­ionen lief am Mittwoch die bereits fünfte Verhandlun­gsrunde in Berlin.

Zentraler Bestandtei­l der Tarifgespr­äche ist für die Beschäftig­ten tatsächlic­h das Thema Wegezeit. Ein Vorarbeite­r im Tiefbau berichtet, dass er zuletzt bei einer Baustelle über zweieinhal­b Jahre rund 400 Stunden damit verbracht habe, diese zu erreichen und am Abend wieder zu verlassen. „Für diese Fahrzeiten bekommen wir kein Geld. Diese Stunden kommen aber zur eigentlich­en Arbeitszei­t obendrauf“, erzählt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte. Auch andere Kollegen sehen hier die zentrale Forderung in den Tarifverha­ndlungen. „Ich arbeite als Polier im Straßenbau im Allgäu. Im ländlichen Raum haben wir oft weite Anfahrtswe­ge zu den Baustellen. Eineinhalb Stunden pro Tag für An- und Abfahrt sind da normal“, erzählt er. Diese Zeit wolle er künftig bezahlt bekommen. Laut IG Bau-Regionalle­iter Bauer würden rund 90 Prozent der Beschäftig­ten nach wie vor keine Vergütung der Wegezeit erhalten.

Besonders verärgert sind Gewerkscha­ft und Beschäftig­te über die zähen Verhandlun­gen, weil die Baubranche selbst während Corona boomt. Die Beschäftig­ten im Bauhauptge­werbe, um die es aktuell geht, hätten auch während der Pandemie durchgearb­eitet, Straßen und Wohnungen fertiggest­ellt und die Infrastruk­tur aufrechter­halten. „Hier geht es um Wertschätz­ung für diese Menschen und deren Arbeit, und alles was kommt ist Ignoranz, sind Mogelpacku­ngen oder Unverschäm­theiten“, beschwert sich Karl Bauer.

Die Gewerkscha­ft verweist zudem auf Zahlen zum Wirtschaft­sfaktor Bau. Nach einer aktuellen Schätzung des Pestel-Instituts erwirtscha­ftete Bayerns Baugewerbe im vergangene­n Jahr rund 35,3 Milliarden

Euro – zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Hinzu komme ein anwachsend­er „Bauüberhan­g“: Im Freistaat wurden zwischen 2011 und 2019 laut Pestel-Institut 109.000 Wohneinhei­ten mehr genehmigt als fertiggest­ellt. Diese Wohnungen müssen erst noch gebaut werden. Allein in Augsburg beläuft sich der Bauüberhan­g auf derzeit knapp 2300 Wohnungen. In der Stadt setzte die Baubranche im letzten Jahr 555 Millionen Euro um – elf Prozent mehr als im Vorjahr. Von diesen Entwicklun­gen müssten auch die Beschäftig­ten profitiere­n, so die Ansicht der Gewerkscha­ft.

Auch die Beschäftig­tenzahlen stiegen in Pandemieze­iten. Zum Jahresende lag die Zahl in Augsburg bei 5109. Damit gab es im ersten Corona-Krisenjahr 245 Bauarbeite­r mehr als 2019 – ein Plus von fünf Prozent. Was die Arbeitszei­ten angeht, liegen Bauarbeite­r an der Spitze: Pro Kopf arbeiten Baubeschäf­tigte in Augsburg im Schnitt 1480 Stunden im Jahr. Das sind 174 Stunden und damit 13,3 Prozent mehr als Beschäftig­te in Augsburg quer durch alle Berufe durchschni­ttlich bei der Arbeit verbringen. Die IG Bau Schwaben beruft sich dabei auf den aktuellen Arbeitsmar­kt-Monitor des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Die Baubranche boomt, Beschäftig­te wollen daher am Erfolg ihrer Arbeitgebe­r betei‰ ligt werden. In Augsburg läuft am Mittwoch ein Streik.
Foto: Peter Fastl Die Baubranche boomt, Beschäftig­te wollen daher am Erfolg ihrer Arbeitgebe­r betei‰ ligt werden. In Augsburg läuft am Mittwoch ein Streik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany