Ob gestutzt oder gestärkt: Die Spannung bleibt
Verluste für CSU und AfD, Gewinne für FW, Grüne und SPD: Wie die politischen Spitzen in Aichach-Friedberg mit dem Wahlergebnis umgehen
AichachFriedberg Die CSU im Landkreis Aichach-Friedberg hat mit zwei Direktkandidaten, die in den Bundestag einziehen, ihr Ziel erreicht. So jedenfalls formuliert es CSU-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter Peter Tomaschko am Tag nach der Wahl. „Dass wir mit Ulrich Lange für den Landkreisnorden und Hansjörg Durz für den Süden zwei Vertreter im Bundestag haben, beweist, wie sehr die Bürgerinnen und Bürger mit unserer Arbeit zufrieden sind.“Die teils schlechten Ergebnisse der CSU bei der Zweitstimme in einigen Kommunen wie Mering führt Tomaschko unter anderem auf den Bundeskanzlerkandidaten zurück. „Mit einem Markus Söder hätten wir hier in Bayern andere Zweitstimmenergebnisse erzielt.“Aber auch der „unfaire Wahlkampf“der Freien Wähler habe der CSU Stimmen gekostet. „Sie bedienten sich mit ihren Methoden im konservativen Lager.“Was die Zukunft bringe und ob die CDU/CSU in der Regierungsverantwortung stehe, werde sich zeigen. „Ich hoffe noch, dass wir gemeinsam mit Grünen und FDP eine stabile Regierung bilden können.“Für die Zukunft müsse man gewappnet sein. Aber dies sei keine Richtungswahl für die Landtagswahl 2023. „Hier wird es darum gehen, dass wir mit unserer Politik die bayerischen Wählerinnen und Wähler erreichen.“
Sandra Lederer, Kreisvorsitzende der SPD, sieht in den Zuwächsen ihrer Partei auf Landesebene sehr wohl Rückenwind für die Landtagswahl 2023. „Wer hätte noch vor Monaten gedacht, dass wir in Bayern 23 Listenkandidatinnen und -kandidaten im Bundestag haben werden.“Trotz aller Freude sei es gerade für die SPD-Bewerberin Heike Heubach sehr bitter, dass sie so knapp gescheitert ist. „Es hat nur ein Platz gefehlt“, sagt Lederer. „Sie ist jedenfalls die erste Nachrückerin, und das ist eine gute Ausgangsposition.“Im Landkreis sei die SPD mit dem zweitstärksten Ergebnis gut vertreten und habe es geschafft, einen Rechtsruck zu verhindern. Dieser Kurs müsse fortgesetzt werden. Sie hofft, dass es zu einer Koalition der SPD mit Grünen und FDP kommt. „Ich setze auf die Grünen, die im Vorfeld der Wahlen immer wieder signalisiert hatten, dass sie mit uns zusammenarbeiten würden.“
Grünen-Politikerin Christina Haubrich ist seit 2018 für den Stimmkreis Aichach-Friedberg im Landtag. Sie sieht die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen als „völlig offen“an. Es gehe vor allem darum, zu sondieren, mit welcher Partei sich die Klimaziele am besten realisieren lassen. „Klimaschutz und Klimapolitik sind keine Themen mehr, die man aufschieben kann“, sagt sie. Christina Haubrich lobt die Wahlkampfarbeit von Stefan Lindauer. „Zuerst starteten wir mit super Zahlen in den Wahlkampf, dann wurden die Prognosen etwas ernüchternder, und trotzdem hat Stefan sich davon nicht beirren lassen.“Er habe immer wieder versucht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, um so die grüne Politik mit Sachargumenten zu vermitteln. Die Bundestagswahl mag sie aber nicht als Signal für die Landtagswahl sehen. „Das hängt wirklich sehr davon ab, wie die Koalitionsverhandlungen für uns Grüne ausgehen.“
Karlheinz Faller ist hochzufrieden: „Großartig, ein tolles Ergebnis.“Der FDP-Kreisvorsitzende spricht nicht nur vom Bundesergebnis seiner Partei, sondern gleichermaßen von den Zahlen im Wittelsbacher Land. Mit zweistelligen Ergebnissen seien die Liberalen sehr gut dabei, freut sich der Kreisrat aus Dasing. Er attestiert den eigenen Kandidaten und Mitgliedern einen „guten und engagierten Wahlkampf“. Faller findet es besonders positiv, dass die Wähler nahezu durchweg die Mitte gestärkt und die Ränder geschwächt hätten. Vorne seien vor allem die konsensfähigen Parteien. Und was ist seine Wunschkoalition? Faller kann sich beide derzeit auf dem Tisch liegenden Bündnismöglichkeiten vorstellen. Er persönlich tendiere leicht zu Jamaika – also Union, Grüne und FDP: Das sei die programmatisch realistischere Konstellation, um die Themen Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung voranzubringen. Aber auch eine Ampel-Regierung ist für Faller „in Ordnung“. Bei einem Bündnis mit SPD und Grünen müsse aber sichergestellt sein, dass die FDP-Positionen festgezurrt werden.
Erich Nagl ist hin- und hergerissen: „Das Ziel Bundestag ist klar verfehlt worden. Wir wussten vorher, dass es schwierig wird“, so der Kreisvorsitzende der Freien Wähler (FW). Mit den Zuwächsen gegenüber der Bundestagswahl 2017 um bis zu sechs Prozentpunkten in den beiden Wahlkreisen ist Nagl dagegen absolut einverstanden. Der frühere Dasinger Bürgermeister und aktuelle FWFraktionschef im Kreistag lobt die beiden Direkt-Kandidaten der Freien Wähler in Augsburg Land (Marina Jakob) und Donau-Ries (Ulrich Reiner), die mehr oder zumindest gleich viele Erststimmen wie Zweitstimmen für ihre Partei holten. Unglücklich fand Nagl die Aussagen von FWChef Hubert Aiwanger, warum er sich selbst nicht impfen lassen will: „Ich finde, da hat er sich ungeschickt verhalten.“Ob sich das auf das Wahlergebnis der FW ausgewirkt hat, könne er nicht einschätzen. Zum Teil habe das vielleicht einige Stimmen gebracht. Nagl kennt auch potenzielle Wähler, die gesagt hätten: „Das geht gar nicht.“
Rainer Kraft hat sein Wahlkreisbüro in Aichach und bleibt für die AfD weiter im Bundestag. Er sei unter seinen eigenen Erwartungen geblieben, sieht jedoch laut Mitteilung auch positive Aspekte. „Frau Merkel ist weg, Die Linke nur noch ein Schatten ihrer selbst, Frau Baerbock nicht Kanzlerin – das ist die positive Bilanz.“Er spricht allerdings auch von einer „düsteren Zukunft“. Die erkennbare Unzufriedenheit der Bürger habe sich mit Stimmen für „die Kleinstparteien der Freien Wähler und dieBasis leider in Luft aufgelöst“.