Über die Kosten des Bauens
Die Preise sind gestiegen, die Einkommen auch, dafür sind die Zinsen niedrig. Welcher Trend unter dem Strich stärker durchschlägt
Augsburg Ein Rückzugsort, die Absicherung fürs Alter, eine sichere Wertanlage: Diese Zuschreibungen machen das Eigenheim für viele zum erstrebenswerten Ziel. Doch statt sich ihm zu nähern, scheinen sich viele immer weiter davon zu entfernen aufgrund steigender Bau- und Grundstückspreise. Auf der anderen Seite machen Einkommenszuwächse und die niedrigen Zinsen das Eigenheim erreichbarer. Wie viel also ist dran an der Annahme, immer weniger könnten sich heute ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung leisten?
Steigen die Preise, müssen Menschen bereit sein, sie zu bezahlen sonst würden sie höchstens stagnieren. Offenbar muss also mehr Geld im Spiel sein. Also stellt sich die Frage: Wie viel mehr Geld haben die Deutschen zu Verfügung? Um das zu beurteilen, lohnt sich ein Blick auf das Haushaltsnettoeinkommen. Diese monatliche Summe ist von 2538 Euro im Jahr 2000 auf 3580 Euro im Jahr 2019 gestiegen, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Das entspricht einem Wachstum von 41 Prozent.
Davon hat nicht jeder und jede in gleichem Maße profitiert. Denn im selben Zeitraum hat sich die Einkommensverteilung in der Bevölkerung verändert, was aus dem sogenannten Gini-Koeffizienten hervorgeht. In Deutschland stieg er nach Daten der EU-Kommission zwischen 2000 und 2019 von 25 auf 29,7. Das bedeutet: Die Einkommen sind ungleicher unter der Bevölkerung verteilt als vor 20 Jahren.
Die Kernfrage ist jedoch, ob das Einkommen stärker oder schwächer gewachsen ist als die Baupreise. Um die Entwicklung der Baupreise nachzuvollziehen, befragt das Statistische Bundesamt vierteljährlich 5000 Bauunternehmen. Aus den Antworten berechnet es sogenannte Baupreisindizes - sie zeigen keine konkreten Preise, sondern nur deren Steigerungen. Schließlich unterscheide sich fast jedes Gebäude voneinander, daher ließen sich die absoluten Preise kaum miteinander vergleichen, so die Begründung der Behörde.
Die Zahlen zeigen, dass die Preise für Einfamilienfertighäuser stärker gestiegen sind als die für Wohngebäude insgesamt - darunter fallen beispielsweise auch große Mehrparteienhäuser. Aber wie verhält sich nun Einkommen und Baupreise zueinander? Um nicht Äpfel und Birnen miteinander zu vergleichen, bildet man auch für das Haushaltsnettoeinkommen einen Index und vergleicht die Entwicklung ausgehend vom Jahr 2000 als Basis.
So lassen sich die Entwicklungen der Einkommen sowie der Preis für Wohngebäude und Einfamilienfertighäuser besser vergleichen. Die Daten zeigen: Zumindest die Preise für Häuser sind der Einkommensentwicklung längst enteilt. Stiegen die Einkommen von 2000 bis 2019 um 41, war es bei diesen Häusern 71 Prozent. Bei den Wohngebäuden waren die Kostensteigerungen mit 44,1 Prozent moderater und nahe der Einkommensentwicklung, wobei die Einfamilienfertighäuser repräsentativer für das klassische Eigenheim sein dürfte.
Doch ohne Baugrund lässt sich schlecht bauen. Und gerade der hat sich in wenigen Jahren deutlich verteuert. Die Preise für baureifes Land in Wohngebieten erfasst das Statistische Bundesamt erst seit 2010. Aber allein in diesem kurzen Zeitraum stieg der Quadratmeterpreis bis 2020 in Deutschland um 53,3 Prozent, in Bayern sogar um 67,3 Prozent. Die Baulandpreise stiegen also binnen zehn Jahren deutlich stärker als das Einkommen im fast doppelt so langen Zeitraum.
Ein Zwischenfazit: Auf den ersten Blick sind die Preise für Bauland und Bauleistungen deutlich stärker gestiegen als die Einkommen. Doch diese Rechnung hat einen Haken: Denn wer sein Eigenheim nicht sofort bezahlt, der bezahlt neben Bauland und Bauunternehmen auch die Bank. Und die Kosten dafür haben sich aufgrund der Zinsentwicklung massiv verändert.
Lag der durchschnittliche Zinssatz von Immobiliendarlehen für private Haushalte in Deutschland nach Zahlen der EZB vor zehn Jahren zwischenzeitlich bei 4,47 Prozent, beträgt er heute 1,33 - ein massiver Unterschied. Berechnet man eine fixe Monatsrate für ein Immobiliendarlehen mit dem hohen Soll-Zinssatz über 500000 Euro bei einer Zinsbindung und Tilgungsdauer von 20 Jahren, erhält man beispielsweise 3155 Euro. Beim niedrigeren Zinssatz sind es nur 2374 Euro - für dieselbe Summe zu denselben Konditionen, abgesehen vom Zinssatz. Dadurch müsste der Schuldner also monatlich knapp 25 Prozent weniger Geld an die Bank überweisen, hätte sich aber eine Immobilie zum selben Preis kaufen können.
Bezieht man also Einsparungen von zehn, 15, 20 oder gar 25 Prozent durch niedrigere Zinsen ein, dann drückt das die Preissteigerung für Grundstücke und Bauleistungen wieder in die Nähe der Einkommensentwicklung. Das Eigenheim wäre also doch nicht teurer als früher.
So einfach ist es aber nicht. Denn die Entwicklung unterscheidet sich regional massiv. Das zeigt sich auch am Beispiel Bayern. In der Landeshauptstadt München ist ein Baugrundstück fast 78-mal teurer als im Landkreis Hof. Gleichzeitig sind die Preise fürs Bauland dort, wo sie bereits günstig waren, in den vergangenen Jahren nur moderat gestiegen. Wo sie hingegen bereits hoch waren - in den Ballungszentren, allen voran in München und seinem Speckgürtel - sind sie auch prozentual noch stärker gestiegen.
Wer also in einer Boom-Region eine Immobilie bauen oder kaufen will, für den ist der Wunsch vom Eigenheim ohne Zweifel teurer geworden - allein schon der Grundstückspreise wegen. In ländlicheren Regionen sieht die Sache hingegen anders aus. Hier stiegen die Preise unter Berücksichtigung des Niedrigzinses nicht viel stärker - wenn überhaupt - als die Einkommen.
Wie schon angesprochen profitierte nicht jeder gleichermaßen von Lohnsteigerungen. Entscheidend ist also auch der Beruf. In Branchen wie beispielsweise der Metallindustrie, die zuletzt Jahr für Jahr außergewöhnlich hohe Tarifabschlüsse erzielte, dürfte die Gehaltsentwicklung manche Preissteigerung aber überflügelt haben - zumindest sofern das Häuschen nicht in München, Nürnberg oder Augsburg stehen soll.