AfD baut Position im Osten aus
Verluste im Westen, Siege in Thüringen und Sachsen. Das könnte innerparteiliche Konflikte befeuern
Berlin Über die Frage, welche Stärke eine Partei aufweisen muss, um als Volkspartei zu gelten, wird seit Jahren debattiert. Dass die AfD im mittelsächsischen Dorfchemnitz unweit der Grenze zu Tschechien sich bei dieser Diskussion gelassen zurücklehnen kann, dürfte unstrittig sein: Über 47,9 Prozent holte die stramm rechte Partei in dem Ort mit gut 1500 Einwohnern – und damit noch ein wenig mehr als 2017. Zwei Dinge haben sich am Wahltag abgezeichnet: Die Partei hat deutschlandweit, insbesondere im Westen, an Stimmen verloren. Im Osten bleibt sie aber auch 2021 stark.
Die AfD landete im Bund bei 10,3 Prozent, 2017 waren es noch 12,6 Prozent. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Hessen oder Niedersachsen gab es für die Partei Verluste. In Sachsen jedoch blieb sie trotz leichter Einbußen mit fast 24,6 Prozent die mit Abstand stärkste Partei.
Ein Erfolg, den ihr bei einer Bundestagswahl nun erstmals auch in Thüringen gelang: Die AfD erreichte dort glatte 24 Prozent, also noch etwas mehr als 2017. Thüringen ist für die innere Machtarithmetik der Partei besonders wichtig, da der dortige Landesverband als ein weit rechts stehender gilt. Die Partei des Vorsitzenden Björn Höcke wird wegen rechtsextremistischer Tendenzen vom Verfassungsschutz beobachtet. In Brandenburg, SachsenAnhalt und Mecklenburg-Vorpommern erreichte die Partei immerhin den zweiten Rang. Abgerundet wird das Bild durch den Gewinn von 16 Direktmandaten der AfD im Osten, gleich zehn davon in Sachsen. Noch am Wahlabend gab es erste Stimmen aus den AfD-Landesverbänden im Osten, die Konsequenzen aus den Ergebnissen forderten. Tenor: Der Westen muss vom Osten lernen. „Es werden Fragen zu stellen sein“, sagte Höcke. Das klang wie eine Drohung an seine Gegner in der Partei.
Auch Parteichef Jörg Meuthen suchte die Offensive. Er kündigte eine schonungslose Analyse des Wahlkampfes an. „Unter dem Strich wird man das als Erfolg nicht vermelden können“, sagte er. Meuthen deutete an, dass es beispielsweise ein Fehler gewesen sein könnte, im Wahlprogramm einen EUAustritt zu fordern.
Der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer sagte gegenüber unserer Redaktion: „Es gibt zwei Richtungen in der Partei. Die einen können sich vorstellen, koalitionsfähiger Teil eines national-konservativen politischen Spektrums zu werden, die anderen sehen die AfD als politische Bewegungspartei, die nicht zuletzt auf außerparlamentarische Proteste setzt – letztere Strömung wird von der ostdeutschen AfD vertreten. Leute wie Björn Höcke stehen für eine Radikalisierung der politischen Landschaft.“
Neugebauer sieht mehrere Gründe für die Erfolge der AfD im Osten. Es gebe dort noch immer viele Leute, die sich im Vergleich mit dem Westen degradiert fühlen und die sich einreden, dass es früher in der DDR besser gewesen sei. „In diesen Kreisen kommt der AfD-Slogan, ‘Wir wollen unser Land zurück’ besonders gut an“, sagte Neugebauer. Es sei gelungen, die CDU zurückzudrängen. Viele Menschen in Sachsen oder in Thüringen haben sich zudem von den öffentlich-rechtlichen Medien abgewandt, sie informieren sich über andere Quellen. In Teilen der Bevölkerung ist eine eigene politische Kultur, ein Milieu entstanden. In Regionen, in denen das Bildungsniveau im Durchschnitt geringer ist, in denen der Anteil der Männer besonders hoch ist und die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Nahverkehr, unzureichend ist, erzielt die AfD die besten Resultate.
Trotz des sich vertiefenden OstWest-Gefälles – die AfD ist nach wie vor auch in manchen westlichen Regionen relativ stark. So wie in Teilen Schwabens. Zwar gab es durchgehend Verluste, sie blieb aber in mehreren Kommunen zweitstärkste Kraft. Dies gelang ihr beispielsweise im Wahl-Kreis Neu-Ulm, aber auch in Teilen des Landkreises Unterallgäu. In Oberrieden beispielsweise holte die Partei 20,5 Prozent. Gleichzeitig allerdings hat die AfD in Schwaben an vielen Orten ihren zweiten Platz nicht halten können. Der Trend war in ganz Bayern negativ für die Partei, die neun Prozent im Freistaat bedeuten für die AfD einen Rückgang von 3,4 Prozent im Vergleich zu 2017.