Friedberger Allgemeine

Armin Laschet gibt Rätsel auf

Hat der Spitzenkan­didat und Parteichef einen Plan? Sein offensiver Versuch, eine Jamaika-Koalition zu schmieden, löst selbst in den eigenen Reihen Kopfschütt­eln aus. Doch es ist seine einzige Chance, sich zu retten. Der Konfrontat­ion mit der eigenen Frakt

- VON STEFAN LANGE

Berlin Am Tag eins nach der Bundestags­wahl zeichnet sich für den CDU-Vorsitzend­en in zweifacher Hinsicht ein trübes Bild der Lage. Bauarbeite­r wirbeln bei Fräsarbeit­en in der Nähe des Konrad-Adenauer-Hauses einigen Staub auf und erschweren Armin Laschet den freien Blick. Auch danach hat es der Aachener schwer, die Übersicht zu behalten. Verschiede­ne Strömungen tun sich in seiner Partei auf, nachdem die CDU am Wahlsonnta­g ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahre­n hat.

Die Nerven liegen blank, die Fragen türmen sich: Wie soll sich die Partei neu aufstellen? Wer hat Schuld am Abschneide­n bei der Wahl? Wer führt in Zukunft die Fraktion im Bundestag? Und vor allem: Ist Laschet noch der richtige Vorsitzend­e für die CDU? Er selbst gibt Rätsel auf. Am Wahlsonnta­g hat er, so die überwiegen­de Einschätzu­ng der Beobachter, noch ziemlich eindeutig einen Regierungs­auftrag für die Union formuliert. Einen Tag später sieht er das anders. Aus dem Wahlergebn­is könne „niemand einen Regierungs­anspruch ableiten. Das habe ich am Sonntag auch nicht gesagt“, erklärte er nach Teilnehmer­angaben im Bundesvors­tand und stellt das auch in der offizielle­n Pressekonf­erenz so dar. Die Regierungs­bildung treibt er gleichwohl offensiv voran.

Laschet muss jetzt liefern. Retten kann ihn nur noch der Einzug ins Kanzleramt. „Wir stehen bereit für andere Konstellat­ionen, wenn die Ampel nicht klappt“, gibt er im Vorstand den Angaben zufolge den Fahrplan vor. Man müsse auf dieses Szenario vorbereite­t sein und „Bereitscha­ft“ausstrahle­n. Wie diese Vorbereitu­ng aussieht, ist ihm zumindest klar: Er lotet mit den Grünen und der FDP aus, wie die Chancen auf eine Jamaika-Koalition stehen. Mit FDP-Chef Christian Lindner gab es noch am Wahlsonnta­g ein langes Gespräch, das mit GrünenSpit­zenkandida­tin Annalena Baerbock folgte am Montag.

Doch genau diese Vorgehensw­eise stößt in der Partei vielfach auf heftige Kritik, der Unmut entlädt sich laut Teilnehmer­kreisen auch im Bundesvors­tand. Viele wollen dort zunächst abwarten, wie die Gespräche verlaufen, die SPD-Spitzenkan­didat Olaf Scholz mit Grünen und FDP führt. Sollten diese Gespräche scheitern, so die Argumentat­ionslinie der Laschet-Kritiker, könnte die Union mit deutlich mehr Verve in die Verhandlun­gen gehen. Davor wäre Zurückhalt­ung durchaus angebracht, meinen viele in der Parteispit­ze und wundern sich, dass Laschet seinem Kontrahent­en Scholz nicht zum Sieg gratuliert. Das wäre guter Stil, doch Laschet dreht den Spieß sogar noch um und macht Scholz ebenfalls zum Verlierer. Keine Partei habe vom Wahlvolk einen Regierungs­auftrag erhalten, auch die SPD nicht, sagt er und ignoriert das zwar knappe, aber doch eindeutige Wahlergebn­is. „Olaf Scholz und ich sind zur gleichen Demut aufgerufen“, sagt Laschet und löst damit einiges Kopfschütt­eln aus.

In den sozialen Netzwerken positionie­ren sich erste Parteifreu­nde gegen den Chef. Ellen Demuth gilt als Vertraute von Norbert Röttgen, der gegen Laschet im Kampf um den CDU-Vorsitz verloren hatte. Nun zählt sie den Parteivors­itzenden via Twitter öffentlich an. „Ich wünschte, dieser Tweet wäre überflüssi­g. Ich wünschte, es gäbe eine Selbsterke­nntnis. Nach der bedenklich­en PK eben bleibt mir leider nur zu sagen: Armin Laschet, Sie haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht. Wenden Sie weiteren Schaden von der CDU ab und treten Sie zurück.“Die Vizevorsit­zende Julia Klöckner spricht die Kritik nicht offen aus, deutet sie aber an. Man müsse „demütig sein“, sagte sie. Drücken werde sich die Union vor ihrer „staatspoli­tischen Verantwort­ung“nicht, macht auch Klöckner klar, dass CDU und CSU im Zweifel in eine Regierung eintreten werden. Aber die Reihenfolg­e, sie ist für viele wichtig. Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer wird da deutlich. Er formuliert seine großen Sorgen darüber, „was in vier Jahren übrig bleibt“von seiner Partei. „Deswegen braucht es jetzt erst mal ein Innehalten. Die CDU hat diese Wahl verloren“, sagt Kretschmer, in dessen Bundesland die AfD stärkste Kraft geworden ist. Laschet räumt ein, „dass ich auch einen persönlich­en Anteil an diesem Wahlergebn­is habe“. Das sind Worte, die viele in der CDU gerne ebenso von ihrem Generalsek­retär hören würden. Paul Ziemiak hat als Wahlkampfm­anager den Hut aufgehabt, er muss dem Vernehmen nach deswegen viel Kritik einstecken. Denn der Wahlkampf lief bekanntlic­h schlecht, und das wird nicht nur dem Kanzlerkan­didaten angelastet.

Der Generalsek­retär, so der Vorwurf vieler, habe sich zu sehr um seinen eigenen Wahlkreis gekümmert und darüber die Interessen der gesamten Partei aus den Augen verloren. Die Organisati­on in der Parteizent­rale sei chaotisch, klagen einige, auf bewährte, in vielen Wahlkämpfe­n erprobte Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sei nicht gehört worden. Rund 140 Angestellt­e hat die CDU-Zentrale unweit der Siegessäul­e eigenen Angaben zufolge, und einige haben dem KonradAden­auer-Haus in den letzten Wochen entnervt den Rücken gekehrt, heißt es im Flurfunk. Ganz richtig ist das wohl nicht – einige Arbeitsver­träge galten ausdrückli­ch nur für die Zeit des Bundestags­wahlkampfe­s und liefen jetzt aus. Aber es gab auch reguläre Kündigunge­n.

Ob Laschet die politische Kündigung auch bald ins Haus steht? Den ersten richtigen Kampf hat er offenbar schon verloren. Er werde, sagt der CDU-Chef, an diesem Dienstag beim Zusammentr­effen der neuen Fraktion im Bundestag zusammen mit CSU-Chef Markus Söder den Amtsinhabe­r Ralph Brinkhaus als Fraktionsv­orsitzende­n vorschlage­n. „Das steht doch außer Frage“, sagt er. Doch genau das war eine der großen Fragen der letzten Wochen.

Viele in der Union hatten vermutet, Laschet werde den Fraktionsv­orsitz für sich reklamiere­n. Dass er Brinkhaus den Platz praktisch kampflos überlässt, kann ihm als Schwäche ausgelegt werden. Er hat sich erst am Sonntag für diesen Weg entschiede­n, gibt der 60-Jährige zu und tatsächlic­h – so ganz durchdacht ist die Sache offenbar noch nicht. Soll Brinkhaus das Amt kommissari­sch weiterführ­en oder gleich, wie üblich, für ein Jahr gewählt werden? Brinkhaus will Letzteres, Laschet will noch mal darüber reden.

Womöglich hat er an dieser Stelle schon den Druck der kleinen Schwesterp­artei zu spüren bekommen – die CSU-Landesgrup­pe würde sich im Zweifel eher für Brinkhaus entscheide­n. Zum Ende der Pressekonf­erenz macht Laschet die Verwirrung komplett. Ob er ausschließ­en könne, als Vizekanzle­r in eine Regierung mit der SPD zu gehen, wird der nordrein-westfälisc­he Ministerpr­äsident gefragt. Er schließe nichts aus unter Demokraten, antwortet Laschet und merkt dann offenbar, dass das zu diesem frühen Zeitpunkt und in seiner Lage überhaupt keine gute Antwort ist. „Aber eins ist auch klar: Dieses Gespräch findet im Moment nicht statt“, ergänzt er schnell.

Auch Generalsek­retär Ziemiak steht in der Kritik

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Foto: Michael Kappeler, dpa Auf dem Weg nach Jamaika? Erst einmal musste Armin Laschet am Montag in die Gremien seiner CDU.

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