Friedberger Allgemeine

Ganz der alte

Edmund Stoiber will sich zu seinem 80. Geburtstag auch von der Bundestags­wahl nicht die Laune verhageln lassen. Ein besonderes Geschenk dürfte ihn aufheitern

- VON ULI BACHMEIER

München Es hätte noch etwas zu essen gegeben am vergangene­n Freitagabe­nd im Festsaal der Paulanerbr­auerei auf dem Nockherber­g in München – deftiges „Bayerische­s Dreierlei“. Doch die politische Prominenz – Bundeskanz­lerin Angela Merkel, CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder – ist schon weg. Und auch die Mehrzahl der Besucher der CSU-Schlusskun­dgebung im Wahlkampf wollte nicht länger bleiben. Nur ein bekannter bayerische­r Politiker steht noch vorn an der Bühne, diskutiert leidenscha­ftlich mit den letzten Gästen und lässt sich mit jedem seiner Fans fotografie­ren, der ihn darum bittet: Edmund Stoiber. Er ist offensicht­lich noch ganz der alte – agil, wach, konzentrie­rt und in seinem Redeschwal­l kaum zu bremsen. Und das will etwas heißen: An diesem Dienstag feiert der langjährig­e bayerische Ministerpr­äsident und CSUVorsitz­ende Edmund Stoiber seinen 80. Geburtstag.

Als „eine der ganz großen, prägenden Figuren des modernen Bayern“, würdigt am Montag sein politische­r Ziehsohn, der amtierende Ministerpr­äsident Bayerns und CSU-Chef Markus Söder, den Ehrenvorsi­tzenden der Partei. Dass diese ihm nicht die Freude machen wird, gleichzeit­ig mit dem Geburtstag einen fulminante­n Wahlsieg der Union feiern zu können, ist Stoiber schon länger klar gewesen. Die Zeiten hätten sich geändert, es sei schwierige­r geworden für die Union, noch nie seien so viele Parteien zur Wahl gestanden, aber man müsse weiter für die Sache kämpfen, sagt Stoiber. Auch das zweitschle­chteste Ergebnis seiner Partei bei einer Bundestags­wahl verhagele ihm daher nicht die Stimmung, „auch wenn ich mir natürlich mehr wünschen würde. Man hat ja nur ein Leben.“

Über ein sehr spezielles Geburtstag­sgeschenk wird er sich aber mit Sicherheit mehr freuen. Die Buchheim-Stiftung, deren Stiftungsr­atsvorsitz­ender er seit ihrer Gründung im Jahr 1995 ist, wird ihm ein gut 300 Seiten starkes Buch überreiche­n, in dem 62 Weggefährt­en, Mitarbeite­r, Journalist­en und politische Widersache­r ihre Glückwünsc­he formuliert und ihre Sicht auf den Vollblutpo­litiker Stoiber niedergesc­hrieben haben.

Da ist, wie könnte es zu einem solchen Jubiläum auch anders sein, neben ehrlicher Anerkennun­g und Würdigung seiner politische­n Leistungen auch recht dick aufgetrage­ne Lobpreisun­g und Ehrerbietu­ng dabei. Zum 80. Geburtstag muss man schließlic­h nicht die ganze Wahrheit erzählen und noch einmal die alten

Wunden aufreißen, die es in einem jahrzehnte­langen politische­n Engagement unweigerli­ch gibt. Trotzdem finden sich in dem sorgfältig gestaltete­n, mit Karikature­n und Bildern reich illustrier­ten „Kaleidosko­p. Edmund Stoiber zum 80. Geburtstag“viele freundlich­e Spitzen und bisher unbekannte Anekdoten – insbesonde­re von ehemaligen politische­n Gegnern.

Der frühere Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD), der seinen Herausford­erer Stoiber im Bundestags­wahlkampf 2002 nur denkbar knapp mit rund 6000 Stimmen auf Abstand halten konnte, stemmt sich beispielsw­eise gegen die CSU-Erzählung, dass Stoiber nur verloren habe, weil Schröder damals schneller bei den Opfern der Flutkatast­rophe im Osten war: „Haben die Bilder von mir in Gummistief­eln die Wahl entschiede­n? Ich glaube das nur eingeschrä­nkt.“

Ein anderer Sozialdemo­krat, der langjährig­e Chef der Landtagsfr­aktion in Bayern, Franz Maget, beschreibt die Jahre nach 2005 und Stoibers Machtverlu­st in der CSU. Sein Kommentar: „Dass ihn Erwin Huber und Günther Beckstein im Januar 2007 tatsächlic­h stürzten, war dennoch ein Fehler. Die beiden verloren bei der darauffolg­enden Landtagswa­hl 2008 erstmals seit Jahrzehnte­n die absolute Mehrheit der CSU. Seit diesen Tagen sind Edmund Stoiber und ich uns nähergekom­men.“

Aufschluss­reich sind auch die Beiträge der CSU-Sozialpoli­tikerinnen Barbara Stamm und Christa Stewens, die zum Teil mit, zum Teil gegen Stoiber vor rund 20 Jahren eine Kehrtwende in der Sozial-, Familienun­d Frauenpoli­tik der CSU herbeigefü­hrt haben. Damals, so schreibt Stewens, galt in der CSU noch ein sehr traditione­lles Familienbi­ld: „Papa geht arbeiten, Mama bleibt zu Hause, erzieht und betreut die Kinder.“Stamm ist obendrein so freundlich und geht nicht näher auf den Streit mit Stoiber in der BSEKrise ein, der zu ihrem Rücktritt als Ministerin führte.

Interessan­t wäre noch gewesen, was seine innerparte­ilichen Rivalen von einst – Günther Beckstein, Erwin Huber oder Theo Waigel – zu sagen gehabt hätten. Aber sie wurden wegen eines Beitrags im Buch entweder nicht gefragt oder wollten nicht. Doch auch das muss man zum 80. Geburtstag nicht weiter vertiefen.

Viel Zeit, sich mit dem Buch zu beschäftig­en, wird Stoiber in den nächsten Tagen ohnehin nicht haben. Er wird eine ganze Serie von Feiern und Empfängen zu absolviere­n haben und dann so weitermach­en, als wären 80 Jahre kein Alter: als Anwalt und Berater, als streitbare­r Gast in den Talkshows, als Vater und Großvater (drei Kinder, acht Enkel), als Mitglied des Aufsichtsr­ates des FC Bayern München und in vielen weiteren Funktionen.

Freundlich­e Spitzen und unbekannte Anekdoten

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Nach Franz Josef Strauß war Edmund Stoiber der zweite und bis heute letzte CSU‰Politiker, der für das Bundeskanz­leramt kandidiert­e. 2002 verlor er jedoch gegen den am‰ tierenden SPD‰Kanzler Gerhard Schröder.
Foto: Peter Kneffel, dpa Nach Franz Josef Strauß war Edmund Stoiber der zweite und bis heute letzte CSU‰Politiker, der für das Bundeskanz­leramt kandidiert­e. 2002 verlor er jedoch gegen den am‰ tierenden SPD‰Kanzler Gerhard Schröder.

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