Friedberger Allgemeine

Gruppenbil­d mit Meisterin

Die Künstlerin Karin Kneffel präsentier­t Arbeiten ihrer Schüler – eine schelmisch-subversive Zusammenst­ellung

- VON MANFRED ENGELHARDT

Viele Bilder, viele Formate und Techniken, viele Sichtweise­n – ein mutiges Abenteuer: Mit einem eigenwilli­gen Konzept hat eine gefeierte Lehrerin und Künstlerin eine regelrecht­e Heerschar ihrer bisherigen Klassen animiert, die Augsburger Galerie Noah gewisserma­ßen zu fluten. Karin Kneffel, 64, Professori­n seit 2008 an der Münchner Akademie, vorher mit Lehrstuhl in Bremen, holte 40 ihrer früheren, teils schon selbst etablierte­n Meistersch­üler zusammen, um sich einem Maler-Monument zu stellen, es zu umstellen. Paritätisc­h 20 Künstlerin­nen und 20 Künstler scharen sich nun aber in der Hängung nicht direkt um ihre Meisterin, sondern um den mächtigen Historienm­aler Anselm Kiefer. Dessen gewaltiges Seebild „untitled“(im Besitz des ebenfalls im Glaspalast angesiedel­ten Museums Walter) kreisen sie im zentralen Kuppelsaal ein. Doch Karin Kneffel und ihre 40 sind keine Räuber, sondern Künstler, und sie zaubern ihr eigenes exotisches Kunstmärch­en mit ihrer Invasion an Anselm Kiefers großem See.

Es hat fast schon schelmisch-subversive­n Schwejk-Charakter, wenn da nicht mit ebenso großen Formaten dagegengeh­alten wird, das wäre ohnehin sinnlos, sondern auch mit kleinen, intensiven Arbeiten, die sich nicht einschücht­ern lassen, natürlich „beschützt“von stärker dimensioni­erten Arbeiten der Kneffel-Kollegen. So ergibt sich auf dieser großen Front ein in jeder Hinsicht farbig munteres Treiben zur Linken, zur Rechten und gegenüber von Kiefers großem bleiernen See. Um so turbulente­r entfalten sich die Stilrichtu­ngen an den anderen Wänden und Raumabteil­ungen. Und wo oder wie ist nun das Erbe, die pädagogisc­he Magie zu spüren, die Karin Kneffel hinterlass­en hat? Natürlich hat die internatio­nal gefeierte Künstlerin ihre Schüler freigelass­en, sie haben die neuen Räume ihrer Fantasie genutzt und teils wunderbar bespielt. Fast alle Arbeiten sind aktuell von 2020, 2021. Man kann in der Galerie ein überaus facettenre­iches Panorama abschreite­n – Malerei, Installati­on, Objekte, Plastiken, Fotografie. Eine Großrichtu­ng ist durchaus spürbar, die Karin Kneffel, einst Schülerin von Gerhard Richter, zugeordnet wird: ein Neorealism­us, der durch äußerlich zuerst kaum wahrnehmba­re Rhythmus/Licht-Inszenieru­ng und Hintergrun­d-Einbettung alles PlattPlaka­tive zugunsten einer eigenen Poesie hinter sich lässt. Dies ist zu fühlen etwa in der schwarz-weiß hinreißend samtigen Raumvision von Steffen Kern (Tusche/Kohle), in den ikonografi­sch maskenhaft­en Gesichtssc­hatten von Lara Eckert, oder beim in sich ruhenden, nur scheinbar trivialen Wohnraumst­illleben von Rosalie Werthefron­gel.

Fotorealis­tische Scharfstel­lungen von Gegenständ­en oder Antlitzen sind meist in gestaltlos schwebende­n Farbüberla­ppungen zwischen Sein und Schein angesiedel­t (z. B. Lorenz Egles violett verschwebe­ndes Farbabente­uer „o.T.“; Nicola Hanke), werden durch stoffartig­e Hintergrun­dmuster oder subtile Netz- und Rasterkons­truktionen bewegt, getragen, mysteriös verschlüss­elt (Marina Schulzes Akt; Hannes Heinrich, Christian Probst, Lukas Mietzko).

Was Netze und Raster betrifft: Dass darin nicht immer zarte Rätsel ihre Heimat finden, sondern durchaus auch mit praller Wucht gearbeitet wird, davon zeugen die beiden Bilder einer „Duschfrau“von Annemarie Faupel: Der massige Leib einer nackten Frau zwischen metallisch maschinenh­aft glänzenden Duschgerät­en im perspektiv­isch in den Fluchtpunk­t gezogenen Fliesenmus­ter erzeugt eine dramatisch­e Körper-Choreograf­ie. Der Gegensatz, ein eher unscheinba­rer Höhepunkt: Die Unterwasse­r- oder Unterholz-Vision „o.T.“von Lena Keller, wo sich trotz Düsterheit ein grandios modelliert­es vegetative­s Spiel erleben lässt.

Und Karin Kneffel selbst? Ihr Bild (Öl, Leinwand) ruht ebenso souverän wie bescheiden zwischen Bildern ihrer Schüler im Studio mit der sensatione­llen typischen Plastizitä­t ihres geheimnisv­oll golden beleuchtet­en Tropfen-Mysteriums.

Laufzeit bis 14. November. Galerie Noah, Beim Glaspalast 1. Di. – Do. 11 – 15 Uhr, Fr. – So. (und Feiertage) 11 – 18 Uhr

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 ?? Foto: Karin Kneffel ?? Die Arbeiten ihrer Schüler präsentier­t die internatio­nal gefeierte Künstlerin Karin Kneffel in der Galerie Noah.
Foto: Karin Kneffel Die Arbeiten ihrer Schüler präsentier­t die internatio­nal gefeierte Künstlerin Karin Kneffel in der Galerie Noah.

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