Diebische Verlockung
Hier eine Birne, da eine Handvoll Trauben, dort kistenweise Äpfel – Obstbauern klagen über Diebstähle
Kitzingen/Friedrichshafen Einen Apfel im Vorbeigehen schnell vom Baum stibitzt, weil er einfach zum Anbeißen ausschaut – für Obstbauern vor allem in touristischen Regionen ein Ärgernis, das regelmäßig vorkommt. Doch es gebe auch Fälle, wo dreiste Diebe ganze Kisten an Äpfeln mit dem Auto wegfahren, erzählt Thomas Riehl vom Verein Fränkische Obstbauern. Großangelegter Obstdiebstahl ist zwar eher die Ausnahme. Doch für die Betriebe ist der Schaden immens. „Neulich wurde ein ganzer Weinberg leer gemacht“, berichtet Kathrin Walter vom Landesverband Erwerbsobstbau Baden-Württemberg (LVEO).
Wie groß das Problem Obstdiebstahl ist, können die Erzeugerverbände nur schätzen. Denn erst bei größeren Fällen erstatten die Betriebe tatsächlich Anzeige. Bei der Polizei wird das statistisch nicht einzeln erfasst, sondern generell unter Diebstahl oder Einbruch. Obstbauern berichteten immer häufiger davon, dass sich Menschen an ihren Bäumen, Erdbeerfeldern oder Weinbergen bedienen, sagt LVEOGeschäftsführerin Walter. Ihrer Ansicht nach könnte das mit der Corona-Pandemie zusammenhängen, weil mehr Menschen in der Natur unterwegs seien. Betroffen seien vor allem Flächen an Radwegen.
In Bayern gilt das zum Beispiel für die Mainschleife zwischen Kitzingen und Schweinfurt. Dort seien die Obstanlagen sehr klein parzelliert und nicht eingezäunt, sagt Stefan Kirchner von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim. „Bei gleichzeitig hoher touristischer Frequenz kann das dann überhandnehmen.“Ähnlich ist es in der Urlaubsregion am Bodensee, wo sich mit 9000 Hektar eines der größten Anbaugebiete für Kernobst in Deutschland befindet. „Entlang des Sees mit vielen Radund Spazierwegen und entsprechend vielen Passanten ist es stärker ausgeprägt als im Hinterland“, sagt Manuela Heinrich, Geschäftsführerin der Obst vom Bodensee Marketing GmbH in Friedrichshafen. „Oft ist das ein spontaner Impuls, weil ein Apfel so lecker aussieht.“In der Bevölkerung halte sich hartnäckig die Ansicht, dass Mundraub ein Kavaliersdelikt sei, sagt ein fränkischer Polizeisprecher. Im deutschen Strafrecht sei der Begriff aber seit 1975 abgeschafft – und damit ein Diebstahl wie jeder andere.
Dabei gibt es vielerorts die Möglichkeit, legal fremdes Obst zu ernten. Auf der Webseite Mundraub.org können Kommunen und private Besitzer Bäume und Sträucher registrieren lassen, die andere gerne abernten dürfen. An vielen Obstbäumen hängt zurzeit auch ein gelbes Band, das signalisiert: Hier darf man sich bedienen.