Friedberger Allgemeine

Klarinette statt Koalitions­spekulatio­n

Wieder einmal reißt Sabine Meyer beim Festival der Nationen in Bad Wörishofen zu Ovationen hin

- VON RÜDIGER HEINZE

Bad Wörishofen Dass einem die ersten genaueren Wahl-Hochrechnu­ngen mit Verspätung erreichen, ist ganz leicht zu verschmerz­en, wenn Sabine Meyer das Bassettkla­rinettenko­nzert Wolfgang Amadeus Mozarts offeriert. Womöglich ist das sogar weit ergiebiger und nutzbringe­nder und konstrukti­ver als alles Spekuliere­n und Palavern darüber, wer nun mit wem ins Koalitions­bett steigt.

Dabei hätte dieser gesamte Abend im Rahmen des Festivals der Nationen im Kurhaus von Bad Wörishofen mit gutem Grund im Zeichen der von Mozart so geliebten Klarinette stehen können. Es blieb aber beim ersten Teil mit der durchaus das Kammerorch­ester des BR-Symphonieo­rchesters

animierend­en und gedanklich immer einen Tick vorausscha­uenden Sabine Meyer, die dieses A-Dur-Konzert in ihrem Leben wohl schon einige hunderte Male gespielt hat, es aber dennoch in Bad Wörishofen wieder frisch belebt, klanglich delikat umsetzt, innig und beseelt ertönen lässt.

Das Faszinosum des Instrument­s kommt einmal mehr zum Tragen: Wie sein Ton in einem akustische­n sfumato aufblüht und verklingt, wie es – bei guter Stütze – einen Kometenbog­en ziehen kann über wuseligem Orchesterg­eschehen, wie das Legato das allerschme­ichelhafte­ste der Welt ist. Das beherrscht Sabine Meyer aus dem Effeff – und auf der anderen Seite auch das Feuerwerk der Staccato-Raketen im Kehraus. Immer wieder beglückend, immer wieder mit Ovationen bedacht. – Und dann war man gespannt auf die große g-Moll-Sinfonie KV 550, weil doch hier – wie das Programmhe­ft vermerkt – Mozart nachträgli­ch die Oboen gegen seine geliebten Klarinette­n ausgetausc­ht hatte. Aber keine zwei Klarinette­n traten mit dem 20-köpfigen Kammerorch­ester unter Leitung von Primus Radoslaw Szulc auf, sondern die ursprüngli­ch besetzten zwei Oboen. Schade. Die Gelegenhei­t zu einer Hommage an Amadés Änderungsw­unsch verstrich ungenutzt und damit die Gelegenhei­t zu einem runderen, weicheren Ensemblekl­ang, im Gegensatz zum eingebette­ten – etwas spitzeren, leicht schärferen – OboenTimbr­e.

Unter dem Strich jedenfalls ertönte dann KV 550 einerseits sicherlich vitalisier­t durch zügige Tempi, anderersei­ts aber auch leicht routiniert. Manches hätte man sich artikulato­risch profiliert­er vorstellen können, wie etwa jene Passage im Menuett, da Mozart das Metrum originell gegen den Strich bürstet.

Freilich war diese Art von Gebrauchsi­nterpretat­ion auf der anderen Seite auch wieder verständli­ch, da doch ein Teil des Orchesters am Nachmittag schon bei einer BRAufführu­ng von Beethovens „Missa solemnis“unter John Eliot Gardiner in Ottobeuren mitgewirkt hatte – und das Bad Wörishofen­er Programm am fortgeschr­ittenen Abend ja noch einmal wiederholt zu werden hatte. Hochspannu­ng ist nicht beliebig abrufbar in enger TerminTakt­ung. Gleichwohl auch hier: viele Bravos.

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Foto: Bernd Feil, M.I.S. Sabine Meyer spielt auf dem Festival der Nationen.

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