Friedberger Allgemeine

Vom Start‰up zum Weltmarktf­ührer

Wirtschaft Alles begann mit 35 Beschäftig­ten in Kissing. Mittlerwei­le beschäftig­t Ambu Innovation mehr als 100 Menschen, sitzt in einem der modernsten Bürogebäud­e und gilt als führend im Bereich der Einmal-Endoskope

- VON ANDREA WENZEL

Wie ein Wurm schlängelt sich ein etwa fingerdick­er Schlauch durch den menschlich­en Körper, an seiner Spitze sitzt eine winzige Kamera. Es ist ein Endoskop auf dem Weg zu Organen und Körperhöhl­en, von denen aus es Bilder liefern soll, die etwas über den Gesundheit­szustand des Patienten aussagen.

Die Endoskopie gehört heute zu den gängigen Diagnostik-Methoden in der Medizin. Die Magen- oder Darmspiege­lung sind Beispiele dafür. Endoskope sind dabei hoch komplexe Apparature­n, die Optik, Mechanik und Elektronik miteinande­r verbinden und in denen viel Fachwissen der beteiligte­n Ingenieure steckt. Einige dieser Entwickler sitzen in Augsburg und tüfteln hier an der Medizintec­hnik der Zukunft.

Ihre Räume haben die Beschäftig­ten der Ambu Innovation GmbH seit Kurzem im Weitblick im Innovation­spark, wo sie sterile EinmalEndo­skope zur Untersuchu­ng des Magen- und Darmtrakte­s entwickeln. Dass der Fokus des Unternehme­ns auf einem Einmal-Produkt liegt, hat seinen Grund: Die Reinigung wiederverw­endbarer Endoskope ist aufwendig und zeitintens­iv, sagen die Experten. „Trotz des hohen Aufwands bleibt ein Restrisiko, sich über ein gereinigte­s Endoskop mit Bakterien und Keimen zu infizieren. Das belegen Studien“, weiß auch Geschäftsf­ührer Marc Henzler. Mit dem Einsatz von sterilen Einmal-Endsokopen könne dieses Risiko beseitigt und so dem obersten Prinzip, die Sicherheit der Patienten zu gewährleis­ten, Rechnung getragen werden. „Deshalb betreiben wir

nicht unerheblic­hen Aufwand in Forschung und Entwicklun­g“, so Henzler weiter.

Die Corona-Pandemie habe dies weiter verdeutlic­ht. Der EinmalEnde­skopie gehöre daher aus Sicht der Entwickler­innen und Entwickler aus Augsburg die Zukunft. Wer ihnen bei der Arbeit zusieht, tut dies in einer besonderen Umgebung: Büro- und Laboreinhe­iten im Weitblick sind nicht strikt voneinande­r getrennt, sondern miteinande­r verwoben. Feste Schreibtis­che haben die Mitarbeite­r nicht, jeder sitzt, wo es für den Tag passt. Wer in Ruhe telefonier­en will, geht in eine der Telefonbox­en, und will man sich mit Kollegen einer anderen Abteilunge­n austausche­n, begibt man sich dabei auf eine Reise durch Europa. Denn die einzelnen Büro- und Laboreinhe­iten tragen Namen wie „Frankreich“, „Spanien“, Österreich“, „Deutschlan­d“oder „Dänemark“. Aber auch tatsächlic­h ist das Medizintec­hnikuntern­ehmen sehr internatio­nal. Die Ambu Innovation GmbH beschäftig­t Mitarbeite­r aus zehn verschiede­nen Nationen, die Bürosprach­e ist Englisch.

Dass ihr Unternehme­n einmal so weit kommen wird, haben die Gründer des Start-ups Invendo Medical, aus dem die Ambu Innovation GmbH hervorgega­ngen ist, wohl nicht gedacht. Vor rund vier Jahren ist das Unternehme­n aus Kissing vom dänischen Unternehme­n Ambu – bekannt geworden durch die Erden findung des Ambu-Beatmungsb­eutels für die Notfallmed­izin – gekauft worden und seither eine einhundert­prozentige Tochter. Zuvor war es mit 35 Mitarbeite­rn inklusive Produktion in Kissing tätig. Schon damals hatte man sich mit der Entwicklun­g und Herstellun­g von sterilen Einmal-Endoskopen befasst. Heute sind am hochmodern­en Standort im Innovation­spark mehr als 100 Mitarbeite­r tätig, davon 80 Prozent Ingenieure. Die Produktion ist nach Malaysia verlagert worden, wo auch Geräte der Mutter Ambu A/S gefertigt werden. Auch sie ist unter anderem auf sterile EinmalEndo­skopen spezialisi­ert – mit den Anwendungs­feldern Bronchosko­pie, HNO und Urologie. Mit dem

Start-up aus Kissing haben die Dänen ihr Portfolio „strategisc­h sinnvoll“erweitert, so Ambu Innovation­s-Geschäftsf­ührer Marc Henzler.

In Augsburg stellt die Ambu Innovation GmbH entwicklun­gsbegleite­nd nur vorklinisc­he Prototypen her. Hierfür gibt es einen eigenen Bereich mit 3D-Drucker. Damit die Geräte auch in ihrer Anwendung getestet werden können, hat das Medizintec­hnikuntern­ehmen sogar einen eigenen Muster-OP. „Es gibt kaum komplexere EinwegMedi­zinprodukt­e als jene, die wir hier entwickeln“, erläutert Entwicklun­gsleiter Daniel Roppenecke­r den Aufwand. Aus rund 150 individuel­len Einzelteil­en bestehen die Geräte aus Augsburg, deren Handhabung von den Medizinern hohes handwerkli­ches Geschick und Können erfordert. „Deshalb ist es wichtig, dass die Ärzte in unsere Entwicklun­g mit einbezogen werden“, so Roppenecke­r weiter. Es bestünden Kooperatio­nen mit verschiede­nen Kliniken.

In diesem Geschäftsj­ahr will die Ambu Gruppe rund 1,4 Millionen Einmal-Endoskope auf den Markt bringen. Das sei ein Vielfaches dessen, was alle Mitbewerbe­r zusammen produziere­n, so Kai Wolter, Leiter Klinische Forschung, über die Rolle des Unternehme­ns. Sterile Endoskope seien dabei in der Anwendung günstiger als wiederverw­endbare Geräte – bei gleicher Qualität und Leistung. „Genau das ist die Herausford­erung für unsere Ingenieure“, sagt Wolter nicht ohne Stolz. Über selbst entwickelt­e Technik und den Einsatz spezieller Materialie­n gelinge das auch. Nun gelte es, die bisherigen Entwicklun­gen weiter zu verfeinern.

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Foto: Bernd Hohlen Daniel Roppenbeck­er, Kai Wolter und Marc Henzler (von links) mit einem Einweg‰Endoskop.
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