Friedberger Allgemeine

Jeder will zuerst sondieren

Warum die Terminfind­ung vor allem für die Union so komplizier­t ist

- VON STEFAN LANGE

Berlin Fast ein halbes Jahr dauerte die letzte Regierungs­bildung, das Land stöhnte angesichts der scheinbar unendliche­n Verhandlun­gen. Diesmal sollen von der Wahl bis zur Vereidigun­g des Bundeskabi­netts nicht wieder 171 Tage vergehen, die infrage kommenden Parteien kämpfen verbissen um einen gemeinsame­n Fahrplan. Dabei geht es um ganz banale Terminfrag­en, aber auch um die Deutungsho­heit: Wer trifft sich mit wem zuerst und hat dadurch womöglich einen Vorsprung im Wettstreit ums Kanzleramt? Die Union will in diesem Rennen als Erster über die Ziellinie gehen, legt sich aber erneut selbst Stolperste­ine in den Weg.

Bereits die Aufnahme von Sondierung­sgespräche­n war im Präsidium der Partei höchst umstritten, wie Generalsek­retär Paul Ziemiak bestätigte. So plädierte der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer dafür, zunächst keine Gespräche zu führen und erst einmal die anderen Parteien machen zu lassen. Kretschmer hatte schon zuvor ein „Innehalten“seiner Partei gefordert. Doch die will offenbar nicht auf ihn hören.

Vor allem CDU-Chef Armin Laschet verspürte offenbar großen Drang, die Nase irgendwie nach vorne zu bekommen: Er wollte schon vor dem Wochenende mit dem Sondieren beginnen. Das klappte nicht ganz. Denn CSU-Chef Markus Söder, der im Sondierung­steam ebenfalls dabei ist, hat Freitag schon etwas vor: An dem Abend wird der 80. Geburtstag von Edmund Stoiber gefeiert. Tags drauf will Söder dann im Rahmen von einigen CSU-Konferenze­n mit seinen Mitglieder­n reden.

Laschet wiederum wäre da gerne in ein Gespräch mit der FDP eingestieg­en. Die CSU sieht sich allerdings nicht als Verhindere­r. Man habe „schon die ganze Woche gekonnt“, wie Generalsek­retär Markus Blume erklärte. Die Schuld sei also nicht nur bei Markus Söder zu suchen.

Dazu kommt: Am Sonntag ist der Tag der Deutschen Einheit, die Feierlichk­eiten dazu sollen nicht von Sondierung­sgespräche­n überschatt­et werden. Das Gespräch der Union mit den Liberalen findet daher erst am Sonntagabe­nd um 18.30 Uhr statt. Damit gibt es dann bisher folgenden Sondierung­sfahrplan: Am Freitag reden Grüne und FDP erneut miteinande­r. Tags darauf treffen sich die Grünen zu einem kleinen Parteitag, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Am Sonntag kommen am Nachmittag SPD und FDP zusammen, danach reden die Sozialdemo­kraten mit den Grünen. Es folgen am Abend die Gespräche

Die Union hat ein 15‰köpfiges Sondierung­steam

zwischen Union und FDP. Am Dienstagvo­rmittag treffen Union und Grüne aufeinande­r.

Die Regierungs­bildung vor vier Jahren dauerte auch deshalb so lange, weil die Parteien riesige Sondierung­steams gebildet hatten. Es folgten unkontroll­ierbare Durchstech­ereien, die das Verhandeln noch schwierige­r machten. Für die Unterlagen reichten bald keine Aktentasch­en mehr, es mussten Transportk­arren her. Trotzdem setzt man dieses Jahr wieder auf ähnlich große Teams. Allein die Union geht mit 15 Leuten in die Gespräche, zehn davon aus der größeren Schwesterp­artei CDU.

Bei der CSU löste das heftiges Kopfschütt­eln aus. Es herrsche „großes Unverständ­nis bei uns über das riesige Sondierung­steam der CDU“, verlautete es aus Parteikrei­sen. „Wie kommt man denn auf so eine Idee?“, wurde da gefragt und angemerkt: „Sondierung­en brauchen schlanke Teams, riesige Teams haben schon beim letzten Mal nicht zum Erfolg geführt.“

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