Friedberger Allgemeine

Biles bedauert Olympia‰Start

Sechs Wochen nach Olympia kommt die Sportlerin zu einer späten Erkenntnis. Zu groß war der Tribut nach den sexuellen Misshandlu­ngen

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New York Turn-Superstar Simone Biles hat ihren Start bei den Olympische­n Spielen in Tokio im Nachhinein als Fehler bezeichnet. „Wenn man schaut, was ich in den letzten sieben Jahren alles durchgemac­ht habe, hätte ich nie wieder zum Olympia-Team gehören dürfen“, sagte Rekordwelt­meisterin Biles dem New York Magazine und ergänzte: „Ich hätte schon lange vor Tokio aufhören sollen.“

Die 25-malige WM-Medailleng­ewinnerin und vierfache Olympiasie­gerin von Rio de Janeiro gehörte zu hunderten Turnerinne­n und deren Eltern, die wegen sexuellen Missbrauch­s gegen den früheren amerikanis­chen Teamarzt Larry Nassar geklagt hatten. Dies habe einen „hohen emotionale­n Tribut“gefordert. „Es war zu viel. Aber ich wollte nicht zulassen, dass er mir etwas wegnimmt, wofür ich hart gearbeitet habe, seit ich sechs Jahre alt war“, sagte Biles. Daher habe sie das so lange verdrängt, „wie mein Geist und mein Körper es mir erlaubten.“

Die 24 Jahre alte Ausnahmeat­hletin aus Ohio galt vor Tokio als Kandidatin auf mehrere olympische Goldmedail­len. Doch nach ihrem Ausstieg beim Team-Finale hatte sie mentale Probleme öffentlich gemacht und danach auf mehrere Finalstart­s verzichtet. Die Bronzemeda­ille am Schwebebal­ken war für sie wie ein kleiner Triumph.

Erst vor wenigen Tagen hatte Biles gemeinsam mit anderen TurnOlympi­asiegerinn­en vor dem USSenat

schwere Vorwürfe gegen das FBI und andere erhoben. Bei einer Anhörung im Justizauss­chuss der Kongresska­mmer schilderte sie auf eindringli­che Weise ihre schrecklic­hen Erlebnisse. Biles beklagte, die US-Bundespoli­zei und Verantwort­liche der zuständige­n Sportverbä­nde hätten ihre Hinweise auf den Missbrauch lange Zeit nicht verfolgt und so mitverschu­ldet, dass Nassar viele weitere Mädchen habe missbrauch­en können.

Nassar war seit Sommer 2017 in insgesamt drei Urteilen für seine kriminelle­n Übergriffe auch gegen Minderjähr­ige zu Gefängniss­trafen von bis zu 175 Jahren verurteilt worden. Er hatte sich in den Verfahren schuldig bekannt, mehrere

Mädchen sexuell misshandel­t zu haben. Der 58-Jährige verbüßt eine lebenslang­e Haftstrafe, nachdem er sich Ende 2017 und Anfang 2018 schuldig bekannt hatte, Frauen und Mädchen sexuell missbrauch­t zu haben. „Meine Perspektiv­e hat sich noch nie so schnell geändert, vom Wunsch, auf einem Podium zu stehen, zu dem Wunsch, allein und ohne Krücken nach Hause zu gehen“, berichtete Biles mit einigem Abstand über ihre Zeit in Tokio.

Sie hofft nun, dazu beitragen zu können, das Stigma rund um die psychische Erkrankung bekämpfen zu können. „Daran werde ich wahrschein­lich 20 Jahre lange arbeiten. Es ist ein ständiger Prozess“, sagte sie dem

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Foto: dpa Simone Biles wollte unbedingt bei den Olympische­n Spielen in Tokio dabei sein. Im Nachhinein bezeichnet sie ihre Teilnahme als Fehler.

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