Wahlgeheimnis unter Insulanern
Ein Geheimnis zu wahren, ist mitunter nicht ganz leicht. Manchmal ist es zu spannend, um es zu verschweigen. Manchmal ist die Neugierde der anderen zu groß, um es für sich zu behalten. Und manchmal rutscht es einem in einem unbedachten Moment einfach so heraus – oder man faltet seinen Wahlzettel falsch herum. Zugegeben, so richtig überraschend war es nicht, was CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit seinem Fauxpas an der Wahlurne offenbarte. Dennoch stellt sich die Frage: Wo fängt das Wahlgeheimnis eigentlich an, wo hört es auf? Und was ist es überhaupt noch wert?
Wie knifflig die Angelegenheit ist, zeigt sich doch schon im Kleinen. Sagt der Papa dem neugierigen Sohnemann, wen er wählt? Verlässt der Mann das Zimmer, wenn die Frau auf dem Esstisch die Briefwahlunterlagen ausfüllt? Es geht im etwas Größeren weiter: In Bayerns kleinstem Ort – der Gemeinde Chiemsee – gingen am Sonntag 137 Menschen zur Wahl, die Beteiligung lag bei beeindruckenden 90,1 Prozent. So weit, so demokratisch.
Dumm nur, dass so ein Wahlgeheimnis auch davon lebt, dass die Stimme eines Einzelnen in der Masse untergeht, was sich in Chiemsee – einer aus drei Inseln bestehenden Gemeinde – jedoch schwierig gestaltet. Denn dank öffentlicher Wahlstatistiken weiß nun ein jeder, dass sich unter den ansonsten mehrheitlich CSU wählenden Insulanern einer befindet, der seine beiden Kreuzchen doch tatsächlich bei den Linken gemacht hat.
Wo steckt also diese linke Socke? Auf der Herreninsel? Auf der Fraueninsel? Oder hat er sich gar auf der eigentlich unbewohnten Krautinsel versteckt? Zuzutrauen wäre ihm das ja, diesem alten Sozialisten! Glück für ihn – und das Wahlgeheimnis –, dass er per Briefwahl abgestimmt hat und nicht in einem der beiden Wahllokale. Was wäre da wohl los gewesen, wenn er seinen Stimmzettel falsch herum gefaltet hätte!?