Merkels unerwartete Nachfolgerin
Den Wahlkreis der scheidenden Bundeskanzlerin hat eine Nachwuchspolitikerin von der SPD gewonnen. Wer ist Anna Kassautzki?
Eigentlich war alles eine ausgemachte Sache: Georg Günther sollte Angela Merkel als CDUDirektkandidat im Wahlkreis 15 nachfolgen. Denn Merkels HeimatBastion, der Wahlkreis Vorpommern-Rügen-Vorpommern-Greifswald I, war in den letzten Jahren, was man in Parteikreisen eine sichere Bank nennt: Seit 30 Jahren geht das Direktmandat an die CDU. Acht Mal sprach die Mehrheit der Menschen Merkel ihr Vertrauen aus.
Doch das einstige CDU-Land ist nun in der Hand einer SPD-Politikerin, die gerade einmal elf Jahre alt war, als die scheidende Bundeskanzlerin zum ersten Mal ins Amt gewählt wurde. Anna Kassautzki heißt die Merkel-Nachfolgerin. Sie ist 27 Jahre alt und sorgte am Wahlabend für eine Überraschung: 24,3 Prozent der Erststimmen erkämpfte sie. Kassautzki verwies damit CDUKandidat
Günther auf Platz zwei und den Bewerber der Alternative für Deutschland auf den dritten Rang. „Der Wahlabend war gestern für uns alle wie ein Krimi“, berichtet Kassautzki am Tag danach. Es sei eine Ehre, diesen Wahlkreis direkt gewonnen zu haben. „Es ist aber natürlich auch eine Verantwortung für die Menschen in meinem Wahlkreis, deren Vertrauen ich nicht enttäuschen will.“Sie wolle ein offenes Ohr für Probleme haben und eine soziale Politik machen.
Viel Zeit, um in ihr neues Amt hineinzuwachsen, hat die 27-Jährige aber nicht. Gleich am Montag hat sie sich auf den Weg nach Berlin gemacht, wo sie vorerst bei ihrem Cousin unterkommen wird. Am Dienstag steht für sie schon die erste Fraktionssitzung auf dem Programm. In der Hauptstadt ist Kassautzki noch ein Neuling, im politischen Betrieb kann sie jedoch schon auf einige Erfahrung zurückgreifen. Schon mit 13 Jahren sei sie aktiv geworden, um sich rechten Strukturen in den Weg zu stellen, sagt sie über ihren Werdegang. Typisch sozialdemokratisch heißt es da: „Ungerechtigkeit macht mich wütend.“2014 trat sie in die SPD ein und engagierte sich bei den Jusos. Es folgen mehrere Ämter innerhalb der Partei und der Jugendorganisation.
Von nun an wird sie sich in Berlin für die Interessen der Menschen einsetzen, die in
Marlow, Bad
Sülze oder Papenhagen
wohnen. Für sie will sie sich in den Bereichen der Mobilitätswende und beim Ausbau der digitalen Infrastruktur engagieren. „Da dürfen wir vor allem den ländlichen Raum nicht hinten runterfallen lassen“, betont Kassautzki. Dabei kommt sie selbst gar nicht aus Vorpommern. Geboren wird sie 1993 in Heidelberg. Anschließend wächst sie in Leusel bei Alsfeld in Hessen auf. Für das Studium der Staatswissenschaften macht sie einen Abstecher nach Passau in Niederbayern, bevor sie nach Greifswald zieht. Dort beginnt sie ein Masterstudium der Politikwissenschaft, arbeitet für einen Landtagsabgeordneten und leitet mittlerweile den Familienservice der Universität Greifswald.