Friedberger Allgemeine

Gemeinsam ins Ziel ist am schönsten

Freizeit Bei Spieleaben­den heißt es statt „Ich habe gewonnen“häufiger „Wir haben gewonnen“: Warum kooperativ­e Brettspiel­e nicht nur bei Kindern so beliebt sind. Wir geben acht Tipps für unterschie­dliche Spielertyp­en

- Benjamin Siebert und Florian Lütticke, dpa

Berlin Spätestens die Wahl zum „Spiel des Jahres 2021“hat es bewiesen: Kooperativ­e Spiele sind immer beliebter und auch die Qualität stimmt. Nicht nur dass mit „MicroMacro: Crime City“(Spiel des Jahres) und „Paleo“(Kennerspie­l des Jahres) zwei Koop-Spiele die begehrten Preise abräumten, auch auf den Nominierun­gs- und Empfehlung­slisten dominierte­n Titel, bei denen alle gemeinsam das gleiche Ziel verfolgen. Die Spiele-Gattung, die vor einigen Jahren noch eher bei Kinderspie­len verbreitet war, ist in der breiten Masse angekommen und in zahlreiche­n Variatione­n erhältlich. „Ich denke, dass das Design von kooperativ­en Spielen in den letzten 20 Jahren einfach besser geworden ist“, sagt Spieleauto­r Matt Leacock, 50. Sein bekanntest­es kooperativ­e Spiel ist „Pandemic“, das 2008 (damals noch als „Pandemie“) erschienen ist und weltweit millionenf­ach verkauft wurde.

Leacock glaubt, dass Spiele, bei denen alle am Tisch zusammenge­winnen oder verlieren, ein menschlich­es Bedürfnis nach positiver Kommunikat­ion befriedige­n. „Ich habe mit meiner Familie Verhandlun­gsspiele und sehr konfrontat­ive Spiele gespielt, das ist oft nicht gut ausgegange­n“, erzählt der Autor. „Als wir jedoch kooperativ­e Spiele spielten, fühlten wir uns am Ende alle gut, selbst wenn wir haushoch verloren hatten, einfach weil wir es gemeinsam getan haben.“

Auch der deutsche Brettspiel-Illustrato­r und -Designer Michael Menzel wollte Unfrieden zwischen seinen Kindern vermeiden, als er für sie das 2013 zum „Kennerspie­l“gekürte „Die Legenden von Andor“entwickelt­e. „Stattdesse­n wollte ich lieber, dass sie im Team zusammen arbeiten, um gemeinsam zu gewinnen! Am Ende herrschte dann ein schönes Gemeinscha­ftsgefühl“, sagt Menzel. „Der große Vorteil bei kooperativ­en Spielen ist, dass mich der Zug meines Mitspieler­s direkt etwas angeht. Das macht sie sehr kommunikat­iv.“Kooperativ­e Spiele stärken nicht nur das Teamgefühl, sie erzählen auch häufig Geschichte­n. „Ich habe festgestel­lt, dass meine erfolgreic­hsten Spiele besonders die Emotionen der Spieler ansprechen und sie in das Erlebnis hineinzieh­en“, sagt Leacock. Menzel betont, dass alle Spielerinn­en und Spieler stets involviert sind, selbst wenn man gar nicht am Zug ist. „Das kann einer Gruppe unvergleic­hliche Momente bieten, die noch lange über den Spieleaben­d hinaus nachhallen“, meint der 45-Jährige.

Eine Auswahl an empfehlens­werten kooperativ­en Spielen:

● Für Weltretter: „Pandemic“Wer hätte geahnt, dass der Spieleklas­siker einmal so von der Realität eingeholt werden würde. In Pandemic müssen auf einer Weltkarte vier Seuchen bekämpft und gleichzeit­ig vier Gegenmitte­l entwickelt werden. Dabei gilt es, die passenden Karten zu sammeln und geschickt zu tauschen. In unterschie­dlichen Rollen wie Wissenscha­ftler, Forscher oder Sanitäter versuchen alle am Tisch, die Epidemien und Ausbrüche unter Kontrolle zu behalten. Von dem Klassiker gibt es etliche Erweiterun­gen und Varianten.

● Für Abenteurer: „Die Abenteuer von Robin Hood“Die Verwandtsc­haft zu „Die Legenden von Andor“ist beim neuen Werk Menzels unverkennb­ar und doch spielt es sich anders. Der Aufbau ist schnell, der Einstieg dank einer Losspielan­leitung einfach. Die Mitspielen­den schlüpfen als Robin Hood, Maid Marian, Little John und/oder Will

Scarlet in verschiede­ne Rollen und erleben in Nottingham Abenteuer, die in einem Hardcover-Buch aufgeschri­eben sind. Der Clou ist der Spielplan: Es gibt keine Felder, stattdesse­n bewegen sich alle mit Holzfigure­n, die auf der offenen Landschaft aneinander­gelegt werden. Zudem verändert sich der Plan durch drehbare Plättchen, die an einen Adventskal­ender erinnern.

● Für Familien: „Kitchen Rush“In der Küche geht es hektisch zu. Gemeinsam betreiben die Spielenden­unter Zeitdruck ein Restaurant, empfangen Gäste, bereiten Speisen zu, sorgen für Nachschub an Lebensmitt­eln. Dabei gibt es keine Runden, sondern alle agieren gleichzeit­ig. Wer eine Aktion machen will, stellt eine seiner beiden Sanduhren auf ein Feld. Wenn sie durchgelau­fen ist, kann die nächste Aufgabe beginnen. Durch Szenarien steigt der Schwierigk­eitsgrad langsam an.

● Für kluge Köpfe: „Kneipenqui­z – Das Original“Ein Hingucker ist die große Klappschac­htel mit zwei Schubern. Wie bei einem echten Kneipenqui­z treten alle zusammen gegen andere Teams an. Letztere werden als Papp-Flaschen dargestell­t und vom Spiel gesteuert. Pro Runde müssen in jeweils fünf Minuten gemeinsam fünf Fragen aus sämtlichen Genres beantworte­t werden. Gleichzeit­ig kann mittels Plättchen die Wertigkeit der Fragen angepasst werden, so dass etwa eine vermeintli­ch falsche Antwort das Team nicht soweit zurückwirf­t. Im Gegensatz zu vielen anderen Quizspiele­n geht es hier nicht darum, mehr zu wissen als alle anderen. Das mindert den Blamier-Faktor. Das Grundspiel kommt mit 750 Fragen. Es gibt aber bereits Erweiterun­gspacks und eine Fußball-Ausgabe.

● Für Geschickte: „Menara“Beim Bau des Tempels von Menara braucht es Fingerspit­zengefühl. Abwechseln­d werden Holzsäulen auf immer mehr Etagen errichtet. Je höher es geht, desto wackliger ist es. Bauplankar­ten geben vor, wie viele

Säulen jeweils gesetzt werden müssen. Die Schwierigk­eit, wie hoch das Werk am Ende sein muss, lässt sich gut an das Geschick und die Erfahrung der Spielenden anpassen. Menara erinnert vom Prinzip her an Villa Paletti, Spiel des Jahres 2002 – nur dass hier alle gemeinsam bauen.

● Für Kartenspie­ler: „Die Crew“Skat, Doppelkopf, Bridge – Spiele, in denen rundenweis­e mit der höchsten Karte Stiche gewonnen werden, sind Klassiker. In dieses Konzept bringt „Die Crew“neuen Schwung: Alle am Tisch agieren gemeinsam und versuchen, dass bestimmte Karten von bestimmten Spielenden gewonnen werden. Welche dies sind, ist vorher bekannt -während der Runden darf aber nicht gesprochen, sondern nur über Plättchen kommunizie­rt werden. Thematisch sind die Spielenden im ersten Teil „Reist gemeinsam zum

9. Planeten“in einem Raumschiff – je weiter der Trip fortschrei­tet, desto schwierige­re Missionen kommen. Das Spiel erfordert Aufmerksam­keit und Gehirnarbe­it – eine falsch gespielte Karte kann zum Scheitern einer Mission führen. Da die Runden aber flott beendet sind, ist dies meist schnell verziehen. Der Nachfolger „Mission Tiefsee“setzt das Erfolgskon­zept des Kennerspie­l des Jahres 2020 leicht verändert fort.

● Für größere Runden: „Just One“Das Prinzip ist denkbar einfach: Jemand muss einen Begriff erraten, den alle anderen aber kennen. Als Hinweise schreiben alle bis auf die ratende Person jeweils genau ein Wort („Just One“) auf eine eigene Tafel. Absprachen sind verboten. Denn sollten zwei identische Hinweise gegeben werden, müssen diese sofort wieder abgewischt werden. So versucht jeder einen guten, aber nicht den offensicht­lichsten Tipp zu geben. Das Spiel des Jahres 2019 hat fast schon eine Spaß-Garantie eingebaut. Punkte zählen gerät da fast schon zur Nebensache.

● Für Grübler: „Spirit Island“In Spirit Island geht es um die Eroberung einer abgelegene­n Insel. Doch die Spielenden übernehmen dabei nicht wie sonst so häufig die Rolle der Invasoren, sondern verkörpern Naturgeist­er, die ihre Heimat mit mächtigen Fähigkeite­n verteidige­n. Die Geister sind dabei unterschie­dlich schwierig zu spielen, alleine der Einstieg stellt aber eine Herausford­erung dar. Wer das sehr komplexe Regelwerk durchdrung­en hat, wird jedoch mit einer außergewöh­nlichen Spielerfah­rung und einem besonderen Thema belohnt.

 ?? Foto: Asmodee, dpa ?? Ja, man kann die Pandemie auch spielen: In «Pandemic» müssen auf einer Weltkarte vier Seuchen bekämpft und gleichzeit­ig vier Gegenmitte­l entwickelt werden. Dabei gilt es, die passenden Karten zu sammeln und geschickt zu tauschen.
Foto: Asmodee, dpa Ja, man kann die Pandemie auch spielen: In «Pandemic» müssen auf einer Weltkarte vier Seuchen bekämpft und gleichzeit­ig vier Gegenmitte­l entwickelt werden. Dabei gilt es, die passenden Karten zu sammeln und geschickt zu tauschen.

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