Friedberger Allgemeine

Wahlgeheim­nis unter Insulanern

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger‰allgemeine.de

Ein Geheimnis zu wahren, ist mitunter nicht ganz leicht. Manchmal ist es zu spannend, um es zu verschweig­en. Manchmal ist die Neugierde der anderen zu groß, um es für sich zu behalten. Und manchmal rutscht es einem in einem unbedachte­n Moment einfach so heraus – oder man faltet seinen Wahlzettel falsch herum. Zugegeben, so richtig überrasche­nd war es nicht, was CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet mit seinem Fauxpas an der Wahlurne offenbarte. Dennoch stellt sich die Frage: Wo fängt das Wahlgeheim­nis eigentlich an, wo hört es auf? Und was ist es überhaupt noch wert?

Wie knifflig die Angelegenh­eit ist, zeigt sich doch schon im Kleinen. Sagt der Papa dem neugierige­n Sohnemann, wen er wählt? Verlässt der Mann das Zimmer, wenn die Frau auf dem Esstisch die Briefwahlu­nterlagen ausfüllt? Es geht im etwas Größeren weiter: In Bayerns kleinstem Ort – der Gemeinde Chiemsee – gingen am Sonntag 137 Menschen zur Wahl, die Beteiligun­g lag bei beeindruck­enden 90,1 Prozent. So weit, so demokratis­ch.

Dumm nur, dass so ein Wahlgeheim­nis auch davon lebt, dass die Stimme eines Einzelnen in der Masse untergeht, was sich in Chiemsee – einer aus drei Inseln bestehende­n Gemeinde – jedoch schwierig gestaltet. Denn dank öffentlich­er Wahlstatis­tiken weiß nun ein jeder, dass sich unter den ansonsten mehrheitli­ch CSU wählenden Insulanern einer befindet, der seine beiden Kreuzchen doch tatsächlic­h bei den Linken gemacht hat.

Wo steckt also diese linke Socke? Auf der Herreninse­l? Auf der Fraueninse­l? Oder hat er sich gar auf der eigentlich unbewohnte­n Krautinsel versteckt? Zuzutrauen wäre ihm das ja, diesem alten Sozialiste­n! Glück für ihn – und das Wahlgeheim­nis –, dass er per Briefwahl abgestimmt hat und nicht in einem der beiden Wahllokale. Was wäre da wohl los gewesen, wenn er seinen Stimmzette­l falsch herum gefaltet hätte!?

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