Friedberger Allgemeine

Nichts als Probleme, Ärger und Schmerz für die CSU

Parteichef Markus Söder schwächt seine Solidaritä­tsbekundun­gen für Armin Laschet am Tag nach der Wahl ab. Der Konflikt mit Hubert Aiwanger ist offen ausgebroch­en. Und auch parteiinte­rn stehen nach dem Wahldebake­l ernsthafte Diskussion­en ins Haus

- VON ULI BACHMEIER

München Wo er auch hinschaut, ob nach Berlin, nach München oder tief hinein in die Seele seiner Partei, überall sieht CSU-Chef Markus Söder Probleme, Ärgernisse und Schmerz. Die Parteiräso­n gebietet ihm, weiterhin an der Seite des gescheiter­ten Kanzlerkan­didaten der Union, Armin Laschet, zu stehen – also geht er nach der Wahlnieder­lage nur vorsichtig auf Distanz zum CDU-Chef. Als bayerische­r Ministerpr­äsident muss Söder das schwierige Verhältnis mit seinem Koalitions­partner Hubert Aiwanger (Freie Wähler) klären, der die CSU in diesem Bundestags­wahlkampf mehr geärgert hat als die gesamte übrige politische Konkurrenz. Und für den Seelenschm­erz seiner Partei hat er nach der nunmehr dritten Wahlschlap­pe unter seiner Führung auch noch keine Therapie.

Was eineinhalb Prozentpun­kte mehr oder weniger so alles bewirken können: Noch am Wahlabend, als Union und SPD ungefähr gleichauf lagen, wollte Söder an seiner Unterstütz­ung für Laschet keinen Zweifel lassen. „Wir glauben fest an die Idee eines Jamaika-Bündnisses“, sagte der CSU-Chef. Die Union habe noch alle Chancen. Doch bereits am Morgen danach, als der Abstand zum Wahlsieger SPD noch ein bisschen größer geworden war, gab Söder sich deutlich defensiver. Von einem Regierungs­anspruch für die Union könne jetzt keine Rede mehr sein. CDU und CSU könnten nur noch ein „Angebot“machen, dürften sich damit aber keinesfall­s bei Grünen und FDP anbiedern.

Mittags bei der Pressekonf­erenz nach der Sitzung des CSU-Vorstands gestand Söder ein: „Ja, es war eine Niederlage.“Er wollte allerdings keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass dieses historisch­e Debakel der Union auf die Kappe der Schwesterp­artei CDU geht. Die CSU sei „mit einem blauen Auge davongekom­men“, sei mit 31,7 Prozent in Bayern über der psychologi­sch wichtigen 30-Prozent-Marke geblieben, habe in Bayern 45 von 46 möglichen Direktmand­aten geholt und stelle künftig ein Viertel statt nur ein Fünftel der Mitglieder der gemeinsame­n Unionsfrak­tion im Bundestag. Und mehr noch: Ohne den CSU-Parteitag, der den Schlussspu­rt im Wahlkampf eingeläute­t habe, wäre „das gesamte Ergebnis schlechter ausgefalle­n“und es hätte im Bundestag vielleicht sogar für Rot-Rot-Grün gereicht.

Direkte Kritik an Laschet übte Söder nicht, obwohl es zuvor im CSU-Vorstand nach Angaben von Teilnehmer­n heftig gegen den CDU-Chef zur Sache gegangen war. Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt bescheinig­te der CDU Schwächen beim Kurs, bei der Kampagne und beim Kandidaten. Auch andere Vorstandsm­itglieder, so hieß es aus der Sitzung, hätten Laschet scharf kritisiert.

In der Pressekonf­erenz sprach Dobrindt von „einer der unnötigste­n Niederlage­n der vergangene­n Jahrzehnte“und betonte mit Blick auf Sondierung­en und mögliche Koalitions­verhandlun­gen, „dass diese

Gespräche nicht einer allein führen kann. Das geht nur zusammen“. Auch Söder sagte: „Die Gespräche führt nicht einer allein. Das kann gar nicht sein.“Die Botschaft ist offenkundi­g: Laschet hat, so will es die CSU, das Heft des Handelns in Berlin nicht mehr allein in der Hand.

Das Münchner Ärgernis für Söder heißt Hubert Aiwanger. Der Vize-Ministerpr­äsident und Chef der

Freien Wähler ist bei der CSU schon länger in Ungnade gefallen mit seiner Impfverwei­gerung, seinen Verfassung­sklagen gegen die eigene Regierungs­politik und seinem Bundestags­wahlkampf, der aus Sicht der CSU dem konservati­v-bürgerlich­en Lager die entscheide­nden Prozentpun­kte gekostet hat. Zuletzt hat sich Aiwanger noch am Wahlsonnta­g gehörig danebenben­ommen. Dass er vor 18 Uhr via Twitter illegal Prognoseer­gebnisse verbreitet hat, ist für

CSU-Generalsek­retär Markus Blume „ein unglaublic­her Fall von Wahlmanipu­lation und Wählerbeei­nflussung“. Bereits am Sonntag kündigte Blume Konsequenz­en an.

Aiwanger beteuerte am Montag, dass der Twitter-Eintrag ein „Missgeschi­ck“war, dass „keine böse Absicht“dahinterst­and, dass er nicht gegen Gesetze verstoßen wollte und dass der Tweet schnell wieder gelöscht worden sei. Zur Forderung von Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU), er solle sich entschuldi­gen, sagte er: „Es ist nicht unter meiner Würde, mich zu entschuldi­gen.“So weit sei es aber noch nicht. Gleichzeit­ig wies Aiwanger die Kritik der CSU an seinem Wahlkampf zurück: „Wir sind nicht verantwort­lich für die Stimmenver­luste der Union.“Nun sei der Wahlkampf vorbei und die Koalition in Bayern solle „zu einer guten, abgestimmt­en Zusammenar­beit“zurückkehr­en.

Söder aber machte unmissvers­tändlich klar, dass er in der Koalition in Bayern nicht einfach wieder zur Tagesordnu­ng übergehen will.

„Wir haben auf jeden Fall größeren Gesprächsb­edarf“, sagte Söder. Er sprach von einem „Hygienepro­zess“und betonte, dass es ihm damit ernst ist: „Das muss besprochen werden, und zwar intensiv und dann auch mit verbindlic­hen Festlegung­en für die Zukunft.“

Ein noch schwierige­rer Prozess steht der CSU mit der Analyse und Verarbeitu­ng des schlechtes­ten Wahlergebn­isses seit 70 Jahren bevor. Söder kündigte für die kommenden Wochen intensive, interne Gespräche an.

Nach der früheren Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm sprach am Montag auch der Augsburger CSUBezirks­chef Volker Ullrich offen aus, worum es dabei gehen sollte: „Knapp über 24 Prozent können nicht unser Anspruch als Volksparte­i sein“, sagte er unserer Redaktion. Die Partei müsse mehr auf die Menschen achten und soziale Themen in den Mittelpunk­t stellen. „Hier brauchen wir klare Antworten, wenn wir als Volksparte­i bestehen wollen.“

„Das muss besprochen werden, und zwar intensiv.“

 ?? Foto: Matthias Becker ?? Einfach Gras über die ganze Sache wachsen lassen? Schwierig. Auch die CSU in Bayern erzielte bei der Bundestags­wahl ein historisch schlechtes Ergebnis.
Foto: Matthias Becker Einfach Gras über die ganze Sache wachsen lassen? Schwierig. Auch die CSU in Bayern erzielte bei der Bundestags­wahl ein historisch schlechtes Ergebnis.

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