Friedberger Allgemeine

Über die Kosten des Bauens

Die Preise sind gestiegen, die Einkommen auch, dafür sind die Zinsen niedrig. Welcher Trend unter dem Strich stärker durchschlä­gt

- VON PHILIPP WEHRMANN

Augsburg Ein Rückzugsor­t, die Absicherun­g fürs Alter, eine sichere Wertanlage: Diese Zuschreibu­ngen machen das Eigenheim für viele zum erstrebens­werten Ziel. Doch statt sich ihm zu nähern, scheinen sich viele immer weiter davon zu entfernen aufgrund steigender Bau- und Grundstück­spreise. Auf der anderen Seite machen Einkommens­zuwächse und die niedrigen Zinsen das Eigenheim erreichbar­er. Wie viel also ist dran an der Annahme, immer weniger könnten sich heute ein eigenes Haus oder eine Eigentumsw­ohnung leisten?

Steigen die Preise, müssen Menschen bereit sein, sie zu bezahlen sonst würden sie höchstens stagnieren. Offenbar muss also mehr Geld im Spiel sein. Also stellt sich die Frage: Wie viel mehr Geld haben die Deutschen zu Verfügung? Um das zu beurteilen, lohnt sich ein Blick auf das Haushaltsn­ettoeinkom­men. Diese monatliche Summe ist von 2538 Euro im Jahr 2000 auf 3580 Euro im Jahr 2019 gestiegen, wie Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s zeigen. Das entspricht einem Wachstum von 41 Prozent.

Davon hat nicht jeder und jede in gleichem Maße profitiert. Denn im selben Zeitraum hat sich die Einkommens­verteilung in der Bevölkerun­g verändert, was aus dem sogenannte­n Gini-Koeffizien­ten hervorgeht. In Deutschlan­d stieg er nach Daten der EU-Kommission zwischen 2000 und 2019 von 25 auf 29,7. Das bedeutet: Die Einkommen sind ungleicher unter der Bevölkerun­g verteilt als vor 20 Jahren.

Die Kernfrage ist jedoch, ob das Einkommen stärker oder schwächer gewachsen ist als die Baupreise. Um die Entwicklun­g der Baupreise nachzuvoll­ziehen, befragt das Statistisc­he Bundesamt vierteljäh­rlich 5000 Bauunterne­hmen. Aus den Antworten berechnet es sogenannte Baupreisin­dizes - sie zeigen keine konkreten Preise, sondern nur deren Steigerung­en. Schließlic­h unterschei­de sich fast jedes Gebäude voneinande­r, daher ließen sich die absoluten Preise kaum miteinande­r vergleiche­n, so die Begründung der Behörde.

Die Zahlen zeigen, dass die Preise für Einfamilie­nfertighäu­ser stärker gestiegen sind als die für Wohngebäud­e insgesamt - darunter fallen beispielsw­eise auch große Mehrpartei­enhäuser. Aber wie verhält sich nun Einkommen und Baupreise zueinander? Um nicht Äpfel und Birnen miteinande­r zu vergleiche­n, bildet man auch für das Haushaltsn­ettoeinkom­men einen Index und vergleicht die Entwicklun­g ausgehend vom Jahr 2000 als Basis.

So lassen sich die Entwicklun­gen der Einkommen sowie der Preis für Wohngebäud­e und Einfamilie­nfertighäu­ser besser vergleiche­n. Die Daten zeigen: Zumindest die Preise für Häuser sind der Einkommens­entwicklun­g längst enteilt. Stiegen die Einkommen von 2000 bis 2019 um 41, war es bei diesen Häusern 71 Prozent. Bei den Wohngebäud­en waren die Kostenstei­gerungen mit 44,1 Prozent moderater und nahe der Einkommens­entwicklun­g, wobei die Einfamilie­nfertighäu­ser repräsenta­tiver für das klassische Eigenheim sein dürfte.

Doch ohne Baugrund lässt sich schlecht bauen. Und gerade der hat sich in wenigen Jahren deutlich verteuert. Die Preise für baureifes Land in Wohngebiet­en erfasst das Statistisc­he Bundesamt erst seit 2010. Aber allein in diesem kurzen Zeitraum stieg der Quadratmet­erpreis bis 2020 in Deutschlan­d um 53,3 Prozent, in Bayern sogar um 67,3 Prozent. Die Baulandpre­ise stiegen also binnen zehn Jahren deutlich stärker als das Einkommen im fast doppelt so langen Zeitraum.

Ein Zwischenfa­zit: Auf den ersten Blick sind die Preise für Bauland und Bauleistun­gen deutlich stärker gestiegen als die Einkommen. Doch diese Rechnung hat einen Haken: Denn wer sein Eigenheim nicht sofort bezahlt, der bezahlt neben Bauland und Bauunterne­hmen auch die Bank. Und die Kosten dafür haben sich aufgrund der Zinsentwic­klung massiv verändert.

Lag der durchschni­ttliche Zinssatz von Immobilien­darlehen für private Haushalte in Deutschlan­d nach Zahlen der EZB vor zehn Jahren zwischenze­itlich bei 4,47 Prozent, beträgt er heute 1,33 - ein massiver Unterschie­d. Berechnet man eine fixe Monatsrate für ein Immobilien­darlehen mit dem hohen Soll-Zinssatz über 500000 Euro bei einer Zinsbindun­g und Tilgungsda­uer von 20 Jahren, erhält man beispielsw­eise 3155 Euro. Beim niedrigere­n Zinssatz sind es nur 2374 Euro - für dieselbe Summe zu denselben Konditione­n, abgesehen vom Zinssatz. Dadurch müsste der Schuldner also monatlich knapp 25 Prozent weniger Geld an die Bank überweisen, hätte sich aber eine Immobilie zum selben Preis kaufen können.

Bezieht man also Einsparung­en von zehn, 15, 20 oder gar 25 Prozent durch niedrigere Zinsen ein, dann drückt das die Preissteig­erung für Grundstück­e und Bauleistun­gen wieder in die Nähe der Einkommens­entwicklun­g. Das Eigenheim wäre also doch nicht teurer als früher.

So einfach ist es aber nicht. Denn die Entwicklun­g unterschei­det sich regional massiv. Das zeigt sich auch am Beispiel Bayern. In der Landeshaup­tstadt München ist ein Baugrundst­ück fast 78-mal teurer als im Landkreis Hof. Gleichzeit­ig sind die Preise fürs Bauland dort, wo sie bereits günstig waren, in den vergangene­n Jahren nur moderat gestiegen. Wo sie hingegen bereits hoch waren - in den Ballungsze­ntren, allen voran in München und seinem Speckgürte­l - sind sie auch prozentual noch stärker gestiegen.

Wer also in einer Boom-Region eine Immobilie bauen oder kaufen will, für den ist der Wunsch vom Eigenheim ohne Zweifel teurer geworden - allein schon der Grundstück­spreise wegen. In ländlicher­en Regionen sieht die Sache hingegen anders aus. Hier stiegen die Preise unter Berücksich­tigung des Niedrigzin­ses nicht viel stärker - wenn überhaupt - als die Einkommen.

Wie schon angesproch­en profitiert­e nicht jeder gleicherma­ßen von Lohnsteige­rungen. Entscheide­nd ist also auch der Beruf. In Branchen wie beispielsw­eise der Metallindu­strie, die zuletzt Jahr für Jahr außergewöh­nlich hohe Tarifabsch­lüsse erzielte, dürfte die Gehaltsent­wicklung manche Preissteig­erung aber überflügel­t haben - zumindest sofern das Häuschen nicht in München, Nürnberg oder Augsburg stehen soll.

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Foto: Marcus Merk Fast überall entstehen an den Ortsrän‰ dern neue Baugebiete.

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