Friedberger Allgemeine

Dringend gesucht: Die neue Nummer zwei

Eine Frau soll es eigentlich sein, ganz in der Tradition von Annemarie Renger. Doch von den Frauen in der SPD drängt sich keine als Bundestags­präsidenti­n auf. So könnte am Ende doch ein Mann zum Zug kommen

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin In den Annalen der Bundesrepu­blik ist die SPD die klare Nummer zwei. Von den bislang acht Bundeskanz­lern hat sie drei gestellt, von den zwölf Bundespräs­identen ebenfalls nur drei – und von den 13 Präsidente­n des Bundestage­s gar nur magere zwei, nämlich Annemarie Renger in den Siebzigerj­ahren und Wolfgang Thierse zu Zeiten der rot-grünen Koalition. Wer der (oder die) Dritte wird, ist allerdings auch knapp eine Woche nach der Wahl noch völlig unklar. Selbst langjährig­e Abgeordnet­e beantworte­n die Frage nach den Favoriten auf die Nachfolge von Wolfgang Schäuble (CDU) mit einem Achselzuck­en.

Große exekutive Macht hat ein Bundestags­präsident nichtn – rein protokolla­risch aber ist sein Amt nach dem des Bundespräs­identen das zweithöchs­te im Staat. Traditione­ll steht es der stärksten Fraktion im Bundestag zu, in diesem Falle also den Sozialdemo­kraten, die im neuen Parlament 206 Sitze haben und damit zehn mehr als die Unionspart­eien. Einer, der für Schäubles Platz nach übereinsti­mmender Meinung in der SPD infrage käme, ist der Fraktionsv­orsitzende Rolf Mützenich, der entspreche­nde Spekulatio­nen allerdings noch zurückhalt­end kommentier­t: „Wenn es eine Wertschätz­ung sein soll, dass ich genannt werde“, sagt er, „freue ich mich darüber.“Der Rest ist diplomatis­ches Schweigen, gewählt wird schließlic­h erst am 26. Oktober. Als Fraktionsc­hef, das weiß der Parteilink­e aus Köln, hat er einen ungleich größeren Einfluss auf die Politik als im Bundestags­präsidium.

So oder so sähe die SPD am liebsten eine Frau an der Spitze des Parlaments – mit Annemarie Renger und der CDU-Frau Rita Süßmuth gab es überhaupt erst deren zwei in mehr als 70 Jahren Nachkriegs­geschichte. Außerdem säßen mit Olaf Scholz als neuem Bundeskanz­ler und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier schon zwei sozialdemo­kratische Männer an den anderen herausgeho­benen Stellen der Republik. Steinmeier lässt zwar, wie es guter Brauch ist, als Präsident seine Parteimitg­liedschaft ruhen, in der Logik der SPD-Frauen aber ist und bleibt er ein Genosse. „Eine Frau wäre gut“, sagt denn auch eine erfahrene Abgeordnet­e. Nur wer?

Justizmini­sterin Christine Lambrecht?

Scheidet aus, weil sie für den neuen Bundestag gar nicht mehr kandidiert hat. Das Gleiche gilt für Ulla Schmidt und Regina Ziegler, ehemalige Vizepräsid­entin des Bundestage­s die eine, noch amtierende die andere. Die Berlinerin Eva Högl ist im vergangene­n Jahr Wehrbeauft­ragte geworden und hat ihr Abgeordnet­enmandat deshalb niedergele­gt – und Ute Vogt aus BadenWürtt­emberg, von Gerhard Schröder einst zur Führungsre­serve erster Klasse gezählt, hat ebenfalls nicht mehr kandidiert. Die Liste der Frauen, die in Ermangelun­g eines Mandats nicht mehr infrage kommen, ist damit länger als die der möglichen Aspirantin­nen.

Der einzige Name, der im Flurfunk der Sozialdemo­kraten bisher häufiger fällt, ist der von Aydan Özoguz. Die 54-Jährige sitzt seit 2009 im Bundestag, war schon stellvertr­etende Partei- und Fraktionsv­orsitzende und einige Jahre Staatsmini­sterin für Integratio­n im Kanzleramt. Aus gemeinsame­n Hamburger Zeiten hat sie noch einen guten Draht zu ihrem Mentor Scholz, sie ist in der Partei gut vernetzt, als Bundestags­abgeordnet­e allerdings bisher nicht größer in Erscheinun­g getreten. Eine gewisse unfreiwill­ige

Publizität erlangte sie lediglich, als der AfD-Mann Alexander Gauland vor drei Jahren empfahl, Politikeri­nnen wie die Kollegin Özoguz nach Anatolien zu „entsorgen“.

Und sonst? Zu den Frauen, die sich in der Fraktion etabliert haben und über ein gewisses Standing verfügen, gehören noch Kerstin Griese und Bärbel Bas aus NordrheinW­estfalen, die frühere Generalsek­retärin Jasmin Fahimi, Umweltmini­sterin Svenja Schulze, ihre Staatssekr­etärin Rita Schwarzelü­hr-Sutter aus Baden-Württember­g und die Abgeordnet­e Katrin Budde aus Sachsen-Anhalt, die allerdings auch als mögliche Ministerin in einem Kabinett Scholz gehandelt wird.

Gelegentli­ch fällt auch der Name des scheidende­n Berliner Bürgermeis­ters Michael Müller, der in den Bundestag wechselt und immerhin schon Erfahrung in solchen protokolla­risch anspruchsv­ollen Ämtern hat – er war bereits Präsident des Bundesrate­s. Am Ende aber könnte es – Müller hin, Frauen her – doch auf Rolf Mützenich zulaufen, den dritten Mann. „Wenn er wirklich will“, sagt eine Abgeordnet­e aus Bayern, „wird ihm das niemand nehmen können.“

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Fotos: Popp/Settnik, dpa An der Spitze des Bundestage­s standen erst zwei Sozialdemo­kraten: Annemarie Ren‰ ger und Wolfgang Thierse. Wer wird die Nummer drei?
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