So haben die Bayern gewählt
Prominente CSU-Politiker verlieren teils zweistellig. Der Nüßlein-Nachfolger überrascht. Das sind die spannendsten Ergebnisse im Freistaat
München/Berlin Der erdrutschartige Verlust der CSU bei der Bundestagswahl zeigt sich auch bei der Entwicklung der Erststimmen. Zwar holten die Christsozialen 45 von 46 Direktmandaten im Freistaat. Aber: Erstmals seit Jahrzehnten hat kein CSU-Abgeordneter mehr über 50 Prozent der Erststimmen geholt. Die Kandidaten kommen nun nur noch auf 36,9 Prozent. Das sind über sieben Prozentpunkte weniger als 2017. 2013 hatten die CSU-Kandidaten landesweit noch knapp 54 Prozent der Erststimmen geholt, in neun Wahlkreisen sogar über 60 Prozent.
In vielen Wahlkreisen mussten selbst prominente Christsoziale kräftig Federn lassen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zum Beispiel verlor in seinem Wahlkreis Passau gleich 16,8 Prozentpunkte im Vergleich zu 2017. Scheuer kam damit nur noch auf 30,7 Prozent. 2013 hatte er sogar 59,8 Prozent erreicht. Auch Digital-Staatsministerin Dorothee Bär verlor in ihrem Wahlkreis Bad Kissingen kräftig an Zustimmung. Die stellvertretende CSU-Vorsitzende büßte zwölf Prozentpunkte ein und kam nur noch auf 39,1 Prozent.
Der ehemalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat in seinem Wahlkreis Traunstein sein Direktmandat verteidigt, aber ebenfalls einen zweistelligen Einbruch hinnehmen müssen. Er bekam 36,6 Prozent der Erststimmen, 13,7 Prozentpunkte weniger als 2017. Und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verlor in seinem oberbayerischen Wahlkreis Weilheim ebenfalls an Zustimmung. Mit 41,9 Prozent verlor er gegenüber 2017 sechs Prozentpunkte. Dobrindt soll aber nach dem Willen von CSUChef Markus Söder Landesgruppenchef im Bundestag bleiben.
Ein interessanter Aspekt am Rande: Trotz der Maskenaffäre des bisherigen Bundestagsabgeordneten
Georg Nüßlein hat die CSU das Direktmandat im Wahlkreis Neu-Ulm gewonnen. Der bisher völlig unbekannte Kandidat Alexander Engelhard konnte sich mit 37,2 Prozent klar durchsetzen. Nüßlein steht im
Zentrum des Skandals um Provisionszahlungen an Politiker für Maskengeschäfte in der Corona-Krise, gegen ihn ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München. Nüßlein ist aus der CSU ausgetreten und weist die Vorwürfe zurück.
Mit etwas Mühe hat sich überdies Mechthilde Wittmann aus dem Wahlkreis Oberallgäu – jener des bisherigen Bundesentwicklungsministers Gerhard Müller – für die CSU den Weg nach Berlin erkämpft. Die Lebensgefährtin des CSULandtagsfraktionsvorsitzenden Thomas Kreuzer (Kempten) holte knapp 30 Prozent der Stimmen.
Bayern schickt nach dem Wahlsonntag übrigens mehr Bundestagsabgeordnete nach Berlin als bisher. Insgesamt werden 116 Politiker über die bayerischen Landeslisten und mit Direktmandaten entsandt. Das sind acht mehr als nach der Bundestagswahl 2017.
Und so verteilen sich die Mandate auf die Parteien: Die CSU kommt auf 45 Abgeordnete – einen weniger als vor vier Jahren und allesamt Wahlkreisgewinner. Denn im Wahlkreis München-Süd schaffte es Jamila Schäfer von den Grünen, der CSU das Direktmandat abzujagen. Es ist damit auch das erste Direktmandat, das die Grünen im Freistaat gewinnen. Bei den Grünen zogen die bekannten Politikspitzen Ekin Deligöz (Neu-Ulm), Claudia Roth (Augsburg) sowie der Münchner Anton Hofreiter, neben Katrin Göring-Eckardt Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion, über die Landesliste ein – und mit Tessa Ganserer aus Nürnberg die erste transgeschlechtliche Politikerin. Insgesamt kommen 18 Bundestagspolitiker der Grünen aus dem Freistaat – sieben mehr als 2017.
Die SPD legte um fünf Sitze auf 23 zu. Die FDP gewinnt zwei Mandate hinzu und kommt auf 14, während die AfD zwei verliert und auf zwölf sinkt. Die Linke schließlich schickt aus Bayern künftig vier Abgeordnete nach Berlin, drei weniger als vor vier Jahren.