Betrunkene vernachlässigt Baby – so geht’s weiter
Polizisten griffen eine orientierungslose 20-Jährige am Königsplatz in Augsburg auf. Das Kleinkind lag spätabends auf einer Bank. Der abwesende Vater war ebenfalls alkoholisiert. Das sagen Polizei und Stadt Augsburg
Das Drama, das sich am Samstagabend in der Augsburger Innenstadt ereignet, hat viele Menschen erschüttert: Eine sturzbetrunkene Mutter konnte sich nicht mehr um ihr neun Monate altes Baby kümmern, die 20-Jährige hatte die Orientierung verloren. Zwei Passantinnen betreuten zunächst das Kleinkind. Die Polizei führte wenig später die Mutter zum Baby, danach kamen beide mit auf die Inspektion. Zwischenzeitlich hatte die Polizei auch den Vater erreicht. Er war aber ebenfalls so betrunken, dass er nicht eingreifen konnte. Das Baby kam in die Obhut einer Betreuungsstelle. Jetzt stellen sich Fragen: Was passiert mit dem kleinen Jungen in nächster Zeit? Was kommt auf das nicht verheiratete Paar zu, das nicht in Augsburg lebt? Wie reagieren Behörden auf den Vorfall?
Die Umstände des abendlichen Vorfalls, der sich nahe des Königsplatzes ereignete, ließen anfangs naheliegende Spekulationen aufkommen. Ein stark betrunkenes Paar, das sein Kind vernachlässigt, könnte der Drogen- und Alkoholikerszene zugeordnet werden, die sich regelmäßig am Kö trifft. Die Mutter hatte gegen 21.30 Uhr einen extrem hohen Promillewert: Es waren mehr als zweieinhalb Promille, wie die Polizei bekanntgab. Zum Alkoholwert des 33-jährigen Vaters liegen keine Angaben vor, da es nur einen telefonischen Kontakt gegeben hatte. Dabei stellten die Beamten schnell fest, dass der Mann aufgrund seiner Alkoholisierung das Baby nicht betreuen konnte. Dass er sich an diesem Abend ebenfalls in Augsburg aufhielt, wird nicht bestätigt.
Ein direkter Kontakt zur Kö-Szene müsse nicht zwingend bestehen, sagte ein Polizeisprecher am Montag gegenüber unserer Redaktion: „Da die Beteiligten in einem Allgäuer Landkreis wohnen, nehmen wir einen Zusammenhang zur Kö-Szene nicht an.“Ob allerdings Verbindungen zu einzelnen Personen der KöSzene bestehen könnten, sei der Polizei nicht bekannt.
Die junge Mutter war am Samstagabend auf die Toilette eines Schnellrestaurants gegangen. Das Baby ließ sie draußen auf einer Bank liegen. Nach dem Toilettengang lief die 20-Jährige an ihrem Kind vorbei. Eine 16-Jährige und eine 17-Jährige erkannten die Situation und führten die junge Frau zurück. Die Betrunkene stritt jedoch ab, dass es ihr Baby sei. Die Polizei, die in der Nähe im Einsatz war, klärte wenig später den Sachverhalt auf. Mutter und Baby kamen mit aufs Revier. Der Einsatz der beiden jungen Frauen wird von der Polizei gewürdigt. „Die Frauen haben Verantwortung übernommen“, sagt der Polizeisprecher. Es könnte durchaus sein, dass noch weitere Passanten eingeschritten seien. Dies wisse die Polizei allerdings nicht.
Klar ist dagegen, wie es an diesem Abend für die Mutter und ihr Baby weiterging. Sie wurden zunächst im Polizeiauto in eine Polizeiinspektion gebracht. Das Kind wurde danach einer Betreuungsstelle übergeben. Wo diese sich befindet und wer sie betreibt, darüber macht die Polizei keine Angaben. An der Entscheidung, die wegen der vorgerückten
Zeit am Samstag um kurz nach 21.30 Uhr schnell erfolgen musste, waren Polizei und Betreuungsstelle in enger Absprache beteiligt.
Die Unterbringung des Kleinkindes war nur vorläufig. Nun muss die zuständige Stelle entscheiden, was zu tun ist. Da die Familie im Allgäu lebt, wird das Jugendamt aus dieser Region tätig werden. Dies bestätigt Augsburgs Sozialreferent Martin Schenkelberg gegenüber unserer Redaktion: „Gesetzlich ist geregelt, dass das örtlich zuständige Jugendamt die den Kinderschutz überprüfende Behörde ist und hierbei auch Kontakt mit den sorgeberechtigten Personen aufnimmt.“Die Sorgeberechtigten des Babys waren laut Schenkelberg zu Besuch in Augsburg. „Für die weitere Arbeit mit den Eltern und die Sicherung des Schutzes des Kindes ist ein anderes Jugendamt zuständig.“Wo sich das Baby derzeit befinde, dürfe aus Datenschutzgründen nicht gesagt werden, so der Sozialreferent. Nur so viel: „Dem Baby geht es nach Kenntnis des Amtes für Kinder, Jugend und Familie den Umständen entsprechend gut.“
Zur Betreuungsstelle in Augsburg äußert sich Schenkelberg ebenfalls nicht detailliert: „Aus Gründen der Gefahrenvorsorge gibt es in der Stadt Augsburg eine Inobhutnahmestelle für Kinder und Jugendliche, auf die in Notsituationen zurückgegriffen werden kann.“Für kleinere Kinder stünden vorrangig Pflegefamilien zur Verfügung.
Ob das Paar aus dem Allgäu bereits vom dortigen Jugendamt Unterstützung erhält, ließ sich am Montag nicht klären. Generell gebe es unterschiedliche Hilfsangebote, um Eltern in belasteten Situation zu unterstützen, erläutert Schenkelberg: „Dies kommt aber natürlich immer auf die jeweilige Problematik im Einzelfall an und wie sich die Kooperation der Eltern konkret gestaltet.“Dies reiche von einer ambulanten Betreuung, durch zum Beispiel den koordinierenden Kinderschutz bei kleinen Kindern, Erziehungsberatung, einer Familienhilfe im elterlichen Haushalt bis hin zu stationären Hilfen in Form einer Unterbringung der Kinder und Jugendlichen in einer Pflegefamilie oder Wohngruppe.
Die betrunkene Mutter konnte nach ihrer Vernehmung die Polizeiinspektion verlassen. Es habe kein Grund vorgelegen, sie im Polizeiarrest aufzunehmen, hieß es am Montag. Ausgeschlossen sei von Anfang an gewesen, dass die Mutter ebenfalls die Betreuungsstelle aufsucht. Ob das unverheiratete Paar weitere Kinder hat, ist der Polizei nicht bekannt. Dies habe bei den Ermittlungen zunächst keine Rolle gespielt. Dass eine sturzbetrunkene Mutter ihr Baby nicht mehr findet, klingt nach einer außergewöhnlichen Geschichte. Der Polizeisprecher bestätigt: „Derartige Fälle sind der Polizei im Bereich Augsburg zuvor nicht bekannt gewesen.“