Friedberger Allgemeine

Rätsel um „Querdenker“‰Schule

Die illegale Einrichtun­g in Oberbayern ist auch der „Reichsbürg­er“-Szene zuzuordnen. Eine Spur führt zudem zu einer dubiosen russischen Stiftung. Was hat es damit auf sich?

- VON STEPHANIE SARTOR

Schechen Auf den ersten Blick ist es ein ganz gewöhnlich­es Bauernhaus. Eines, das im idyllische­n Oberbayern nicht weiter auffällt. Auf dem Gelände steht noch ein Holzstadel, gleich nebenan beginnt ein kleiner Wald, an einem Baum auf einer sattgrünen Wiese baumelt eine Schaukel. Bilderbuch-Bayern. Nur: Dieser erste Eindruck täuscht gewaltig. Gewöhnlich ist hier, in Schechen im Landkreis Rosenheim, nichts. Wie berichtet, haben Vertreter der sogenannte­n „Querdenker“- und „Reichsbürg­er“-Szene dort offenbar eine eigene Schule aufgebaut. Nun gibt es neue Details, wer hinter dem ominösen Projekt steckt.

Als Betreiber fungiert offenbar eine Stiftung namens „Freiheit braucht Mut“– und die gibt den Behörden einige Rätsel auf. „Wir wissen nicht, wer sich hinter dieser Stiftung verbirgt“, sagt Wolfgang Rupp, Sprecher der Regierung von Oberbayern. „Sie sagen, sie seien nach russischem Recht anerkannt“, fährt er fort. Im deutschen Stiftungsv­erzeichnis sei „Freiheit braucht Mut“indes nicht registrier­t. „Wir haben auch Zweifel daran, dass die Stiftung in Russland anerkannt ist. Und selbst wenn: Wer in Deutschlan­d eine Schule einrichten will, muss sich an deutsches Recht halten“, macht der Regierungs­sprecher deutlich. Die Behörde hatte die nicht genehmigte Bildungsei­nrichtung am vergangene­n Mittwoch nach Hinweisen aus der Bevölkerun­g geschlosse­n.

Mittlerwei­le liegen der Regierung von Oberbayern einige Schriftstü­cke der undurchsic­htigen Stiftung vor, wie Rupp im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt. Darauf gebe es Hinweise, die mehr über die ideologisc­he Ausrichtun­g verrieten. So gebe es etwa einen Sprachgebr­auch, der typisch sei für die Bewegung der „Reichsbürg­er“. „Der Staat sei nur ein Privatunte­rnehmen, heißt es da etwa“, sagt Rupp. Genau diese Delegitimi­erung des Staates, also die Nichtanerk­ennung der Bundesrepu­blik Deutschlan­d als legitimer und souveräner Staat, ist einer der Kernpunkte der „Reichsbürg­er“, die immer wieder in die Schlagzeil­en geraten. Die Bewegung wird vom Verfassung­sschutz beobachtet.

Das Kuriose an der Stiftung „Freiheit braucht Mut“ist, dass wenig über sie zu finden ist. Selbst im Internet nicht, eine deutschspr­achige Homepage scheint es nicht zu geben. Befürworte­r indes gibt es im

Netz genügend, wie Recherchen unserer Redaktion zeigen. In einem einschlägi­gen Telegram-Kanal mit mehr als 55000 Abonnenten, der der „Querdenker“-Szene zuzuordnen ist, wurde vor wenigen Tagen ein Video veröffentl­icht, das das Schechener Schulkonze­pt verteidigt. „Für alle Eltern, die auf Maskenpfli­cht und Testzwang bei ihren Kindern verzichten möchten“, heißt es da. Und: „Ein Modell, was Schule machen sollte.“Die Kommentare der Nutzer gehen in die gleiche Richtung: „Bildung jetzt selbst organisier­en ist enorm wichtig – das russische Modell ist sehr interessan­t“, schreibt ein User. Und eine weitere Nutzerin, die scheinbar in das Projekt involviert ist, schreibt am 23. September: „Wir haben heute und morgen den Schulbetri­eb dort eingestell­t, da wir vermuten mussten, dass die Polizei dort erscheint. Das wollten wir den Kids ersparen.“Nun seien „Schreiben aus Russland unterwegs an sämtliche bayerische und deutsche Ministerie­n.“

Direkten Kontakt zu den Drahtziehe­rn des illegalen Schulbetri­ebs zu bekommen, sei schwer, sagt Rupp von der Regierung von Oberbayern. „Die einzige Person, die man greifbar machen kann, ist die

Schulleite­rin.“Nach aktuellen Informatio­nen ist sie eine verbeamtet­e Lehrerin einer Grund- und Mittelschu­le im Raum Oberbayern und seit Monaten im Krankensta­nd. Wie es mit ihr weitergeht, ob und welche dienstrech­tlichen Maßnahmen eingeleite­t werden, dazu könne er aus Datenschut­zgründen nichts sagen, erklärt Rupp. „Aber Sie können sich sicher denken, dass wir nicht untätig sind.“

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass eine solche Schule in den Fokus tritt. Erst im vergangene­n Sommer wollte ein Verein aus dem Milieu der Coronaleug­ner eine neue Schule in Hamburg gründen – auch ohne Masken und ohne Tests. Es gab sogar einen offizielle­n Antrag – einem Bericht der taz zufolge wurde der dann aber wieder zurückgezo­gen.

Die Initiatore­n des illegalen Schulbetri­ebs in Schechen halten sich bisher an das behördlich­e Verbot, sagt Regierungs­sprecher Rupp gegenüber unserer Redaktion. Es seien seit der Schließung keine Kinder oder Eltern mehr zu dem alten Hof gekommen, der so unscheinba­r in der oberbayeri­schen Idylle liegt. Ein ganz gewöhnlich­es Bauernhaus eben. Zumindest auf den ersten Blick.

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