Endlich ist die 100 geschafft
Lewis Hamilton ist längst eine Legende. Trotzdem ist der britische Weltmeister noch nicht müde und jagt weiter Rekorde. Warum es künftig nicht leichter wird, hat Russland gezeigt
Sotschi Lewis Hamilton hatte ganz schlecht geschlafen. Immer wieder gingen ihm die Ereignisse noch einmal durch den Kopf. Die Nacht zum Sonntag war wenig erholsam. Hamilton schaute sich mehrfach noch die Aufzeichnung der Qualifikation an. Jene Momente, als er durch einen eigenen Fehler eine bessere Startposition verspielte. Als Vierter ging er in Sotschi am Sonntag ins Rennen. Lange Zeit hing er hinter Lando Norris fest. Und hätte am Ende nicht der tückische Regen am Schwarzen Meer für rutschige Verhältnisse gesorgt, Hamilton müsste wohl weiter auf seinen 100. Formel1-Sieg warten.
So aber gewann er, weil er rechtzeitig an die Box gefahren war, um sich All-Wetter-Reifen zu holen, während McLaren Norris zunächst weiter auf der Strecke beließ. Ein Strategiefehler. Mercedes hatte die bessere Taktik, wenngleich sich Hamilton zunächst gegen den Reifenwechsel gesperrt hatte. So aber war es die letztlich richtige Entscheidung. Hamilton durfte über seinen ersehnten Jubiläumserfolg jubeln. „Wow, 100 Siege! Es hat eine lange Zeit gedauert und ich war mir gar nicht mehr so sicher, ob der 100. Sieg überhaupt noch kommen würde“, sagte der 36-Jährige.
Der Brite ist Perfektionist. Ähnlich wie sein Chef Toto Wolff. Und als solche dürfte ihnen die aktuelle Phase bei Mercedes nicht gefallen. Das sonst so perfekte WeltmeisterTeam leistet sich Fehler. In der Strategie, bei Boxenstopps, aber auch bei den Fahrern. Zu sehen am Samstag in der Qualifikation. Hamilton weiß das. Er sagte aber auch: „Trotzdem sind wir noch mitten in diesem Titelrennen. Zweifelsohne wird es schwer werden. In den nächsten Rennen geht es um alles.“
Nur zu gerne würde er am Saisonende seinen achten WM-Titel feiern. Er wäre damit alleiniger Rekordhalter. Noch ist er auf einer Stufe mit Michael Schumacher. Zweifelsfrei ist Hamilton schon jetzt eine Legende. Seit etlichen Jahren ist er das Gesicht der Formel 1. Er behauptet sich an der Spitze, egal, welche Gegner da kommen mögen. 14 Jahre liegen mittlerweile zwischen seinem ersten Grand-PrixSieg 2007 in Kanada und dem nun 100. in Sotschi. Wer über eine solche Zeitspanne so dominiert, muss ein außergewöhnlicher Fahrer sein.
Natürlich profitiert Hamilton von der Stärke des Mercedes-Teams. Natürlich hatte er in vielen Saisons das beste Auto zur Verfügung. Dass das alleine aber nicht den WM-Titel garantiert, zeigt der Blick auf seinen Teamkollegen. Valtteri Bottas wird von Mercedes gleichermaßen unterstützt. Der Finne aber scheitert regelmäßig an seinem Vorhaben, um den Titel zu fahren. Das tut auch in dieser Saison wieder Hamilton.
Die Konkurrenz aber wird immer größer. Max Verstappen liegt nur zwei Zähler hinter dem Briten. Der Niederländer fuhr am Sonntag vom letzten Startplatz auf Rang zwei nach vorne. Letztlich war auch er ein Profiteur des Regenschauers.
Sein Red-Bull-Team hatte sehr zügig mit einem Reifenwechsel reagiert. Aus dieser Aufholjagd zieht Verstappen viel Vertrauen. Er ist bereit für die letzten acht Rennen.
Lando Norris zeigte zudem am Sonntag sein Potenzial. Charles Leclerc im Ferrari gehört ebenso zur jungen, aufstrebenden Generation wie George Russell, der in der neuen Saison an der Seite von Hamilton bei Mercedes fahren wird. All diese Rivalen sind erst Anfang 20, ihnen gehört die Zukunft. Hamilton aber wird noch mindestens bis Ende 2023 fahren. Seine Vormachtstellung wird er nicht widerstandslos hergeben. „Wir sind hier Zeugen einer Karriere, die einfach unglaublich ist“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Und: „Ich bin mir sicher, dass wir in vielen Jahren erst realisieren werden, dass wir ein Teil von einer ganz besonderen Erfolgsstory sind.“
Hamilton kommt aus ärmlichen Verhältnissen, er hat sich den Weg nach oben hart erkämpft. Seine Familie hat ihn immer unterstützt. Hamilton blickt auch gerne über den Motorsport hinaus. Er bekämpft Rassismus und setzt sich für Gleichstellung ein. Er genießt aber auch sein Leben. Er jettet um die Welt, feiert gerne und entwirft selbst Mode. Neben all dem ist er auch noch der derzeit beste Rennfahrer der Welt.