Vom Startup zum Weltmarktführer
Wirtschaft Alles begann mit 35 Beschäftigten in Kissing. Mittlerweile beschäftigt Ambu Innovation mehr als 100 Menschen, sitzt in einem der modernsten Bürogebäude und gilt als führend im Bereich der Einmal-Endoskope
Wie ein Wurm schlängelt sich ein etwa fingerdicker Schlauch durch den menschlichen Körper, an seiner Spitze sitzt eine winzige Kamera. Es ist ein Endoskop auf dem Weg zu Organen und Körperhöhlen, von denen aus es Bilder liefern soll, die etwas über den Gesundheitszustand des Patienten aussagen.
Die Endoskopie gehört heute zu den gängigen Diagnostik-Methoden in der Medizin. Die Magen- oder Darmspiegelung sind Beispiele dafür. Endoskope sind dabei hoch komplexe Apparaturen, die Optik, Mechanik und Elektronik miteinander verbinden und in denen viel Fachwissen der beteiligten Ingenieure steckt. Einige dieser Entwickler sitzen in Augsburg und tüfteln hier an der Medizintechnik der Zukunft.
Ihre Räume haben die Beschäftigten der Ambu Innovation GmbH seit Kurzem im Weitblick im Innovationspark, wo sie sterile EinmalEndoskope zur Untersuchung des Magen- und Darmtraktes entwickeln. Dass der Fokus des Unternehmens auf einem Einmal-Produkt liegt, hat seinen Grund: Die Reinigung wiederverwendbarer Endoskope ist aufwendig und zeitintensiv, sagen die Experten. „Trotz des hohen Aufwands bleibt ein Restrisiko, sich über ein gereinigtes Endoskop mit Bakterien und Keimen zu infizieren. Das belegen Studien“, weiß auch Geschäftsführer Marc Henzler. Mit dem Einsatz von sterilen Einmal-Endsokopen könne dieses Risiko beseitigt und so dem obersten Prinzip, die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, Rechnung getragen werden. „Deshalb betreiben wir
nicht unerheblichen Aufwand in Forschung und Entwicklung“, so Henzler weiter.
Die Corona-Pandemie habe dies weiter verdeutlicht. Der EinmalEndeskopie gehöre daher aus Sicht der Entwicklerinnen und Entwickler aus Augsburg die Zukunft. Wer ihnen bei der Arbeit zusieht, tut dies in einer besonderen Umgebung: Büro- und Laboreinheiten im Weitblick sind nicht strikt voneinander getrennt, sondern miteinander verwoben. Feste Schreibtische haben die Mitarbeiter nicht, jeder sitzt, wo es für den Tag passt. Wer in Ruhe telefonieren will, geht in eine der Telefonboxen, und will man sich mit Kollegen einer anderen Abteilungen austauschen, begibt man sich dabei auf eine Reise durch Europa. Denn die einzelnen Büro- und Laboreinheiten tragen Namen wie „Frankreich“, „Spanien“, Österreich“, „Deutschland“oder „Dänemark“. Aber auch tatsächlich ist das Medizintechnikunternehmen sehr international. Die Ambu Innovation GmbH beschäftigt Mitarbeiter aus zehn verschiedenen Nationen, die Bürosprache ist Englisch.
Dass ihr Unternehmen einmal so weit kommen wird, haben die Gründer des Start-ups Invendo Medical, aus dem die Ambu Innovation GmbH hervorgegangen ist, wohl nicht gedacht. Vor rund vier Jahren ist das Unternehmen aus Kissing vom dänischen Unternehmen Ambu – bekannt geworden durch die Erden findung des Ambu-Beatmungsbeutels für die Notfallmedizin – gekauft worden und seither eine einhundertprozentige Tochter. Zuvor war es mit 35 Mitarbeitern inklusive Produktion in Kissing tätig. Schon damals hatte man sich mit der Entwicklung und Herstellung von sterilen Einmal-Endoskopen befasst. Heute sind am hochmodernen Standort im Innovationspark mehr als 100 Mitarbeiter tätig, davon 80 Prozent Ingenieure. Die Produktion ist nach Malaysia verlagert worden, wo auch Geräte der Mutter Ambu A/S gefertigt werden. Auch sie ist unter anderem auf sterile EinmalEndoskopen spezialisiert – mit den Anwendungsfeldern Bronchoskopie, HNO und Urologie. Mit dem
Start-up aus Kissing haben die Dänen ihr Portfolio „strategisch sinnvoll“erweitert, so Ambu Innovations-Geschäftsführer Marc Henzler.
In Augsburg stellt die Ambu Innovation GmbH entwicklungsbegleitend nur vorklinische Prototypen her. Hierfür gibt es einen eigenen Bereich mit 3D-Drucker. Damit die Geräte auch in ihrer Anwendung getestet werden können, hat das Medizintechnikunternehmen sogar einen eigenen Muster-OP. „Es gibt kaum komplexere EinwegMedizinprodukte als jene, die wir hier entwickeln“, erläutert Entwicklungsleiter Daniel Roppenecker den Aufwand. Aus rund 150 individuellen Einzelteilen bestehen die Geräte aus Augsburg, deren Handhabung von den Medizinern hohes handwerkliches Geschick und Können erfordert. „Deshalb ist es wichtig, dass die Ärzte in unsere Entwicklung mit einbezogen werden“, so Roppenecker weiter. Es bestünden Kooperationen mit verschiedenen Kliniken.
In diesem Geschäftsjahr will die Ambu Gruppe rund 1,4 Millionen Einmal-Endoskope auf den Markt bringen. Das sei ein Vielfaches dessen, was alle Mitbewerber zusammen produzieren, so Kai Wolter, Leiter Klinische Forschung, über die Rolle des Unternehmens. Sterile Endoskope seien dabei in der Anwendung günstiger als wiederverwendbare Geräte – bei gleicher Qualität und Leistung. „Genau das ist die Herausforderung für unsere Ingenieure“, sagt Wolter nicht ohne Stolz. Über selbst entwickelte Technik und den Einsatz spezieller Materialien gelinge das auch. Nun gelte es, die bisherigen Entwicklungen weiter zu verfeinern.