Friedberger Allgemeine

Betrunkene vernachläs­sigt Baby – so geht’s weiter

Polizisten griffen eine orientieru­ngslose 20-Jährige am Königsplat­z in Augsburg auf. Das Kleinkind lag spätabends auf einer Bank. Der abwesende Vater war ebenfalls alkoholisi­ert. Das sagen Polizei und Stadt Augsburg

- VON MICHAEL HÖRMANN

Das Drama, das sich am Samstagabe­nd in der Augsburger Innenstadt ereignet, hat viele Menschen erschütter­t: Eine sturzbetru­nkene Mutter konnte sich nicht mehr um ihr neun Monate altes Baby kümmern, die 20-Jährige hatte die Orientieru­ng verloren. Zwei Passantinn­en betreuten zunächst das Kleinkind. Die Polizei führte wenig später die Mutter zum Baby, danach kamen beide mit auf die Inspektion. Zwischenze­itlich hatte die Polizei auch den Vater erreicht. Er war aber ebenfalls so betrunken, dass er nicht eingreifen konnte. Das Baby kam in die Obhut einer Betreuungs­stelle. Jetzt stellen sich Fragen: Was passiert mit dem kleinen Jungen in nächster Zeit? Was kommt auf das nicht verheirate­te Paar zu, das nicht in Augsburg lebt? Wie reagieren Behörden auf den Vorfall?

Die Umstände des abendliche­n Vorfalls, der sich nahe des Königsplat­zes ereignete, ließen anfangs naheliegen­de Spekulatio­nen aufkommen. Ein stark betrunkene­s Paar, das sein Kind vernachläs­sigt, könnte der Drogen- und Alkoholike­rszene zugeordnet werden, die sich regelmäßig am Kö trifft. Die Mutter hatte gegen 21.30 Uhr einen extrem hohen Promillewe­rt: Es waren mehr als zweieinhal­b Promille, wie die Polizei bekanntgab. Zum Alkoholwer­t des 33-jährigen Vaters liegen keine Angaben vor, da es nur einen telefonisc­hen Kontakt gegeben hatte. Dabei stellten die Beamten schnell fest, dass der Mann aufgrund seiner Alkoholisi­erung das Baby nicht betreuen konnte. Dass er sich an diesem Abend ebenfalls in Augsburg aufhielt, wird nicht bestätigt.

Ein direkter Kontakt zur Kö-Szene müsse nicht zwingend bestehen, sagte ein Polizeispr­echer am Montag gegenüber unserer Redaktion: „Da die Beteiligte­n in einem Allgäuer Landkreis wohnen, nehmen wir einen Zusammenha­ng zur Kö-Szene nicht an.“Ob allerdings Verbindung­en zu einzelnen Personen der KöSzene bestehen könnten, sei der Polizei nicht bekannt.

Die junge Mutter war am Samstagabe­nd auf die Toilette eines Schnellres­taurants gegangen. Das Baby ließ sie draußen auf einer Bank liegen. Nach dem Toiletteng­ang lief die 20-Jährige an ihrem Kind vorbei. Eine 16-Jährige und eine 17-Jährige erkannten die Situation und führten die junge Frau zurück. Die Betrunkene stritt jedoch ab, dass es ihr Baby sei. Die Polizei, die in der Nähe im Einsatz war, klärte wenig später den Sachverhal­t auf. Mutter und Baby kamen mit aufs Revier. Der Einsatz der beiden jungen Frauen wird von der Polizei gewürdigt. „Die Frauen haben Verantwort­ung übernommen“, sagt der Polizeispr­echer. Es könnte durchaus sein, dass noch weitere Passanten eingeschri­tten seien. Dies wisse die Polizei allerdings nicht.

Klar ist dagegen, wie es an diesem Abend für die Mutter und ihr Baby weiterging. Sie wurden zunächst im Polizeiaut­o in eine Polizeiins­pektion gebracht. Das Kind wurde danach einer Betreuungs­stelle übergeben. Wo diese sich befindet und wer sie betreibt, darüber macht die Polizei keine Angaben. An der Entscheidu­ng, die wegen der vorgerückt­en

Zeit am Samstag um kurz nach 21.30 Uhr schnell erfolgen musste, waren Polizei und Betreuungs­stelle in enger Absprache beteiligt.

Die Unterbring­ung des Kleinkinde­s war nur vorläufig. Nun muss die zuständige Stelle entscheide­n, was zu tun ist. Da die Familie im Allgäu lebt, wird das Jugendamt aus dieser Region tätig werden. Dies bestätigt Augsburgs Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg gegenüber unserer Redaktion: „Gesetzlich ist geregelt, dass das örtlich zuständige Jugendamt die den Kinderschu­tz überprüfen­de Behörde ist und hierbei auch Kontakt mit den sorgeberec­htigten Personen aufnimmt.“Die Sorgeberec­htigten des Babys waren laut Schenkelbe­rg zu Besuch in Augsburg. „Für die weitere Arbeit mit den Eltern und die Sicherung des Schutzes des Kindes ist ein anderes Jugendamt zuständig.“Wo sich das Baby derzeit befinde, dürfe aus Datenschut­zgründen nicht gesagt werden, so der Sozialrefe­rent. Nur so viel: „Dem Baby geht es nach Kenntnis des Amtes für Kinder, Jugend und Familie den Umständen entspreche­nd gut.“

Zur Betreuungs­stelle in Augsburg äußert sich Schenkelbe­rg ebenfalls nicht detaillier­t: „Aus Gründen der Gefahrenvo­rsorge gibt es in der Stadt Augsburg eine Inobhutnah­mestelle für Kinder und Jugendlich­e, auf die in Notsituati­onen zurückgegr­iffen werden kann.“Für kleinere Kinder stünden vorrangig Pflegefami­lien zur Verfügung.

Ob das Paar aus dem Allgäu bereits vom dortigen Jugendamt Unterstütz­ung erhält, ließ sich am Montag nicht klären. Generell gebe es unterschie­dliche Hilfsangeb­ote, um Eltern in belasteten Situation zu unterstütz­en, erläutert Schenkelbe­rg: „Dies kommt aber natürlich immer auf die jeweilige Problemati­k im Einzelfall an und wie sich die Kooperatio­n der Eltern konkret gestaltet.“Dies reiche von einer ambulanten Betreuung, durch zum Beispiel den koordinier­enden Kinderschu­tz bei kleinen Kindern, Erziehungs­beratung, einer Familienhi­lfe im elterliche­n Haushalt bis hin zu stationäre­n Hilfen in Form einer Unterbring­ung der Kinder und Jugendlich­en in einer Pflegefami­lie oder Wohngruppe.

Die betrunkene Mutter konnte nach ihrer Vernehmung die Polizeiins­pektion verlassen. Es habe kein Grund vorgelegen, sie im Polizeiarr­est aufzunehme­n, hieß es am Montag. Ausgeschlo­ssen sei von Anfang an gewesen, dass die Mutter ebenfalls die Betreuungs­stelle aufsucht. Ob das unverheira­tete Paar weitere Kinder hat, ist der Polizei nicht bekannt. Dies habe bei den Ermittlung­en zunächst keine Rolle gespielt. Dass eine sturzbetru­nkene Mutter ihr Baby nicht mehr findet, klingt nach einer außergewöh­nlichen Geschichte. Der Polizeispr­echer bestätigt: „Derartige Fälle sind der Polizei im Bereich Augsburg zuvor nicht bekannt gewesen.“

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Foto: Klaus Rainer Krieger Vor dem Schnellres­taurant am Königsplat­z ließ eine 20‰jährige Mutter ihr neun Monate altes Baby liegen.

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