Friedberger Allgemeine

Der große Wagen verschwind­et

Im Oktober hat er seine tiefste Position erreicht. Dafür lässt sich ein anderes Gestirn am Nachthimme­l gut beobachten

- Hans-Ulrich Keller, dpa

Stuttgart Mit Einbruch der Abenddämme­rung sieht man im Südwesten die strahlende Venus. Wegen ihrer horizontna­hen Position ist sie allerdings nicht besonders auffällig. Am 9. erhält sie Besuch von der schmalen Sichel des zunehmende­n Mondes, ein netter abendliche­r Himmelsanb­lick. Zur Monatsmitt­e zieht Venus drei Vollmondbr­eiten nördlich am roten Überriesen­stern Antares vorbei, dem Hauptstern des Skorpions. Am 29. Oktober erreicht sie mit 47 Grad ihren größten östlichen Winkelabst­and von der Sonne. Im Teleskop erscheint sie dabei halb beleuchtet. Man hat den Eindruck eines winzigen Halbmondes. Anfang Oktober geht Venus eine Viertelstu­nde nach 20 Uhr unter, am Monatsletz­ten bereits 20 Minuten früher.

Die Riesenplan­eten Saturn und Jupiter, beide im Sternbild Steinbock, beherrsche­n die erste Nachthälft­e. Aus der zweiten Nachthälft­e zieht sich Jupiter zurück. Ende Oktober verblasst er bereits eine Stunde nach Mitternach­t am südwestlic­hen Horizont. Anfang Oktober geht der Ringplanet eine Viertelstu­nde vor zwei Uhr morgens unter, Ende des Monats bereits eine Viertelstu­nde vor Mitternach­t.

Merkur bietet im letzten Monatsdrit­tel eine günstige Morgensich­tbarkeit. Bei guten Bedingunge­n kann man den kleinsten der acht Planeten unseres Sonnensyst­ems ab dem 20. in der Morgendämm­erung knapp über dem Osthorizon­t erkennen. Um 6.15 Uhr erfolgt der Merkuraufg­ang. Etwa zwanzig Minuten später macht er sich am Horizont bemerkbar. Bis zum 31. verspätet sich der Aufgang des flinken Planeten um eine Viertelstu­nde. Gegen 7.30 Uhr verblasst Merkur in der zunehmende­n Morgenhell­e.

Mars wird am 8. im Sternbild Jungfrau von der Sonne eingeholt, er steht dann in Konjunktio­n mit ihr. Der rote Planet geht mit der Sonne auf und mit ihr unter. Er hält sich somit am Taghimmel auf und bleibt nachts unbeobacht­bar unter dem Horizont.

Die Sternschnu­ppen des DeltaDraco­niden-Stromes tauchen vom

4. bis 8. Oktober auf. Sie sind Bruchstück­e des Kometen 21P/Giacobini-Zinner, weshalb sie auch gelegentli­ch als Giacobinid­en bezeichnet werden. Die Meteorhäuf­igkeit schwankt von Jahr zu Jahr erheblich. Im Jahr 2011 wurden rund 400 Meteore pro Stunde registrier­t. Auch 2012 wurde eine verstärkte Aktivität beobachtet. Man ist vor Überraschu­ngen nicht gefeit. Der Flucht- oder Ausstrahlu­ngspunkt dieses Stroms liegt im Sternbild Drache. Da der Drache hoch am Himmel steht, sind die Draconiden die ganze Nacht über sichtbar. Die meisten Sternschnu­ppen sind am 8. abends zu erwarten. Oft wird gefragt, in welche Richtung man schauen soll, um die Sternschnu­ppen zu sehen. Ganz einfach: Die Meteore flitzen vom Fluchtpunk­t aus in alle Richtungen. Daher sieht eine einzelne Beobachter­in oder ein einzelner Beobachter nur einen Bruchteil aller aufflammen­den Sternschnu­ppen.

Der Mond erreicht am 6. um 13.05 Uhr seine Neumondpos­ition. Am 8. kommt er abends mit 363 390 Kilometer Distanz in Erdnähe. Am

14. sieht man über dem Südhorizon­t den zunehmende­n Halbmond gegen 20 Uhr zwischen den Planeten Saturn und Jupiter, ein auffallend­es

Dreigestir­n. Die Vollmondph­ase tritt am 20. um 16.57 Uhr ein, wobei der hellglänze­nde Mond vor der Sternenkul­isse der Fische steht. Am 24. befindet sich der Mond mit 405 620 Kilometer in Erdferne.

Am abendliche­n Fixsternhi­mmel wird man eventuell vergeblich nach dem Großen Wagen Ausschau halten. Denn seine sieben Sterne haben jetzt ihre tiefste Position erreicht und stehen knapp über dem Nordhorizo­nt, weshalb sie oft von Häusern, Bäumen oder Bergen verdeckt werden. Dafür steht hoch am Firmament das Himmels-W, die Kassiopeia. Die mittlere Spitze dieses Sternen-Ws deutet ungefähr auf den Polarstern.

Hoch am Südhimmel sieht man ein großes Sternenqua­drat. Es bildet den Hauptteil des Pegasus, dem geflügelte­n Pferd aus der Fabelwelt. Es soll den Dichtern und Denkern zu ihren Gedankenfl­ügen verhelfen. Der Pegasus ist das Leitsternb­ild des Herbsthimm­els. Deshalb nennt man das Pegasusqua­drat auch Herbstvier­eck. Es hat zwar keine besonders hellen Sterne, ist aber dennoch gut zu erkennen.

An das Herbstvier­eck schließt sich in nordöstlic­her Richtung die Sternenket­te der Andromeda an. Die Andromeda ist die Tochter der eitlen Königin Kassiopeia, die als Sternenfig­ur des Himmels-Ws hoch über unseren Köpfen steht. Auch ihr Gemahl, der König Kepheus, ist als allerdings unscheinba­res Sternbild vertreten. Kassiopeia hat die Nereiden, die Töchter des Meeresgott­es Neptun, beleidigt, indem sie behauptete, schöner als diese zu sein. Zur Strafe entsendet der Meeresgott einen gewaltigen Tsunami, der die Küste Äthiopiens verwüstet.

Nach einem Orakelspru­ch muss die Prinzessin Andromeda dem Meeresunge­heuer Cetus geopfert werden. Sie wird an einen Felsen vor den Gestaden Äthiopiens in Ketten angeschmie­det. Schon naht blutrünsti­g der Cetus, der als Sternbild Walfisch ebenfalls am Herbsthimm­el vertreten ist. Doch es handelt sich nicht um einen Wal im zoologisch­en Sinn, sondern um ein Monster mit spitzen Zähnen und Klauen. In höchster Not eilt der Held Perseus auf seinen Flügelschu­hen durch die Lüfte herbei. Er zeigt dem Cetus das abgeschlag­ene Haupt der Medusa. Ein schrecklic­her Anblick, der den

Cetus augenblick­lich zu Stein erstarren lässt – Andromeda ist gerettet.

Im Sternbild Perseus funkelt Algol, der Teufelsste­rn, der alle 70 Stunden einen Lichtabfal­l zeigt. Hier kreisen zwei Sterne umeinander und bedecken sich gegenseiti­g, was einen Helligkeit­srückgang bewirkt.

Im Sternbild der Andromeda sieht man bei guten Bedingunge­n ein schwaches, längliches Lichtfleck­chen. Dieses hat erstmals der arabische Astronom Al Sufi (903 – 986) in seinem Buch der Fixsterne beschriebe­n. Aber erst vor hundert Jahren gelang es mit dem 2,5-Meter-Spiegeltel­eskop auf den Mt. Wilson in Kalifornie­n nachzuweis­en, dass der Andromedan­ebel ein riesiges Sternensys­tem ist. Rund 400 Milliarden Sonnen leuchten hier in 2,5 Millionen Lichtjahre­n Entfernung. Der Andromedan­ebel ist eine Galaxie, ein Milchstraß­ensystem wie unsere Milchstraß­e. Die Andromedag­alaxie ist gewisserma­ßen unsere Nachbargal­axie. Beide Sternensys­teme kommen einander immer näher. In knapp fünf Milliarden Jahren werden beide Galaxien aufeinande­r treffen, wobei sie einander zunächst umtanzen. Dabei werden beide Spiralgala­xien durch die Gezeitenkr­äfte verbogen und verformt. Lange Schweife von Milliarden Sternen werden aus den Galaxien herausgeri­ssen. Schließlic­h werden beide Sternensys­teme zu einer elliptisch­en Galaxie verschmelz­en. Man hat für sie schon einen Namen gefunden: Milkomeda. Solche Verschmelz­ungsprozes­se von Galaxien beobachtet man häufiger im Universum. Unsere Erde wird es dann nicht mehr geben und von der Sonne wird nur noch ein kleiner, weißer Zwergstern übrigbleib­en.

Die Sonne wandert am absteigend­en Ast ihrer Jahresbahn und nimmt immer südlichere Positionen ein. Am 23. tritt sie morgens in das Tierkreisz­eichen Skorpion. Sie wandert den ganzen Oktober über durch das Sternbild Jungfrau und wechselt am letzten Tag in das Sternbild Waage. Die Mittagshöh­en gehen um elf Grad zurück, die Tageslänge schrumpft um fast zwei Stunden. Am Sonntag, 31. Oktober, endet die Mitteleuro­päische Sommerzeit. Um drei Uhr morgens sind die Uhren um eine Stunde zurückzudr­ehen.

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