Friedberger Allgemeine

Die Show muss weitergehe­n

Kunst Eine geplatzte Rolle als Handdouble, eine Kuh-Herde als andächtige­s Publikum und ein Konzert mit nur einem Zuhörer: Augsburger Musiker erzählen von Pleiten, Pech und Pannen

- VON SILVIA KÄMPF

Um den Eindruck zu erwecken, Klavierspi­elen zu können, bedienen sich Schauspiel­er schon einmal eines Hand-Doubles. Die Hochzoller Pianistin Stephanie Knauer wurde schon einmal für einen solchen Auftrag angefragt. Sie sollte der bayerische­n Schauspiel­erin Uschi Glas für den Zweiteiler „Familienba­nde“ihre Fingerfert­igkeit borgen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Stephan Kaller fuhr Knauer also nach München, um die Szene einzuspiel­en. Musikpädag­oge Kaller sollte Schauspiel­er Helmut Zierl doubeln. Gesendet wurde die Aufnahme allerdings nie. Auch andere Augsburger Künstler haben einiges über schiefgela­ufene Auftritte zu erzählen. Im Nachhinein lässt es sich meist auch darüber schmunzeln.

Wenn Stephanie Knauer zurückdenk­t, war es der Kameramann, der ihren Einsatz für Uschi Glas platzen ließ. Ihm fiel damals auf, dass Knauers Hände eigentlich zu jung waren, um glaubhaft die der Protagonis­tin zu doubeln. Nachdem dieses Ereignis schon einige Jahre her ist, erscheint jetzt ein Lächeln auf Stephanie Knauers Gesicht, wenn sie auf ihre Hände blickt. „Heute“, meint sie ironisch, „wäre das vielleicht anders.“

Auch Stephan Kallers Hände wurden im Film nie gezeigt. Und er erzählt von anderen Missgeschi­cken, die im Lauf von Konzertrei­sen passierten und für die er ein einfaches Rezept entwickelt hat: Offenheit. Wer seinem Publikum vor Beginn eines Auftritts mitteile, dass er sich gerade in einer misslichen Lage befinde, gewinne dessen Sympathie und die eigene Anspannung löse sich. So erklärte er etwa einmal den Zuhörern in der Slowakei, warum er zu Smoking, Frackhemd und Fliege braune Wildleders­chuhe trug: Er hatte die Konzertsch­uhe im Hotel vergessen. Auch in Island kam es einmal zu einem Ausrutsche­r: Bereits in Konzertkle­idung, glitt Kaller beim Aussteigen aus dem Auto auf dem spiegelgla­tten Parkplatz aus und holte sich blutige Finger. Und weil die Saalbeleuc­htung während eines Gewitters in Italien die Tasten nur mit Unterbrech­ungen erhellte, spielte er an jenem Konzertabe­nd ganze Passagen im Stockdunke­ln. Dabei gelang es ihm eigener Erzählung nach trotzdem, einen aufgeschre­ckten Nachtfalte­r vor dem nächsten Akkord zu retten, indem er ihn von der Tastatur wedelte, während er mit der anderen Hand weiterspie­lte.

Thomas Konzmann weiß aus seiner 45-jährigen Zeit als Hobby- und Freizeitmu­sikant in Augsburg und Umgebung auch so einiges zu erzählen. Abwechseln­d ist er mit unterschie­dlichen Bands unterwegs. An manche Erlebnisse erinnert er sich mit einem Schmunzeln, an andere mit einem Kopfschütt­eln. Ein Engagement der Lechtown Kneeoilers bei einem Geschäftse­ssen für eine chinesisch­e Delegation in einem großen Augsburger Unternehme­n vereinte beide dieser Komponente­n miteinande­r: Bereits nach dem ersten Stück kam einer der Organisato­ren auf die Musiker zu und bat sie etwas kleinlaut, aufzuhören. Stattdesse­n sollten die Kneeoilers essen und trinken, auch die vereinbart­e Gage wurde in voller Höhe zugesicher­t. Als Grund für die Unterbrech­ung wurde angeführt, dass der chinesisch­e Delegation­sleiter keinen Jazz mag. Ganz anders bei einer größeren Privatfeie­r auf einer Almhütte auf dem bayerische­n Sudelfeld. Die Stimmung der Gäste sei prächtig gewesen, als bei Einbruch der Dunkelheit etwa 50 Kühe von umliegende­n Almen angetrabt kamen, sich im Halbkreis um die improvisie­rte Bühne stellten und bis zum Schluss „andächtig und mucksmäusc­henstill“dem Dixieland lauschten.

Nur einen einzigen Auftritt hat Wolfgang Lackerschm­id, ein Meister des Vibraphons, im Lauf seines 50-jährigen Künstlerle­bens versäumt. Zugetragen habe sich das in der Tschechosl­owakei, in einer Zeit in den 1980ern, als er regelmäßig mit viel bürokratis­chem Aufwand hinter dem „Eisernen Vorhang“zu Gast war. Bei einem Jazzfestiv­al kam die ganze Crew so spät zum Konzert, dass nur noch der Veranstalt­er im Saal saß. Das Publikum war inzwischen gegangen.

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Foto: Christina Bleier Die Augsburger Pianistin Stephanie Knauer sollte einmal als Handdouble für Uschi Glas arbeiten. Der Auftritt platzte.

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