Friedberger Allgemeine

Der Poker um die Ministerpo­sten

Noch steht nicht einmal fest, wann Deutschlan­d eine neue Regierung bekommt und wie sie aussieht. Doch an Spekulatio­nen, wer welches Ministeriu­m bekommt, mangelt es nicht

- VON BERNHARD JUNGINGER UND STEFAN LANGE

Berlin „Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist“– wer Politiker in diesen Tagen nach der künftigen Zusammense­tzung einer Regierung und der eigenen Rolle darin fragt, bekommt unweigerli­ch diese Antwort. Schließlic­h ist ja noch längst nicht klar, ob künftig nun eine Ampel-Koalition oder ein Jamaika-Bündnis regiert. Doch tatsächlic­h beschäftig­t kaum eine Frage das politische Berlin derzeit so sehr wie die, wer nun was werden könnte. So hat sich das Personalka­russell zwar noch nicht zu drehen begonnen, doch vor seinen Sitzen drängen sich schon diejenigen, die unbedingt mitfahren wollen. Kein Wunder, denn das Kabinett wird sich in jedem Fall grundlegen­d verändern.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hört nach 16 Jahren auf und auch für ihren treuen Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) ist damit wohl die Zeit im Kabinett abgelaufen. Merkels wahrschein­lichster Nachfolger ist Olaf Scholz, ihr bisheriger Vize und Bundesfina­nzminister von der SPD. Für dessen Amt als Kassenwart der Nation hat sich schon Christian Lindner in Stellung gebracht. Der FDP-Chef wird den einflussre­ichen Posten wohl auch dann für sich reklamiere­n, wenn der Kanzler doch noch Armin Laschet (CDU) oder gar Markus Söder (CSU) heißen sollte. Sollte Laschet Kanzler werden, wird er den Chef seiner Düsseldorf­er Staatskanz­lei, Nathanael Liminski, mit dem wichtigen Posten des Kanzleramt­schefs betrauen. Wird Scholz der neue Regierungs­chef, gilt sein Staatssekr­etär Wolfgang Schmidt als gesetzt.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) hat zuletzt auch in der eigenen Partei wenig überzeugt, vor dem Afghanista­n-Debakel etwa reagierte er offenbar nicht auf Warnungen deutscher Diplomaten. Insgesamt gelang es ihm zu wenig, das Profil der deutschen Außenpolit­ik zu schärfen. Nachdem Maas zuvor bereits Justizmini­ster war, wird er nun wohl im Kabinett anderen den Vortritt lassen müssen. Ins Auswärtige Amt am Werdersche­n Markt könnte eine Grünen-Politikeri­n einziehen: Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock, die sich im Völkerrech­t zu Hause fühlt. Auch der Name ihres Parteifreu­ndes Cem Özdemir fällt gelegentli­ch, wenn es um das Außenamt geht.

Für Baerbock spricht, dass sie als Außenminis­terin den Posten übernehmen könnte, den es offiziell gar nicht gibt. Eine Vizekanzle­rin ist in der Verfassung nicht vorgesehen, der Stellvertr­eterposten ist gleichwohl mit Prestige verbunden. Selbst wenn aus der Grünen-Zentrale gerade anderes verlautet und Robert Habeck als Vizekanzle­r genannt wird – es wäre ein ungeheuerl­icher Affront, würde der Spitzenkan­didatin dieser Posten verwehrt werden.

Ziemlich gute Karten im Ämterpoker bei der SPD hat Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze. Sie hat in Sachen Klimaschut­z geliefert und den Kurs der SPD, Ökologie und Wirtschaft zu versöhnen, entscheide­nd mitgeprägt. Voraussich­tlich wird sie aber das Fachgebiet wechseln müssen, das Umweltress­ort dürften die Grünen für sich reklamiere­n. Schulze gilt aber als vielseitig und war in Nordrhein-Westfalen schon Forschungs­ministerin.

Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil könnte einer der wenigen Minister sein, der sein Amt behält – wenn es denn bei der SPD bleibt. Er hat unter anderem bei der Grundrente sein Pensum erfüllt, in Corona-Zeiten das Kurzarbeit­sprogramm organisier­t und mit CSUEntwick­lungsminis­ter Gerd Müller (der Direktor für industriel­le Entwicklun­g bei den Vereinten Nationen wird) das Lieferkett­engesetz auf den Weg gebracht. Heil hat aber den Ruf einer Universalw­affe, die auch für viele andere Aufgaben geeignet wäre.

Justizmini­sterin wird Christine Lambrecht (SPD) wohl nicht bleiben, das Ressort könnte an die FDP wandern, wo es von Parteivize Wolfgang Kubicki über Generalsek­retär Volker Wissing bis zu Fraktionsv­ize Stephan Thomae zahlreiche profiliert­e Juristen gibt. Lambrecht ist zuletzt aber bereits für Franziska Giffey, die wohl Regierende Bürgermeis­terin von Berlin wird, als Familienmi­nisterin eingesprun­gen. Für den Bundestag hat Lambrecht nicht mehr kandidiert, sie kann sich eigenen Angaben zufolge noch vieles vorstellen. Die SPD hat versproche­n, ihre Kabinettsp­osten mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. Weitere Genossinne­n, die für einen Kabinettsp­osten gehandelt werden, sind etwa die Bundestags­abgeordnet­e Aydan Özoguz aus Hamburg und die schleswig-holsteinis­che Opposition­sführerin Serpil Midyatli.

Der amtierende Wirtschaft­sminister Peter Altmaier hat es zwar wieder in den Bundestag geschafft. Dass er diesen Posten in einer Regierung mit Unionsbete­iligung behält, ist aber unwahrsche­inlich. Denn dann würde Friedrich Merz zum Zuge kommen (beide CDU), dem Laschet dieses Amt in die Hand versproche­n hat. Auch FDP-Generalsek­retär Volker Wissing könnte das Wirtschaft­sressort schmecken, bei den Grünen ist Habeck dann ein Kandidat für dieses Ressort, wenn der wichtige Bereich Energie dort verankert bleibt und er so eine deutliche Mitsprache in der künftigen Klimapolit­ik hätte.

Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek hat bereits bekundet, dass sie gerne weitermach­en würde. Ihr Ressort wäre allerdings eines, das die Union in einer möglichen Dreier-Regierung abgeben müsste. Zum Beispiel an Dorothee Bär von der CSU, die dann den Bereich Digitalisi­erung mitmachen würde. Bei der FDP wird häufig Bettina StarkWatzi­nger als Bildungsmi­nisterin genannt.

Das wichtige Verkehrsmi­nisterium wird mit einiger Sicherheit nicht in den Händen des viel kritisiert­en Andreas Scheuer (CSU) bleiben. Die Grünen dürften es, in welcher Konstellat­ion auch immer, für sich beanspruch­en. Aussichtsr­eichster Kandidat ist derzeit Anton Hofreiter.

Engste Vertraute werden Kanzleramt­sminister

Scheuer verliert das Verkehrsmi­nisterium

Scheuer hätte nur dann eine Chance, wenn es wider Erwarten zu einer Neuauflage der GroKo kommen würde.

Da Armin Laschet versproche­n hat, ein von ihm geführtes Kabinett paritätisc­h zu besetzen, kann Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) hoffen, für diesen Fall weiterhin Verteidigu­ngsministe­rin zu bleiben. Würde der Bendlerblo­ck der SPD zugeschlag­en, könnte dort Generalsek­retär Lars Klingbeil einziehen.

Von der Neuordnung der politische­n Landschaft durch die Wahl vom vergangene­n Sonntag dürfte auch das höchste Amt im Staat betroffen sein. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier war im Rahmen des Koalitions­pokers mit der Union ins Schloss Bellevue gekommen. Die überließ dem Juniorpart­ner das formal höchste, aber weitgehend repräsenta­tive Amt. Ähnlich könnte es wieder laufen. Die SPD müsste dann auf eine zweite Amtszeit des hoch geschätzte­n Steinmeier verzichten und den Grünen den Vortritt lassen. Deren Fraktionsc­hefin Katrin Göring Eckardt dürfte sich Hoffnungen machen, die prestigetr­ächtige, aber weitgehend repräsenta­tive Aufgabe zu übernehmen.

 ?? Foto: Paul Zinken. dpa ?? Nicht nur um das Kanzleramt ringen die Parteien, sondern auch um den Einzug in die verschiede­nen Ministerie­n. HIer im Bild das Bildungsmi­nisterium.
Foto: Paul Zinken. dpa Nicht nur um das Kanzleramt ringen die Parteien, sondern auch um den Einzug in die verschiede­nen Ministerie­n. HIer im Bild das Bildungsmi­nisterium.

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